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Oase im Herzen der Millionenstadt

Immer mehr junge Iraner lernen Fremdsprachen, auch weil sie für sich eine Zukunft im Ausland suchen. Auch Deutschland zählt zu den Wunschländer, die Sprache kann man am Deutschen Sprachinstitut Teheran lernen.

Von Christian Schillmöller | 05.07.2011
    Das Deutsche Sprachinstitut Teheran (DSIT) liegt im Nordosten der iranischen Hauptstadt. Eine kleine Oase in einer Metropole mit 15 Millionen Einwohnern. Im Innenhof stehen Walnuss-, Eukalyptus- und Olivenbäume, dazu Buchsbaumhecken und ein kleiner Teich. Der Kies auf den Wegen knirscht unter den Schuhen, und beim Kiosk gibt es Haribo-Goldbären, Snickers, Tee und Saft. Im großen Klassenraum mit Blick auf den Innenhof lernen knapp 30 junge Iraner Deutsch.

    Das Thema heute: die indirekte Rede. Und sofort fällt auf: Die Studentinnen und Studenten sind fröhlich, neugierig und selbstbewusst.

    "Ich will nach Deutschland gehen, um zu studieren. Ich habe mit den Unis Kontakt aufgenommen, und Sie sagen, es geht. Also wenn ich ein Visum bekomme, dann gehe ich."

    "In welche Stadt wollen Sie?"

    "Nach Nordrhein-Westfalen."

    Elahe ist 30 und sehr gut informiert: Das Land NRW hat erst vor Kurzem die Studiengebühren wieder abgeschafft. In Teheran macht Elahe gerade ihren Master in Kunst und Philosophie. Ihre Abschlussarbeit schreibt sie über die Ästhetik von Schopenhauer. Und sie weiß genau, wie lange sie in Deutschland bleiben will.

    "So lange wie möglich. Ich möchte gern dort weiterstudieren und meine Doktorarbeit machen, und wenn ich eine gute Arbeit finden kann, werde ich dort bleiben, um dort leben zu können."

    Früher gab es in Teheran ein Goethe-Institut. Doch 1987 musste es schließen, und schuld daran ist Rudi Carrell. Für seine satirische Tagesschau montierte er Bilder von Ayatollah Khomeini so zusammen, dass es aussah, als würde der Revolutionsführer mit Damen-Unterwäsche beworfen. Das fand das iranische Regime gar nicht lustig, es kam zu diplomatischen Spannungen - und das Goethe-Institut musste schließen. Seit 1995 gibt es nun das Deutsche Sprachinstitut. Es ist zwar eigenständig, stellt aber alle wichtigen Deutsch-Zertifikate aus. Rita Sachse-Toussaint ist die Leiterin.

    "Das Interesse an unseren Deutschkursen ist immens. Wir haben jedes Jahr 6000 Einschreibungen und 2000 Prüfungen."

    Deutsch lernen im Iran: Die meisten Schüler am DSIT wollen in Deutschland einen Master machen oder promovieren. Für die Kosten kommen die Eltern auf, darum können sich das Auslandsstudium in der Regel nur Kinder aus wohlhabenderen Familien leisten. Rita Sachse-Toussaint - das merkt man schnell - mag die Studenten am DSIT sehr.

    "Wir haben hier viele offene, wissbegierige Leute. Es sind fantastische Menschen, und ich bin gern hier."

    Mohammed auch. Er ist 24, studiert Industrieingenieurwesen und sagt, in Europa und den USA gebe es einfach bessere Möglichkeiten. Ganz offen berichtet er von den Problemen in seiner Heimat - als Beispiel nennt er das Kino.

    "Wir haben einige politische Probleme hier. Wenn Sie in ihrem Film etwas zeigen, und die Regierung findet es nicht gut."

    "Dann wird das verboten?"

    "Ja, natürlich. Wenn nur ein Satz oder ein Wort kritisch ist, dann hat die Regierung etwas dagegen. Dann ist es verboten und sie können es nicht veröffentlichen."

    Iran oder Deutschland? Die Entscheidung fällt vielen jungen Leuten nicht leicht. Sie lieben ihre Heimat - und wollen sie trotzdem verlassen. Was aber allen hier am Herzen liegt, das ist das Bild, das die Welt vom Iran hat. Mohammed bringt diese Sorge auf den Punkt.

    "Die Ausländer halten etwas Falsches von uns Iranern. Ich glaube, Sie halten Iran für ein schlechtes Land. Sicher, wir haben einige Probleme hier, aber es ist nicht so schlecht, wie es von draußen aussieht."