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Öko-Tourismus rettet Regenwald

Weite Reisen mit dem Flugzeug belasten die Umwelt. Im Gegenzug wird die Umwelt am Zielort dafür manchmal mit Hilfe der Tourismus-Einnahmen geschützt. So auch auf Samoa im pazifischen Ozean: Dort würde ein Urwald ohne die Urlauber längst nicht mehr stehen.

Von Andreas Stummer | 06.03.2013
    Über den Dächern von Falealupo an der Nordspitze Samoas. Der Weg, hinauf zu den Baumkronen des Regenwalds, hinter dem Dorf führt über die steilen Aluminiumstufen eines zehn Meter hohen Beobachtungsstands. Dann geht es auf einem schmalen Holzpfad noch weiter nach oben: Über wackelige Leitern, Sprossen und schwankende Hängebrücken.

    Ziel der Kletterpartie ist die nach oben offene, umlaufende Freiluft-Plattform im Wipfel einer 230 Jahre alten, gewaltigen Banyan-Feige. Mit fast 35 Metern der höchste Baum inmitten eines 120 Quadratkilometer großen Urwaldgebietes.

    "Nicht nur der Aufstieg, auch die Aussicht ist atemberaubend. Grün, soweit das Auge reicht. Bis zum Horizont liegt einem der tropische Regenwald, buchstäblich, zu Füßen."

    Gewaltige Baumkronen wie riesige Brokkoli-Sprossen, dicht an dicht, ein natürliches Blätterdach. Kein Straßenlärm, keine Menschenmengen – nur die Geräusche des Urwalds. Geräusche, die beinahe für immer verstummt wären.

    Das Jahr 1990: Ein japanischer Holzkonzern rückt mit Bulldozern und Kettensägen in Falealupo an. Ihr Auftrag: Kahlschlag des Regenwaldes. Um eine Schule bauen zu können brauchte das Dorf dringend Geld. So viel Geld, dass der damalige Dorfälteste mit schwerem Herzen das einzig Wertvolle verkaufte, das Falealupo hatte: Den Regenwald. Zu einem Spottpreis.

    "Das ganze Dorf weinte um die Pflanzen- und Tierwelt unseres Regenwaldes", "

    erinnert sich Mofo Uafe, heute Falealupos Dorf-Häuptling,

    ""Die Natur ist unser Freund, der Wald unser Arzneischrank. Unsere Heiler machen aus der Rinde und den Blättern bestimmter Bäume Medizin. Ohne den Wald sind wir nichts."

    Durch Zufall war ein amerikanischer Ethno-Botaniker zu Gast in Falealupo, um die natürlichen Arzneien der Dorfheiler zu studieren. Er war so empört, dass er versprach persönlich das Geld für die Schule zu beschaffen. Er hielt Wort. Die Holzfäller rückten ab, der Regenwald war gerettet – und wurde für immer unter Schutz gestellt.

    "Wir wollten die einmalige Schönheit unseres Regenwaldes mit anderen teilen und gleichzeitig sicherstellen, dass unser Dorf nie wieder gezwungen ist auch nur einen der Bäume fällen zu müssen. Deshalb haben wir 1997 den Baumwipfelpfad auf die alte Feige gebaut."

    Die Auflagen für den Schutz des Regenwaldreservats sind streng. Nur abgestorbene oder umgestürzte Bäume dürfen für Medizin, Kanus oder als Brennholz verwendet werden. Der Urwald ist den Eingeboren heilig, das Fällen eines gesunden Baums ein Sakrileg. Unzählige exotische Vögel, Fledermäuse und Schmetterlinge inmitten unverfälschten Grüns. Touristen aus aller Welt kommen von weit her, um Falealupos Regenwald auf’s Blätterdach zu steigen.

    "Der Baum, den man hinaufklettert, ist faszinierend. Diese gewaltige Banyan-Feige hat Äste, die mehrere Meter dick sind". – "Die Kletterpartie ist ein echtes Naturerlebnis. Dort oben ist es völlig still und der Blick ist großartig. Es lohnt sich – jeder sollte hier hochkommen."

    Falealupos Baumwipfel Pfad ist heute eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Samoa, der Regenwald, der von ganz oben zu sehen ist, war das erste Gebiet, das die Regierung Samoas dem Schutz einer Dorfgemeinschaft anvertraute. Von Öko-Tourismus hatte Mofo Uafe noch nie gehört. Seit aber die Eintrittsgelder den Unterhalt der Schule, der Straßen und einen Rentenfonds für die Dorfältesten finanzieren, weiß Falealupos Dorf-Häuptling, dass ein gesunder Wald mehr wert ist als ein abgeholzter.

    "Wir sind sehr stolz darauf, dass wir heute als Musterbeispiel für den Schutz und den Erhalt von Regenwäldern gelten. Es gibt viele Eingeborenendörfer, überall auf der Welt, die hilflos mit ansehen müssen wie ihre Wälder verschwinden. Unser Baumwipfel Pfad aber hat nicht nur den Wald, sondern auch unseren Ort gerettet. Wir hoffen, dass uns das Völker in anderen Ländern nachmachen werden."