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Nuklearsicherheitstechnik nach Fukushima

Wie sicher Reaktoren und andere nukleartechnische Einrichtungen sind, das beurteilen Experten, wie sie unter anderem an der RWTH Aachen ausgebildet werden. Die Katastrophe von Fukushima ist auch dort ein Thema.

Von Christoph Sterz |
    Für Lasse Götz haben sich die Ereignisse in Japan schon jetzt auf sein Studium ausgewirkt. Der 26-Jährige macht gerade seinen Masterabschluss in Nuclear Safety Engineering - zu Deutsch Nuklearsicherheitstechnik - an der RWTH Aachen - und wurde gleich zur Katastrophe in Fukushima befragt.

    "Ich hatte eine mündliche Prüfung in Reaktortechnik gehabt und es wurde natürlich auch auf Fukushima eingegangen. Es ging um die Nachzerfallswärmeleistung. Also das, was uns gerade in Fukushima die Probleme bereitet hat."

    Götz und seine zwölf Kommilitonen gehören zum Institut für nuklearen Brennstoffkreislauf. Die Wissenschaftler erforschen dort normalerweise die Gewinnung von Uranerzen, die Reaktorsicherheit und radioaktive Abfälle. Im Moment dreht sich aber alles um Fukushima.

    "Es ist schon so, dass jetzt diese Ereignisse im Institut Priorität bekommen haben. Dass die andere Forschung erstmal hinten angestellt wird, weil im Moment ein starker Informationsbedarf der Öffentlichkeit da ist oder von Freunden oder der Familie. Und es ist doch schon so, dass man versucht, sich selbst so gut wie möglich zu informieren","

    sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter Andreas Havenith, der sich zum Thema radioaktive Abfälle promoviert. An seinem Institut haben sich inzwischen Arbeitsgruppen gebildet, die die Chronologie der Ereignisse in Japan aufarbeiten und die aktuellen Vorgänge in Fukushima beobachten. Außerdem analysieren die Wissenschaftler die mediale Berichterstattung.

    ""Ich sehe es eher negativ, dass jetzt eine gewisse Hetze auf die Kerntechnik betrieben wird. Kerntechnik besteht halt aus deutlich mehr als aus Kernenergieerzeugung."

    Auch Lasse Götz wird zurzeit von Freunden und Familie zunehmend kritisch auf seinen Studienbereich angesprochen. Götz ist seit dem Wintersemester in Aachen eingeschrieben. Nachwuchskräfte wie er sind dringend notwendig, ist zumindest die Meinung am Aachener Institut. Schon jetzt gebe es einen Mangel an qualifizierten Ingenieuren und Kerntechnikern. Gute Jobaussichten also für den 26-Jährigen - Fukushima hin oder her:

    "Erstmal muss man sagen, dass wir uns nicht nur in der Kernenergietechnik befinden, sondern auch den radioaktiven Abfall behandeln, die Endlagerforschung; dass es weiterhin natürlich Berufsfelder gibt in der Nuklearmedizin und auch im Strahlenschutz, und von daher sehe ich das Ganze unabhängig von den Ereignissen in Japan. Keine Konsequenzen für meine Berufsaussichten."

    Auch wenn Götz seiner Meinung nach erschüttert von dem Erdbeben, dem Tsunami und nicht zuletzt dem stark beschädigten Atomkraftwerk ist, seine Position zur Kernkraft hat sich nicht verändert.

    "Ich denke, das ist ein sehr spannendes Feld, und man muss sich auch immer fragen: Ja, wenn wir komplett aussteigen aus der Kernenergie - machen wir das alleine oder macht das der Rest der Welt auch? Und es ist die Frage, wenn wir komplett aus der Reaktorsicherheitsforschung aussteigen, sind wir nicht mehr in der Lage, solche Vorgänge wie in Fukushima sachlich korrekt zu beurteilen."

    Götz und Havenith sind sich sicher, dass sie Fukushima auch in den nächsten Wochen und Monaten noch beschäftigen wird. Und auch, dass sie sich von nun an häufiger für ihre Berufswahl rechtfertigen müssen.