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Obstbauberatung in Rumänien

Die Erfahrungen, die ich mit der Marktgemeinschaft Bodenseeobst gemacht habe, kann man hier sehr genau anwenden. Sie passen haargenau in dieses Umfeld.

Von Thomas Wagner |
    17 Jahre lang kümmerte sich Fritz Heinrich darum, dass Äpfel und andere Früchte aus dem Bodenseeraum binnen kürzester Zeit in Supermärkten in ganz Europa landeten - und das zu annehmbaren Preisen. Die Marktgemeinschaft Bodensee, an deren Spitze er stand, ist eine gemeinsame Vermarktungsorganisation zahlreicher Obstbauern im Bodenseeraum. Ein einzelner Obstbauer hätte kaum eine Chance, seine Früchte effektiv zu vermarkten.

    Das Bodensee-Modell soll nun als Vorbild dienen für den Obstbau in Rumänien. Fritz Heinrich zog deswegen von Friedrichshafen nach Bukarest um, im Auftrag der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit.. Sein erster Job: Der Aufbau moderner Vermarktungs- und Betriebsstrukturen. Das ist allerdings ziemlich schwierig. Denn die Privatisierung der rumänischen Landwirtschaft, die Rückgabe der vor über 50 Jahren enteigneten Flächen, erfolgt in kleinsten Parzellen bis maximal acht Hektar.

    Die große Mehrheit der Bauern haben nach der Privatisierung sehr kleine Flächen. Die sind übrigens kleiner, als sie es vor dem Zweiten Weltkrieg waren, weil nun auch Erben inzwischen sind. Die ehemaligen Eigentümer - das ist nicht mehr nur einer, sondern immer mehrere. Das sind also Selbstversorger, die auf einem Niveau produzieren wie in einem Entwicklungsland. Damit kann man keine konkurrenzfähige Vermarktung aufbauen.

    Erst in jüngster Zeit sind Investoren aus dem In- und Ausland auf die Idee gekommen, zahlreiche dieser kleinen Parzellen aufzukaufen und zu größeren Einheiten zusammenzufügen. Außerdem entstehen derzeit durch die Privatisierung der einstigen rumänischen Staatsfarmen große, zusammenhängende Anbauflächen. Mit denen, findet Fritz Heinrich, lässt sich etwas anfangen.

    Das heißt: Im Obstbereich gibt es eine ganze Reihe von Betrieben mit 15 bis sogar 1000 Hektar. Die größte Masse dieser Betriebe, wenn man überhaupt von Masse sprechen kann - so viele sind es ja noch nicht -, hat vielleicht eine Durchschnittsgröße von 70 bis 100 Hektar. Und die sind im Grundsatz in Zukunft konkurrenzfähig.

    Doch wie können die Produkte europaweit vermarktet werden ? Von Tag zu Tag stellt sich diese Frage drängender. Denn nach dem derzeitigen "Fahrplan" soll Rumänien bereits in vier Jahren der Europäischen Union beitreten. Eigentlich wäre der Zusammenschluss der Betriebe zu Erzeugergenossenschaften notwendig. Doch das stößt in Rumänien auf große Widerstände.

    Ich denke, dass ein ganz wesentlicher Grund die negative Erfahrung ist, die die Leute über 50 Jahre glaub’ ich gemacht haben mit dem alten kommunistischen System. Das Wort 'Kooperative’ oder 'Genossenschaft’ ist derart negativ besetzt, dass erst einmal die Klappe 'runtergeht. Man muss langsam überzeugen, dass diese Art der Organisationen nach westlichem Muster etwas ganz anderes sind als die zwangsweise aufgebauten Organisationen in der kommunistischen Zeit.

    Dies zu erklären, fordert Fritz Heinrich eine Engelsgeduld ab. Doch die Erzeugungsarbeit, das ist sich der ehemalige Obstbauexperte vom Bodensee sicher, wird in Rumänien - buchstäblich - reiche Früchte tragen. Denn die klimatischen Bedingungen für den Obstanbau sind denen am Bodensee mindestens gleichwertig.

    Der Kern des Obstanbaus liegt in Bistrita, das heißt nördlich des Karpatengrütels, in einer Höhe von etwa 400 Metern,, ähnlich wie am Bodensee. Das Klima ist auch vergleichbar. Es ist kontinentaler, das heißt: Im Winter kälter, im Sommer wärmern. Niederschlag ähnlich wie bei uns - also man kann Obstbau oder Apfelanbau ohne Bewässerung betreiben, wenn man es nicht super-intensiv macht.

    Probleme bereitet Fritz Heinrich die notwendige Einlagerung von Äpfeln. In Deutschland wurden dazu Lager mit kontrollierter Atmosphäre gebaut. Daran fehlt es in Rumänien - mit verheerenden Folgen für den Markt:

    Was man am Markt findet ist, dass die Leute, weil sie keine Lagermöglichkeiten haben, gezwungen sind, nach der Ernte alles zu verkaufen und der Preis im Herbst zusammenbricht.. Und zwei Monate nach der Ernte ist der Markt bereits von Importen beherrscht, die aus dem Westen kommen, wo es bereits genug CA-Läger schon gibt.

    Solche CA-Läger können sich die rumänischen Obstbauern wiederum nur im Zusammenschluss leisten - Zusammenhänge, die Fritz Heinrich immer und immer wieder erklären muss. Schließlich fehlt es auch an effizienten Einkaufsorganisationen für den Großhandel.

    Problem dabei ist, dass es noch keinen entwickelten Aufkaufhandel oder Großhandel gibt. Auch im Handel sind die Strukturen von versteckter Arbeitslosigkeit dominiert. Das heißt: Es gibt eben viele sehr, sehr kleine.

    Um all diese Probleme zu lösen, wird Fritz Heinrich nach eigener Einschätzung Jahre brauchen. Dann allerdings, ist er sich sicher, wird der Obstbau ein Aushängeschild der rumänischen Landwirtschaft sein. Denn noch sind Boden und Arbeitskräfte in Rumänien ungleich billiger als in Westeuropa, was dem rumänischen Obstbau einen großen Konkurrenzvorteil beschert.

    Was fehlt, ist die richtige Organisation. Und was fehlt, ist das Kapital. Wenn man das einigermaßen in den Griff bekommt, und da versuchen wir zu helfen, müsste die Produktion kostengünstiger sein als im Westen und auf die Dauer konkurrenzfähig. Aber ich möchte auch nicht, dass die deutschen Obstbauern da Angst bekommen: Es wird noch eine ganze Reihe von Jahren dauern, bis das zu spüren sein wird. Aber es wird kommen.