Donnerstag, 18. April 2024

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Österreichischer Skiort Ischgl
Kritik am Tiroler Krisenmanagement

Seit dem Wochenende stehen die österreichischen Ski-Regionen Paznauntal und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne. Viele skandinavische Länder hatten vor Reisen in diese Region schon früher gewarnt, besonders nach Ischgl. Dort hat ein am Coronavirus erkrankter Barkeeper vermutlich mehrere Menschen infiziert.

Von Andrea Beer | 17.03.2020
Mehrere PolizeibeamtInnen kontrollieren am Ausgang des Paznauntals Menschen, die aus den Skiorten kommen oder hinein wollen.
Polizeikontrolle am Ausgang des Paznauntals, in dem auch der Skiort Ischgl liegt (picture alliance/APA/picturedesk.com/Jakob Gruber)
Radio-Ansage: In den Labors des Uniklinikums Salzburg häufen sich die Coronatest…"
Das neuartige Coronavirus steht auch in den Schlagzeilen des ORF Salzburg an erster Stelle. Besonders gespannt werden Testergebnisse von Menschen aus dem Medizinbereich erwartet, die mit einem Anästhesisten der Uniklinik Salzburg in Kontakt waren, denn dieser wurde positiv auf Corona getestet und hatte mit vielen im Krankenhaus zu tun.
Radio-Ansage: "Etwa einhundert Menschen befinden sich in Quarantäne…"

Zuvor hatte der Narkosearzt Skiurlaub in Ischgl in Tirol gemacht. Der Name steht bei österreichischen und ausländischen Touristen zurzeit nicht für Skivergnügen sondern für mögliche Ansteckungen mit dem Coronavirus. Dänemark, Schweden, Norwegen oder auch Island sind wütend und besorgt. Denn die Menschen aus diesen Ländern, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, könnten sich im Skiurlaub in Österreich angesteckt haben.
Coronavirus
Coronavirus (imago / Science Photo Library)
In Ischgl gilt die geschlossene Bar Kitzloch als regelrechte Virenschleuder. Denn auch nachdem ein Barmitarbeiter positiv getestet wurde, blieb diese zunächst offen. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter betonte mehrfach, in Ischgl und ganz Tirol seien alle Maßnahmen gegen den Coronavirus rechtzeitig getroffen worden.
"Wir waren in Tirol die ersten die schon Hotels geschlossen haben. Wir waren die ersten, die Bars geschlossen haben. Wir waren die ersten, die Maßnahmen unternommen haben, dass Sankt Anton am Arlberg und Paznaun gesperrt wurde. Wir waren die ersten, die die Wintersaison beendet haben und jetzt wieder die Ersten, die diese Verordnungen verfasst haben, wo diese einschränkenden Maßnahmen für die Tirolerinnen und Tiroler gegeben sind. Und ich bin der Meinung, dass wir immer einen Schritt weiter waren."
Islandische Polizei: Haben auch acht Fälle aus Ischgl
So der Tiroler ÖVP Landeschef im ORF. Doch Island betrachtete Ischgl in Tirol schon seit dem fünften März als Corona-Krisengebiet und hielt damit nicht hinterm Berg. Vidir Renyisson ist Offizier bei der isländischen Polizei. Er sagte dem ORF:
"Wir haben auch acht Fälle aus Ischgl in Österreich. Wir sind besorgt, weil sich diese Gruppe am selben Ort infiziert hat."
Die Tiroler Landessanitätsdirektion stufte Ischgl trotz Kritik aus Island noch am achten März anders ein.
Zitat: Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich.
Einen Tag später revidierten die Tiroler Gesundheitsbehörden dann ihr Urteil in einer Presseerklärung so:
Zitat: In diesem Zusammenhang kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass es eine Verbindung zu einem Teil der in Island positiv getesteten Personen gibt, die sich nach jüngsten Erhebungen kürzlich ebenso in Ischgl in besagter Bar aufgehalten haben.
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Zweifel am Handeln der Behörden
Tags darauf schlossen die Behörden dann die Kitzloch Bar. Haben die Behörden in Tirol also alles richtig gemacht? Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz reagierte darauf so:
"Man kann immer alles im Detail natürlich hinterfragen. Aber aus meiner Sicht geben wirklich alle die hier arbeiten ihr Bestes."
Die türkis-grüne Bundesregierung hat St. Anton am Arlberg und das Paznauntal und damit auch die Gemeinde Ischgl bekanntlich inzwischen unter Quarantäne gestellt. Ausländische Touristen sollten danach abreisen, doch wie das vor sich ging sorgte ebenfalls für Unmut. Es gab stundenlange Staus und manche waren sogar zu Fuß unterwegs. Medien in Österreich und Deutschland schreiben, dass hunderte aus dem Corona-Krisengebiet noch in Innsbruck übernachtet hätten. Dieser Österreicher findet trotzdem, man solle nun nach vorne schauen.
"Es bringt jetzt gar nichts mit dem Finger auf andere zeigen, wir sollten jetzt einfach zusammenhalten."
In Österreich sind inzwischen drei Menschen an der Coronavirus-Erkrankung gestorben und es gibt mehr als 1000 bestätigte Fälle.