Archiv


Östrogenbehandlung ohne Nebenwirkung

Endokrinologie. - Östrogene waren lange Zeit das Mittel der Wahl gegen Knochenabbau nach der Menopause. Die Hormonersatztherapie mit Östrogenen ist jedoch in Verruf geraten, weil sie Nebenwirkungen hervorrufen kann. Nun berichten schwedische Forscher im Fachmagazin PNAS über eine Möglichkeit, Östrogene wesentlich gezielter einzusetzen.

Von Christine Westerhaus |
    Östrogene gelten in erster Linie als weibliche Geschlechtshormone. Sie werden in den Eierstöcken gebildet und sorgen dafür, dass Eizellen heranreifen und befruchtet werden können. Östrogene haben aber noch viele andere Aufgaben im Körper. Sie wirken auf das Immunsystem, auf die Haut und – vor allem – auf die Knochen. Nimmt die Östrogenkonzentration im Körper nach den Wechseljahren ab, entwickelt sich bei vielen Frauen eine Osteoporose, auch Knochenschwund genannt.

    "Das einfachste wäre, Frauen nach der Menopause mit Östrogenen zu behandeln. Dann stabilisiert sich zwar die Knochensubstanz, doch gleichzeitig erhöht sich das Risiko für Brustkrebs und Thrombosen und das will man natürlich in jedem Fall vermeiden. Es ist sehr schwierig, hier eine Balance zu finden. Wir versuchen daher, Östrogene gezielter einzusetzen um nur die positiven Effekte auf das Skelett zu haben."

    Anna Börjesson ist Doktorandin am Zentrum für Knochen und Arthritisforschung der Universität Göteborg. In ihren Versuchen setzt sie weibliche Mäuse ein, denen sie die Eierstöcke entfernt hat. So simulieren Forscher bei den Tieren die Wechseljahre einer Frau. Denn ohne Eierstöcke sind auch Mäuse nicht in der Lage, Östrogene selbst zu produzieren. Damit diese Hormone wirken können, müssen sie über einen Rezeptor in die Zelle aufgenommen werden. In den Knochenzellen ist dafür vor allem der so genannte Östrogenrezeptor alpha verantwortlich. Er sorgt dafür, dass Östrogene ins Zellinnere gelangen. Dieser Östrogenrezeptor kommt jedoch nicht nur in den Knochenzellen sondern auch in anderen Geweben des Körpers vor.

    "Dieser Östrogenrezeptor Alpha hat zwei unterschiedliche Aktivierungsfunktionen. Das heißt, er kann auf zwei Wegen durch Östrogene aktiviert werden. Wir haben bei den Mäusen jeweils eine dieser Aktivierungsfunktionen ausgeschaltet. Dabei haben wir beobachtet, dass eine dieser Aktivierungsfunktionen spezifisch ist für Knochengewebe. Das bedeutet, dass sie nur in den Knochen durch Östrogene aktiviert wird, nicht aber in anderen Geweben, wie zum Beispiel in der Gebärmutter."

    Diese Beobachtung könnte den Forschern dabei helfen, maßgeschneiderte Östrogenmoleküle zu entwickeln, die nur auf die Knochenzellen wirken. Wenn diese Hormone nur an die Aktivierungsfunktion des Östrogenrezeptors in den Knochenzellen andocken könnten, wären sie in anderen Geweben wirkungslos. So könnten Nebenwirkungen auf andere Organe verhindert werden. Börjesson:

    "Wir hoffen, dass wir Östrogene so verändern können, dass sie zwar ihre Hormonwirkung behalten, aber den Östrogenrezeptor nur im Knochengewebe aktivieren. Bevor man solche Östrogene aber als Medikamente verabreicht, muss man natürlich genau untersuchen, ob sie nicht noch andere Nebenwirkungen im Körper haben."

    Bisher wissen Anna Börjesson und ihre Kollegen jedoch nur, dass der Östrogenrezeptor alpha zwei verschiedene Aktivierungsfunktionen hat und dass eine von ihnen spezifisch für Knochenzellen ist. Wie ein Hormon aussehen muss, damit es nur an eine der beiden Aktivierungsfunktionen andocken kann, ist noch völlig unklar. Auch die Frage, ob der Östrogenrezeptor alpha bei Menschen die gleichen Aktivierungsfunktionen besitzt, wie bei Mäusen, ist noch nicht beantwortet.

    "Wir wissen, dass auch Menschen diesen Östrogenrezeptor alpha besitzen und dass er auch bei uns sehr wichtig für die Knochenbildung ist. Natürlich kann man nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass die Funktion genau die gleiche ist. Aber wenn wir uns die Knochendichte ansehen beobachten wir, dass sie sich bei Mäusen erhöht, wenn wir sie mit Östrogenen behandeln. Beim Menschen ist das genauso."

    Im nächsten Schritt wollen die Göteborger Forscher nun untersuchen, ob es molekulare Unterschiede zwischen den beiden Aktivierungsfunktionen gibt.