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Obst- und Gemüseerzeuger vom Balkan drängen auf den europäischen Markt

Eine Mischung aus Paprika, Mais und Erbsen ist unter dem Namen Balkan-Gemüse auf dem Markt, doch Landwirte etwa aus Kroatien und Serbien haben wesentlich mehr Sorten von Obst und Gemüse im Programm. Nach einer von Kriegen und politischen Unruhen geprägten Zeit versuchen Erzeuger aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens sowie aus Bulgarien, Albanien und Rumänien, jetzt wieder stärker auf dem Markt der Europäischen Union Fuß zu fassen. Länder, die nicht oder noch nicht zur EU gehören, haben dabei allerdings mit einer Reihe von Nachteilen zu kämpfen.

Von Thomas Wagner |
    Istvan Regoeczi hat den Balkan entdeckt - genauer gesagt. Das, was darauf wächst. Der gebürtige Ungar steht an der Spitze eines deutschen Exportunternehmens. Seit Jahren führt er Agrarprodukte aus Ländern wie Mazedonien, Bulgarien, Albanien, Serbien und Rumänien nach Deutschland ein:

    Die Hauptprodukte aus der Region sind - da wir in Serbien sind, fang ich mit Serbien an - Himbeeren, Brombeeren, Sauerkirschen, aus anderen Ländern wie zum Beispiel Mazedonien und Albanien sind natürlich Paprika ein wichtiges Produkt. Bulgarien kommt noch mit einigen weiteren Produkten wie Tomaten oder Pflaumenhälften oder Aprikosen dazu.

    Dabei profitiert Istvan Regoeczi nicht nur davon, dass diese Produkte auf dem Balkan erheblich preisgünstiger als anderswo zu haben sind. Ausschlaggebend ist für ihn...

    ...nicht nur der Preis. Es sind einige Produkte, die in Deutschland überhaupt nicht produziert werden. Der Geschmack, die klimatischen und geographischen Gegebenheiten, die Tradition, die in diesen Ländern vorhanden ist, macht die Möglichkeiten für diesen Import. Der Preis spielt auch eine Rolle, aber nicht nur.

    Das Problem allerdings ist: Westeuropäische Importeure tun sich schwer, genügend Hersteller in Südosteuropa zu finden, die Tomaten, Paprika und Beeren in den gewünschten Mengen und der gewünschten Qualität liefern. Zwar sind die Zollschranken für Gemüse- und Obsteinfuhren aus Südosteuropa in die Europäische Union weitgehend gefallen. Doch das bedeutet noch keineswegs "Freie Fahrt" für Gemüse und Obst vom Balkan Richtung Westeuropa. Aleksandar Karev, Agrarexperte aus Mazedonien, berät im Auftrag der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit Obst- und Gemüseproduzenten vor Ort:

    Die größte Hürde besteht darin, die strengen Qualitätsstandards der Europischen Union zu erfüllen. Die gelten natürlich auch für die Produkte vom Balkan. Ein Beispiel sind die Hygienenormen. Wir versuchen, den Erzeugern vor Ort diese Normen nahezubringen und sie darauf zu schulen, wie man sie einhält. Einige von ihnen erfüllen die Standards, aber die meisten eben noch nicht.

    Und für die Produkte dieser Hersteller bleiben die Türen zur EU erst einmal zu; da können die Preise noch so günstig sein:

    Einige Betriebe denken sogar, dass sich das Qualitätsproblem von selbst erledigen wird, wenn ihre Länder erst einmal der Europäischen Union beigetreten sind und es überhaupt keine Zollschranken mehr gibt. Aber wir haben hier Erfahrungsberichte aus Slowenien, Ungarn und Polen gehört. Und die sagen alle dasselbe aus: Wenn die Erzeuger die Standards nicht einhalten, denn bekommen sie eine Menge Probleme.

    Da hilft nur eines: Intensive Schulung, Weitergabe von Informationen über moderne Anbau- und Verarbeitungsmethoden. Das ist aber gerade in südosteuropäischen Ländern nicht einfach, weiß Aleksandar Karev:

    Sie können mir glauben, es ist nicht gerade einfach, mit den Bauern und Firmen in solchen Ländern zusammenzuarbeiten. Die denken eben, so wie sie ihre Arbeit in der Vergangenheit gemacht haben, so können sie das auch in Zukunft tun.

    Das hängt mit der Struktur der Landwirtschaft in vielen südosteuropäischen Ländern zusammen, die die Entstehung großer Betriebe mit professionellem Management nach dem Umbruch vor 15 Jahren zunächst verhindert haben. Gero Winkler arbeitet als Agrarberater in Serbien:

    Also der Hauptgrund ist sicherlich, dass bei der Privatisierung eine Zersplitterung der landwirtschaftlichen Flächen erfolgt ist und die kleinen Anbauflächen eine schnellere Mechanisierung einfach nicht erlauben. Und es ergeben sich dabei auch Probleme bei der Akkumulation des erforderlichen Kapitals, um Investitionen zu tätigen und die Dinge weiter zu entwickeln.

    Daneben liegt auch im Marketing der Produkte einiges im Argen. Osteuropäische Agrarproduzenten tun sich bei der Gründung gemeinsamer Vermarktungsorganisationen, beispielsweise auf genossenschaftlicher Ebene, besonders schwer...

    ...weil die halt die vergangenen Zeiten noch kennen und hinter jedem Zusammenschluss irgendwelche Hintergründe vermuten und sich deswegen nicht so leicht tun damit.

    Hintergründe, die mit der kommunistischen Vergangenheit solcher Länder zu tun haben, wo die privaten Landwirte einst zu so genannten Produktionsgenossenschaften zwangsweise zusammengeschlossen wurden. Erst ganz allmählich, so war auf dem Kongress in Serbien zu erfahren, lernen vor allem die jüngeren Erzeuger, dass moderne Genossenschaften damit nichts zu tun haben. Und so kommt es auf dem Balkan immer häufiger zur Gründung gemeinsamer Absatzorganisationen.