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Österreich
Ausharren im Erstaufnahmelager Nickelsdorf

Flüchtlingsmassen, Helfer und Menschen, die ihren Profit mit den Flüchtlingen wittern. Dieses Bild macht sich im Erstaufnahmelager Nickelsdorf breit. Viele Flüchtlinge campieren im Freien und wissen nicht, wie es weitergehen soll.

Von Stephan Ozsváth | 15.09.2015
    Flüchtlinge im Erstaufnahmelager Nickelsdorf in Österreich am Grenzübergang zu Ungarn.
    Flüchtlinge im Erstaufnahmelager Nickelsdorf in Österreich am Grenzübergang zu Ungarn. (imago stock&people)
    Es ist eines von drei Erstaufnahme-Lagern direkt an der ungarischen Grenze. Die weißen Zelte stehen auf dem Feld in Österreich. Draußen stehen Mobiltoiletten. Einige der Flüchtlinge helfen. Auch Ali aus dem Irak hat sich blaue Plastikhandschuhe angezogen – zusammen mit anderen Flüchtlingen räumt er Müll in große Müllsäcke. Er ist am Morgen aus Ungarn gekommen. Ein Schlepper hat ihn und einige andere von der serbisch-ungarischen Grenze bis nach Österreich gebracht.
    "Wir haben einen kleinen Van gefunden. Und der hat uns bis zur Grenze gebracht. Der Typ hat für 1500 Euro verlangt – von jedem."
    Ali hat im Irak für die Amerikaner übersetzt – deswegen galt er als Spion, hat keinen Job mehr bekommen, erzählt der 27-Jährige. Über die Westbalkan-Route ist er bis an den Zaun an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn gekommen. Schmiergeld hat im Wortsinne Türen geöffnet, sagt er.
    "An der Grenze haben die ungarischen Grenzer gesagt: Wenn Ihr uns Geld gebt, 300 Euro pro Person, lassen wir Euch durch. Das war am Zaun, da war eine kleine Tür. 300 Euro und ihr könnt durch. Wenn nicht, nehmen wir Euch fest, nehmen Eure Fingerabdrücke – und dann wird Euch niemand mehr in irgendeinem Land Europas akzeptieren. "
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    Vor dem Erstaufnahmezentrum in Nickelsdorf wittern auch Taxi-Fahrer ein Geschäft. An der Straße sprechen sie Flüchtlinge an, vor dem Erstaufnahmezentrum herrscht zwischenzeitlich Betrieb wie an einem Taxistand. Anton Buric ist freiwilliger Helfer des Roten Kreuzes, er hat von den Tarifen gehört:
    Im größten Zelt: Klappliegen, es riecht sauer nach Schweiß und Nicht-Waschen. Nur noch wenige Flüchtlinge sind hier, ruhen sich aus, laden ihre Handys auf. Die Helfer schmieren Brötchen, verteilen Kleidung an die erschöpften Flüchtlinge. Im Vergleich zu den vergangenen beiden Tagen ist es ruhig, da kamen 15.000 Flüchtlinge täglich.
    Ungarn hatte Tausende Flüchtlinge mit Sonderzügen an die Grenze befördert. Wie viele noch kommen? Keiner weiß es. Der Kommunikationsfaden zwischen Ungarn und Österreich ist abgerissen, beklagt auch Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes, der zur Stippvisite gekommen ist.
    Ali aus dem Irak will noch wissen, ob die Züge aus Wien wieder in Richtung Deutschland fahren. Der Diabetiker will nach Holland sagt er, weil er dort Freunde hat.