Rainer B. Schossig: Das Land Baden-Württemberg ist drauf und dran, ein Gemälde zu erwerben, das ihm bereits gehört. Die so genannte Markgrafentafel des Hans Baldung, genannt Grien, geschätzt auf stolze acht Millionen Euro. Nur durch Spenden, so die Landesregierung, könne das berühmte Gemälde des Renaissancemeisters für das Land gesichert werden. Doch der Hausherr in Stuttgart, der so gerne von Haushaltssanierung redet, der hat anscheinend vergessen, in seine Haushaltsbücher zu schauen.
Vor der Sendung habe ich mit Dieter Mertens, dem Historiker an der Universität Freiburg gesprochen. Er hat jetzt einen handschriftlichen Brief aus dem Jahre 1930 gefunden, in dem der Markgraf Berthold von Baden versichert, das Großherzoglich-Badische Haus sei bereit, Zitat, "auf das Votivbild von Hans Baldung Grien zugunsten des badischen Staates zu verzichten" - wodurch eigentlich bewiesen ist, dass das Bild bereits im Besitz des Landes ist. Ich habe Dieter Mertens gefragt, wie schwierig es denn war, dieses Dokument zu finden?
Dieter Mertens: Man muss etwas vorher anfangen, nämlich bei den gedruckten Sachen, bei dem gedruckten Gesetzestext von 1930 und bei dem in mehreren Auflagen gedruckt vorliegenden Koelitz, also dem Verzeichnis der Gemäldesammlung der Kunsthalle. Und wenn Sie gucken, was die Markgrafentafel für eine Nummer in dem Koelitz hat - die Nummer 88 (sic!) - und suchen die jetzt in dem Gesetz unter den dort aufgezählten Gemälden, die dem Haus Baden verbleiben, dann finden Sie die Nummer 188 nicht.
Schossig: So war also der Brief des Markgrafen Berthold von Baden aus dem Jahr 1930 an die damalige Landesregierung, den Kultusminister eigentlich das letzte Glied einer noch fehlenden Kette, die Sie darauf brachte, dass hier etwas nicht stimmt.
Mertens: Das etwas nicht stimmt, besagt das Fehlen diese Nummer 188 im Gesetz. Warum das fehlt, das sagen dann die Akten, weil die die ganzen Verhandlungen ja widerspiegeln. Aber gültig ist natürlich das Gesetz.
Schossig: Wie konnte denn Oettinger die so genannte Markgrafentafel des Hans Baldung Grien als unbestrittenes Eigentum des Hauses Baden dann bezeichnen? Auf welche Dokumente konnte er sich dafür stützen?
Mertens: Ich kenne nicht alle Gutachten, die da entstanden sind, und insofern weiß ich nicht, was jetzt nun Herrn Oettinger vorgelegt worden ist, was die Referenten also kannten oder die Ministerien. Aber da wird wahrscheinlich eben also das drin gestanden haben. Eine mögliche Fehlerquelle ist eben dieser Koelitz, dieses Verzeichnis, wenn man nicht bedenkt, dass die Auflage, die man vor sich hat, alt ist. Also ich habe eine Auflage von 1915, das ist die siebente Auflage, da hat die Nummer 88 (sic!) ein Sternchen. Und das Sternchen soll heißen, es ist Besitz des Hauses. Aber dieses Sternchen gilt natürlich nicht mehr ab 1930, weil das Gesetz da verabschiedet worden ist.
Schossig: Erst neulich wollte die Oettinger-Regierung ja schon wertvolle Handschriften der Landesbibliothek in Karlsruhe verkaufen, was einen internationalen Proteststurm ausgelöst hat. Wir haben darüber berichtet. Nun also dieser Fall Hans Baldung Grien. Weiß denn, so fragt man sich bei der Landesregierung, eigentlich die Linke nicht, was die Rechte tut?
Mertens: Wahrscheinlich hat man sich zu sehr auf Gutachten, die wiederum nicht richtig recherchiert haben, verlassen. Ich kann das aber nicht im Einzelnen nachvollziehen, weil ich wie gesagt gar nicht alle Gutachten kenne. Da ist also von früh an gegutachtet worden: ein Parteigutachten der Badener, ein Rechtsanwalt aus Baden-Baden, ein Rechtsanwalt aus Mannheim und so weiter, damit geht das los. Und da geht es nicht immer um die Bilder, sondern um alles Mögliche. Und insofern also ist da eine ganze Latte von Gutachten unterschiedlicher Intention und unterschiedlicher Fokussierung zu Stande gekommen. Und wie jetzt das im Einzelnen entstanden ist, dass diese Behauptung, es sei also unstrittiges Eigentum des Hauses, die Markgrafentafel oder die Cranach-Bilder, das weiß ich nicht.
Schossig: Was Sie getan haben, hätte doch eigentlich jeder Ministerialbeamte in der Landesregierung oder im Kultusministerium auch tun können, oder?
Mertens: Ja, das würde ich schon sagen. Also wenn man um solche Größenordnungen handelt, dann muss man natürlich sehr gründlich vorbereiten und auch entsprechende Zeit sich dafür nehmen. Und das ist vielleicht also eben unterblieben oder nicht für nötig gehalten worden, weil man glaubte, die früheren Äußerungen seien hieb- und stichfest.
Schossig: Würden Sie als Wissenschaftler da irgendwie eine Kritik an der Landesregierung formulieren oder an dem Umgang, wie die mit ihrem Eigentum umgeht oder auch mit dem Geld der Steuerzahler?
Mertens: Na ja, das zu bewerten ist nicht meine Aufgabe als Wissenschaftler, das wäre ja jetzt meine Aufgabe als Bürger. Aber ich würde eben als Wissenschaftler nur sagen, man muss die Hausaufgaben halt gründlich machen. Das ist eine Voraussetzung.
Schossig: So weit der Freiburger Historiker Dieter Mertens über ungeklärte Kultureigentumsverhältnisse im Lande Baden-Württemberg. Auf eine Anfrage von "Kultur heute" hat weder die Staatskanzlei von Günther Oettinger, noch auch der zuständige Finanzminister Gerhard Stratthaus bisher reagiert. Auch eine Presseerklärung zum Thema liegt bisher vor Sendebeginn nicht vor.
Vor der Sendung habe ich mit Dieter Mertens, dem Historiker an der Universität Freiburg gesprochen. Er hat jetzt einen handschriftlichen Brief aus dem Jahre 1930 gefunden, in dem der Markgraf Berthold von Baden versichert, das Großherzoglich-Badische Haus sei bereit, Zitat, "auf das Votivbild von Hans Baldung Grien zugunsten des badischen Staates zu verzichten" - wodurch eigentlich bewiesen ist, dass das Bild bereits im Besitz des Landes ist. Ich habe Dieter Mertens gefragt, wie schwierig es denn war, dieses Dokument zu finden?
Dieter Mertens: Man muss etwas vorher anfangen, nämlich bei den gedruckten Sachen, bei dem gedruckten Gesetzestext von 1930 und bei dem in mehreren Auflagen gedruckt vorliegenden Koelitz, also dem Verzeichnis der Gemäldesammlung der Kunsthalle. Und wenn Sie gucken, was die Markgrafentafel für eine Nummer in dem Koelitz hat - die Nummer 88 (sic!) - und suchen die jetzt in dem Gesetz unter den dort aufgezählten Gemälden, die dem Haus Baden verbleiben, dann finden Sie die Nummer 188 nicht.
Schossig: So war also der Brief des Markgrafen Berthold von Baden aus dem Jahr 1930 an die damalige Landesregierung, den Kultusminister eigentlich das letzte Glied einer noch fehlenden Kette, die Sie darauf brachte, dass hier etwas nicht stimmt.
Mertens: Das etwas nicht stimmt, besagt das Fehlen diese Nummer 188 im Gesetz. Warum das fehlt, das sagen dann die Akten, weil die die ganzen Verhandlungen ja widerspiegeln. Aber gültig ist natürlich das Gesetz.
Schossig: Wie konnte denn Oettinger die so genannte Markgrafentafel des Hans Baldung Grien als unbestrittenes Eigentum des Hauses Baden dann bezeichnen? Auf welche Dokumente konnte er sich dafür stützen?
Mertens: Ich kenne nicht alle Gutachten, die da entstanden sind, und insofern weiß ich nicht, was jetzt nun Herrn Oettinger vorgelegt worden ist, was die Referenten also kannten oder die Ministerien. Aber da wird wahrscheinlich eben also das drin gestanden haben. Eine mögliche Fehlerquelle ist eben dieser Koelitz, dieses Verzeichnis, wenn man nicht bedenkt, dass die Auflage, die man vor sich hat, alt ist. Also ich habe eine Auflage von 1915, das ist die siebente Auflage, da hat die Nummer 88 (sic!) ein Sternchen. Und das Sternchen soll heißen, es ist Besitz des Hauses. Aber dieses Sternchen gilt natürlich nicht mehr ab 1930, weil das Gesetz da verabschiedet worden ist.
Schossig: Erst neulich wollte die Oettinger-Regierung ja schon wertvolle Handschriften der Landesbibliothek in Karlsruhe verkaufen, was einen internationalen Proteststurm ausgelöst hat. Wir haben darüber berichtet. Nun also dieser Fall Hans Baldung Grien. Weiß denn, so fragt man sich bei der Landesregierung, eigentlich die Linke nicht, was die Rechte tut?
Mertens: Wahrscheinlich hat man sich zu sehr auf Gutachten, die wiederum nicht richtig recherchiert haben, verlassen. Ich kann das aber nicht im Einzelnen nachvollziehen, weil ich wie gesagt gar nicht alle Gutachten kenne. Da ist also von früh an gegutachtet worden: ein Parteigutachten der Badener, ein Rechtsanwalt aus Baden-Baden, ein Rechtsanwalt aus Mannheim und so weiter, damit geht das los. Und da geht es nicht immer um die Bilder, sondern um alles Mögliche. Und insofern also ist da eine ganze Latte von Gutachten unterschiedlicher Intention und unterschiedlicher Fokussierung zu Stande gekommen. Und wie jetzt das im Einzelnen entstanden ist, dass diese Behauptung, es sei also unstrittiges Eigentum des Hauses, die Markgrafentafel oder die Cranach-Bilder, das weiß ich nicht.
Schossig: Was Sie getan haben, hätte doch eigentlich jeder Ministerialbeamte in der Landesregierung oder im Kultusministerium auch tun können, oder?
Mertens: Ja, das würde ich schon sagen. Also wenn man um solche Größenordnungen handelt, dann muss man natürlich sehr gründlich vorbereiten und auch entsprechende Zeit sich dafür nehmen. Und das ist vielleicht also eben unterblieben oder nicht für nötig gehalten worden, weil man glaubte, die früheren Äußerungen seien hieb- und stichfest.
Schossig: Würden Sie als Wissenschaftler da irgendwie eine Kritik an der Landesregierung formulieren oder an dem Umgang, wie die mit ihrem Eigentum umgeht oder auch mit dem Geld der Steuerzahler?
Mertens: Na ja, das zu bewerten ist nicht meine Aufgabe als Wissenschaftler, das wäre ja jetzt meine Aufgabe als Bürger. Aber ich würde eben als Wissenschaftler nur sagen, man muss die Hausaufgaben halt gründlich machen. Das ist eine Voraussetzung.
Schossig: So weit der Freiburger Historiker Dieter Mertens über ungeklärte Kultureigentumsverhältnisse im Lande Baden-Württemberg. Auf eine Anfrage von "Kultur heute" hat weder die Staatskanzlei von Günther Oettinger, noch auch der zuständige Finanzminister Gerhard Stratthaus bisher reagiert. Auch eine Presseerklärung zum Thema liegt bisher vor Sendebeginn nicht vor.