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Ölmulti will Erdgasquellen in NRW anzapfen

Der US-Ölmulti Exxon Mobil will im Münsterland nach Erdgas bohren. Die Vorkommen sollen überraschend groß sein. Die Nachricht weckt Hoffnungen auf größere Unabhängigkeit der Energieversorgung. Doch viele Menschen vor Ort sind besorgt.

Von Markus Holtrichter | 05.11.2010
    Unter den münsterländischen Äckern schlummert eine hier bislang nicht erschlossene Energiequelle: Methangas - gebunden an kohlehaltiges Gestein. Die insgesamt unter Nordrhein-Westfalen vermuteten Vorräte sollen so groß sein, dass man die gesamte Bundesrepublik zehn Jahre lang damit versorgen könnte. Doch um das Erdgas hier zu fördern, genügt es nicht ein tiefes Loch in den Boden zu bohren und eine Gasblase anzuzapfen, der fossile Brennstoff muss aus den massiven Gesteinsschichten regelrecht gepresst und heraus gespült werden. In Nordwalde im Kreis Steinfurt könnte eine der ersten Förderanlagen entstehen. Hier sorgen sich die Menschen nun, dass bei der Erdgasgewinnung das Trinkwasser verseucht werden könnte. Sprecher einer Bürgerinitiative ist Mathias Elshoff:
    "Bei dem späteren Frack, so heißt es ja, wenn das Gestein aufgebrochen wird, mit einem massiven Wasserdruck, werden zusätzlich zu dem Wasser - das sind auch bis zu zehn Millionen Liter Wasser, die hier eingesetzt werden - wird eine einprozentige Chemielösung beigesetzt. Die Chemikalien bestehen aus Bioziden und teils wassergefährdenden Stoffen. Genau bekannt, sind die nicht, lediglich die Genehmigungsbehörden bekommen Daten, welche Stoffe hier zugesetzt werden."

    Die bei der unkonventionellen Erdgasförderung eingesetzten Chemikalien sollen dafür sorgen, dass Gas und Wasser ungehindert fließen und damit gefördert werden können. Es muss vor allem verhindert werden, dass sich aufgesprengte Öffnungen im Gestein gleich wieder verschließen. Im Idealfall werden auch die chemischen Stoffe wieder mit an die Oberfläche gefördert oder aber bleiben in tiefen Gesteinsschichten, fernab des Grundwassers. Umweltschützer zweifeln jedoch daran und fürchten, dass das belastete Bohrwasser sich neue Wege sucht, in höher gelegene Bodenschichten aufzusteigen. Auch Mathias Elshoff sorgt sich um die Trinkwasser-Quellen in seiner Nachbarschaft und zwar nicht ausschließlich wegen der Chemikalien. Denn in 2.000 Metern Tiefe warten noch andere Gefahren. Mathias Elshoff:

    "Dort können natürliche, radioaktive Stoffe sein, die auch wasserlöslich sind und wenn man da mit einer großen Menge an Wasser ausspült, ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Wasser an die Oberfläche kommt. Eine weitere Gefahr dieses Wassers, weil unten der Boden salzhaltig ist, wird es auch sehr salzhaltig sein. Kläranlagen können das nicht alles auffangen. Da muss auch vorher drüber geredet werden, bevor es beschlossen wird."

    Die Probebohrung im Kreis Steinfurt hat Exxon Mobil beantragt. Der amerikanische Konzern kann die Sorge um das Grundwasser nicht nachvollziehen. Die Förderstränge würden mit absolut dichten Stahlbetonröhren abgesichert, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Ohnehin arbeite man in einer großen Tiefe, wo das massive Deck-Gebirge einen natürlichen Schutzwall zum viel höher gelegenen Grundwasser biete. Unglücke, wie sie sich in den USA ereignet haben, könnten wegen der großen Sicherheitsvorkehrungen hier nicht passieren. In den USA hatten sich Chemikalien und Gas bis in Trinkwasserbrunnen ausgebreitet. Auch deswegen ist Mathias Elshoff von der Nordwalder Bürgerinitiative beunruhigt:

    "Wir fühlen uns so ein bisschen als Versuchskaninchen. Bislang ist nach Kohleflöz-Gasen noch nicht gesucht worden. Wenn man jetzt sofort sagt, es sei alle sicher - woher wollen die das wissen? Es kann ja auch sein, dass die etwas noch gar nicht bedacht haben."

    Zunächst einmal sind aber nur Probebohrungen beantragt. Rein mechanisch werden Bohrkerne zu Tage gefördert und auf ihren Gehalt untersucht. Kommt dann beispielsweise Exxon Mobil zu der Erkenntnis, dass sich eine wirtschaftliche Gas-Förderung in Nordrhein-Westfalen lohnt, sind noch umfangreiche Genehmigungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen nötig. Experten gehen davon aus, dass es noch mindestens fünf bis zehn Jahre dauern wird, bevor die ersten Anlagen in Betrieb gehen können.