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"Offensichtlich haben sie überhaupt niemand anders gefunden"

Hartmut Mehdorn wird neuer BER-Chef, er gilt als Macher. Anton Hofreiter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundestages, hätte eine Person mit diplomatischen Fähigkeiten und Durchsetzungskraft als sinnvoller erachtet. Er hätte sich jemanden gewünscht, der schon vorher erfolgreich Chef eines Flughafens gewesen wäre.

Anton Hofreiter im Gespräch mit Martin Zagatta | 09.03.2013
    Martin Zagatta: Hartmut Mehdorn wurde gestern als neuer Chef des Berlin-Brandenburger Pannenflughafens vorgestellt. Er ist einer der umstrittensten Spitzenmanager in Deutschland. Aber es gibt auch Stimmen, die meinen, dass der fast 71-Jährige jetzt genau der Richtige ist für die immer wieder verschobene Fertigstellung dieses Hauptstadt-Flughafens. Der Grüne-Politiker Anton Hofreiter ist der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestages und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Hofreiter!

    Anton Hofreiter: Guten Morgen!

    Zagatta: Herr Hofreiter, was ist Ihnen denn gestern als Erstes durch den Kopf gegangen, als Sie gehört haben, dass ausgerechnet Mehdorn der neue Flughafenchef jetzt wird?

    Hofreiter: Ich musste insbesondere an die Skandale in der letzten Legislatur denken bei der DB AG, da hatten wir Herr Mehdorn ja öfter im Verkehrsausschuss und er musste dann am Ende zurücktreten, und dann haben wir gedacht, ob man ausgerechnet einen, ja, man muss sagen, skandalbehafteten Manager, der bei einer großen öffentlichen Gesellschaft schon mal gehen musste, dann bei diesem schwierigen Problem hinsetzen muss – ich dachte: Offensichtlich haben sie überhaupt niemand anders gefunden.

    Zagatta: Aber jetzt gilt ja Mehdorn zumindest als Macher. Jemand mit solchen Qualitäten ist doch jetzt auch irgendwo gefragt.

    Hofreiter: Ja, aber ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob dieses Hauptsache ein Macher immer so das Richtige ist, nämlich wenn man sich anschaut, wie Manager agieren, ob Manager erfolgreich oder nicht erfolgreich sind, glaube ich, ist es klüger, einen Manager zu haben, der bestimmte diplomatische Fähigkeiten hat, der natürlich eine hohe Durchsetzungskraft hat, aber der nicht nur Macher um des Macher willens ist, denn es kommt ja nicht darauf an, dass jemand besonders laut ist, dass jemand laut schreien kann, sondern am Ende kommt es darauf an, dass die Projekte erfolgreich sind. Und wenn ich mir anschaue, wie das bei der DB AG gelaufen ist, wenn ich mir anschaue, wie das zum Beispiel bei der S-Bahn Berlin dann gelaufen ist – also erfolgreich schaut anders aus.

    Zagatta: Vielleicht wegen seines Umgangs, da stand er ja besonders in der Kritik. Wollen Sie denn bestreiten, dass Mehdorn jetzt auch für die neue Aufgabe über sehr viel Fachkompetenz verfügt?

    Hofreiter: Nun ja, ich bin mir da ehrlich gesagt nicht zu hundertprozentig sicher, es heißt, er hat Ahnung vom Fluggeschäft und hat schon mal eine Airline geleitet, aber es ist ja ein großer Unterschied, ob man für das Fluggeschäft oder das Fahrgeschäft zuständig ist oder für die Infrastruktur. Und einen Flughafen hat er noch nie geleitet. Er hat auch noch nie eine Flughafen-Großbaustelle zu Ende gebracht. Also ich persönlich habe mir jemanden gewünscht, der vorher schon mal Chef eines Flughafens war und gezeigt hat, dass er erfolgreich einen Flughafen leiten kann, und zwar nicht nur einen Flughafen im Betrieb leiten, sondern auch einen Flughafen, der umgebaut wird.

    Zagatta: Da hat der Chef der Berliner Liberalen, Lindner, gestern aber immerhin Vertrauen zu Mehdorn geäußert. Er sagt, er hofft, dass Mehdorn jetzt Schluss macht mit, Zitat, "mit dem roten Affentheater in Berlin und Brandenburg, und dass er den Schlafmützen Wowereit und Platzeck da den Weg weist". Ist das vielleicht sogar eine Hoffnung, dass man da diesen Aufsichtsrat, den Sie ja auch wohl nicht sonderlich gut finden, dass man den da ein bisschen auf Trab bringt?

    Hofreiter: Es ist sicherlich Hoffnung, dass man da bestimmte Leute auf Trab bringt, aber ich meine, Herr Lindner ist ja als Lautsprecher bekannt, und was Herr Lindner vergisst: Er sitzt in einer Regierungskoalition oder ist Teil einer Regierungsfraktion, die mindestens genauso daran beteiligt ist, nämlich die Bundesregierung, die ja fast ein Drittel Anteil an diesem Flughafen hat. Und wenn er sagt, ja, schlafmützig, dann muss er die Schlafmütze Verkehrsministerium mit einbeziehen, beziehungsweise ein Verkehrsministerium, dem es eigentlich nie um dieses Projekt ging, sondern einen Verkehrsminister, der sich immer überlegt hat, wie er Profit draus schlagen kann und wie er die Schuld Richtung Wowereit und Platzeck schieben kann, obwohl er eigentlich als Fachbehörde, als Fachaufsicht sogar noch über im Grunde mehr Schuld verfügt, weil man nicht vorm Verkehrsministerium sagen muss: Wir müssten eigentlich Bescheid wissen, wie man so ein Problem in den Griff kriegt.

    Zagatta: Sie erleben dieses Gerangel um die vielen Pannen, um die vielen Verschiebungen ja in täglichen Verhandlungen auch immer wieder. Mehdorn ist ja jetzt ernannt. Von was gehen Sie denn künftig aus, wer hat da künftig das Sagen: die Politiker im Aufsichtsrat, der Bundesverkehrsminister, oder ist jetzt Mehdorn in einer unheimlich starken Stellung mit dieser Ernennung?

    Hofreiter: Ich glaube, er ist erst mal in einer unheimlichen starken Stellung, weil ja inzwischen viele überhaupt nicht mehr damit rechnen, dass diese Baustelle überhaupt vernünftig fertig wird. Aber da darf man eins ja nicht vergessen bei dieser Baustelle: Da fehlt zwar vieles, aber im Gegensatz zum Beispiel zu Stuttgart 21, mit dem es oft verglichen wird, ist der Flughafen ja fast fertig gebaut. Da geht es ja darum, eine ganze Reihe von technischen Problemen zu lösen. Und gerade bei der Lösung dieser vielen Probleme geht es darum, dass man diplomatisch klug mit der Genehmigungsbehörde kommuniziert, dass man dafür sagt, dass die ganz unterschiedlichen Interessensgruppen, die es inzwischen auf der Baustelle gibt, dass die wieder ein gemeinsames Ziel haben. Sie dürfen ja eins nicht vergessen, dass im Zustand, wo die Baustelle ist, eine ganze Reihe von Baufirmen haben ja gar nicht mehr das Interesse, dass das schnell fertig gebaut wird, die verdienen ja tendenziell eher mehr Geld, wenn es noch länger dauert, manche Planer verdienen mehr Geld, wenn das Ganze noch länger dauert. Also es wird eine schwierige, zum Teil eine heikle diplomatische Geschichte, erst mal dafür zu sorgen, dass die Beteiligten überhaupt wieder das Interesse haben, dass diese Baustelle schnell fertig wird.

    Zagatta: Jetzt muss sich Hartmut Mehdorn ja erst einmal einarbeiten in dieses neue Themengebiet. Was erwarten Sie denn von ihm? Wie schnell kann er da jetzt was machen und welche Maßnahmen muss er da jetzt als Erstes ergreifen?

    Hofreiter: Ich glaube, die erste Maßnahme, die er ergreifen müsste, wäre, dafür zu sorgen, dass überhaupt wieder ein gemeinsames Interesse auf der Baustelle vorhanden ist, dieses Projekt schnell fertig zu kriegen, und ich glaube, eine weitere Maßnahme, die ganz am Anfang stehen müsste: Er müsste sich mit den alten Planern einigen, dass man deren Fachwissen nutzen kann, denn man darf ja eins nicht vergessen: Der Aufsichtsrat hat ja auch nach der Verschiebung weiter schwere Fehler begangen. Die haben zum Beispiel alle, alle, alle Fachplaner entlassen. Die haben ja nicht nur den alten Technikchef Körtgen, der sicher den einen oder anderen Fehler gemacht hat, entlassen, sondern die haben alle Fachplaner entlassen, runter bis zum kleinsten Fachplaner, und damit das gesamte Wissen, das über die Baustelle vorhanden war, über Nacht vernichtet. Deshalb geht, da auch nichts voran, weil man kann plakativ sagen, die haben aus einer Baustelle mit Terminverzögerung durch die Entlassung aller, aller Verantwortlichen eine Bauruine gemacht, und die neuen Planer, na ja, betreiben da so eine Art Baustellenarchäologie, und versuchen, nach und nach rauszukriegen, wo die Baustelle steht. Es wird angeblich noch bis Sommer diesen Jahres dauern, bis die Leute von Herrn Amann überhaupt wissen, wo die Baustelle steht. Deshalb: Es wäre klug, sich mit zumindest einem Teil der alten Planer zu einigen und zu sagen, Leute, wir haben vielleicht alle gemeinsam irgendwo schwere Fehler gemacht, aber jetzt geht es darum: Wir bündeln das gesamte Wissen, was wir über dieses Projekt haben, und sorgen dann dafür, geben uns gemeinsam einen neuen Zeitplan, und arbeiten dann gemeinsam an diesem Zeitplan.

    Zagatta: Stichwort neuer Zeitplan, Herr Hofreiter: Gehen Sie davon aus oder wagen Sie da überhaupt noch eine Prognose, wann der Flughafen da in Betrieb gehen kann? Wird das noch vor dem 75. Geburtstag von Herrn Mehdorn was? 71 ist er schon, oder fast.

    Hofreiter: Eigentlich darf man nicht vergessen, müsste es relativ schnell gehen können theoretisch, weil, wie gesagt, einige technische Probleme zu lösen sind, aber es gar nicht mal die Welt ist. Aber dann, wenn man sich, wie gesagt, draußen auf der Baustelle noch nicht einmal mehr einig ist, im Grunde dieses Ding schnell fertig zu bauen, ist es vollkommen offen, wann es fertig wird, erst 2014, Frühjahr 2015, Herbst 2016 – also im Moment ist das völlig offen.

    Zagatta: Der Grünen-Politiker und Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestages Anton Hofreiter. Herr Hofreiter, danke für das Gespräch, wir freuen uns, dass es noch zustande gekommen ist. Einen schönen Tag!

    Hofreiter: Ich danke Ihnen, und tut mir leid für den Ärger, den ich verursacht habe.

    Zagatta: Das hat ja doch noch geklappt!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.