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Ohne Kinderarbeit zur letzten Ruhe

Die hiesige Grabsteinsindustrie kämpft gegen Billigimporte, zum Beispiel aus Asien. Die Arbeitsbedingungen sind dort häufig unwürdig, zudem werden oftmals Kinder in den Steinbrüchen eingesetzt. Mittlerweile gibt es aber Zertifikate, die den Käufer über die Produktionsbedingungen informieren.

Von Anke Petermann |
    600 Euro zahlt ein Steinmetz für einen rohen Block aus der Eifel, fürs gleiche Geld kann er einen fertig polierten Grabstein aus Indien importieren, konstatiert Friedel Hütz-Adams, Welthandelsexperte beim Wirtschaftsforschungsinstitut Südwind. Bis zu 70 Prozent der in Deutschland erhältlichen Grabsteine stammen mittlerweile aus Indien und China, viele deutsche Steinmetze sind zu Importeuren geworden.

    Was sie einführen, wird oft unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen hergestellt. Zwar klebt nicht Kinderblut an jedem Grabstein, kommentiert Volker Bajus von "Terre des Hommes" reißerische Berichte. Doch ist Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen trotz gesetzlichen Verbots weit verbreitet. Benjamin Pütter, Kinderarbeitsexperte von "Misereor Deutschland", berichtet von Kindern, die den ganzen Tag lang mit 45 Kilo schweren Presslufthämmern arbeiten - zu mehreren, weil eines allein das Gerät nicht halten kann. Barfuß, ohne Ohren- und Mundschutz stehen sie inmitten der Staubschwaden. Und, so Volker Bajus und Friedel Hütz-Adams:

    "Die Kinder machen zum Beispiel aus den Resten Schotter."

    "Es werden teilweise die Sägeblätter für die Steine mit Petroleum befeuchtet, damit der Staub besser ausgeworfen wird, und dann gibt es Berichte, dass Kinder diese Masse aus Staub und Petroleum in Wasser kneten, das Petroleum abschöpfen und dann das Petroleum verkaufen, die wühlen also mit blanken Händen in dieser Mischung aus Petroleum und Staub rum."

    Den Fokus nur auf Kinderarbeit zu richten, nutzt allerdings wenig, meinen die beiden Experten unisono:

    "Also, auch Erwachsene werden sehr schlecht bezahlt und lassen dann zum Teil die Kinder mitarbeiten. Weit verbreitet sind auch arbeitsunfähige Erwachsene, die mit 35, 40 eine kaputte Lunge haben, aufgrund des Staubs in diesen Steinbrüchen, und wenn dann die Familien irgendwie überleben wollen, arbeiten die Kinder halt mit."

    "Und wir werden den Kindern dann am besten gerecht und werden ihnen helfen, wenn wir das soziale Umfeld nach vorn bringen, wenn wir die Sozialstrukturen stärken, wenn wir überhaupt Schulbesuch ermöglichen."

    Inzwischen gibt es mit "Xertifix" und "Fair Stone" Siegel, die Natursteine bekommen können, wenn sie nachweisbar ohne Kinder- und Sklavenarbeit hergestellt wurden. Deutsche Importeure, die Gebühren für das Fair-Stone-Zertifikat entrichten, so Saskia Stohrer von der Win-Win-Agentur für globale Verantwortung,

    "die kaufen dann eben auch Helme, Schutzmasken, Schuhe und so weiter, was dann eingeführt wird. Die Leute werden sensibilisiert, oft wissen sie gar nicht, dass durch diesen ganzen Quarzstaub eine Staublunge entsteht, und die werden eben aufgeklärt und sensibilisiert."

    Viele deutsche Städte würden gern nur noch zertifizierte Steine auf ihren Friedhöfen zulassen und hatten das auch in ihren Friedhofssatzungen verankert, doch unlängst entschieden Gerichte, dass solche Bestimmungen unwirksam sind - ein Rückschlag für die Lobbyarbeit zugunsten von Kindern in Armut.

    Ausdrücklich bekräftigten die Richter, dass Kommunen weiterhin Form, Farbe und Größe von Grabsteinen reglementieren dürfen, um "die Würde des Ortes zu wahren". Die Möglichkeit, dass Kinder an der Grabsteinproduktion beteiligt waren, scheint die Friedhofswürde nach Ansicht der Justiz nicht zu beeinträchtigen.