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Oper "Masel Tov" in Düsseldorf
Kontaktlose Liebe und kurzweilige Musik

In der Oper „Masel Tov! Wir gratulieren!“ von Mieczysław Weinberg trifft jiddische Klezmer-Musik auf das romantische Kunstlied. Die Inszenierung am Düsseldorfer Opernhaus zeichnet sich vor allem durch das hervorragende Orchester und Ensemble aus, durch Corona-Regeln geht leider auf der Bühne etwas verloren.

Von Torsten Möller |
    In einer Küchenkulisse auf der Bühne tanzt im Vordergrund ein Hochzeitspaar, im Hintergrund tanzt eine rothaarige Frau und ein älterer Man isst an einer Tafel sitzend.
    Kimberley Boettger-Soller, Jorge Espino, Lavinia Dames und Norbert Ernst in der Inszenierung von "Masel Tov" in Düsseldorf. (Deutsche Oper am Rhein/SANDRA THEN)
    Gemütlich ist es ja vor allem in der Küche. Man freut sich auf das Essen, man schnibbelt, man redet, man trinkt. Im Düsseldorfer Opernhaus ist die Küche recht geräumig: eine überdimensionierte Dunstabzugshaube, darunter Sektgläser und Kerzenleuchter auf einem großen Holztisch, links davon eine Bank zum rumfläzen, darüber ein Stilleben mit einem Brotteller inklusive Eiern und Schnittchen. Karg wirkt die Szene, aber nicht ohne einladenden russischen Charme.
    Die schönen Seiten der Liebe
    Die Oper "Masel Tov! Wir gratulieren" beruht auf dem gleichnamigen, Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Drama des ukrainisch-jiddischen Autors Scholem Alejchem. Es ist ein Drama in Anführungszeichen, treffender wäre der Begriff komische Oper. Es geht um die schönen Seiten der Liebe. Hier die eher derbe Köchin Bejlja, dort der intellektuell versierte Hausgehilfe Reb Alter. Hier das schöne Dienstmädchen Fradl, dort der Diener Chaim, der ihr – letztlich erfolgreich – den Hof macht.

    Im "Kellerküchen-Quartett" entwickelt sich ein buntes, von Sekt und Wodka geschwängertes Treiben. Eigentlich sollte ja gekocht werden für die oben residierenden Vorgesetzten, die die Verlobung ihrer Tochter feiern wollten. Doch so heißt es: Oben warten, unten laissez faire, amour pur – sagt auch die Dramaturgin der Düsseldorfer Oper am Rhein, Heili Schwarz-Schütte:

    "Auf engstem Raum wird gelacht, geliebt, geflirtet, gesehnt und auch geträumt. Und die Musik tut auch einiges, um den komischen Effekt auch wirklich nach vorne zu schieben. Da gibt es ganz viele humoristische Wendungen, kleine Witzchen am Rande, es hat allerdings auch immer einen tragischen Unterton."
    Kurzweilig trifft jiddische Klezmer-Musik auf das romantische Kunstlied
    Mieczysław Weinberg schrieb die Oper "Masel Tov! Wir gratulieren!" im Jahr 1975. Mit mitteleuropäischer Avantgarde hat die tonale und stets melodiös gedachte Musik wenig zu tun. Weinberg sagte einmal, ihm ginge es als Komponist wie einem Koch: Er packe vieles in einen Topf und versuche, daraus etwas Gutes zu zaubern. In der Tat gelang ihm Delikates. Sehr dicht und daher kurzweilig trifft jiddische Klezmer-Musik auf das romantische Kunstlied, es gibt allerhand Zitate von Johann Sebastian Bach oder aus eigenen Werken, dann folgen verzerrt-musikalische Grotesken, die schon mal an Weinbergs langjährigen Freund Dmitri Schostakowitsch erinnern.

    Die Musik ist die Stärke dieser Oper. Unter der Leitung des Dirigenten Ralf Lange treffen die Düsseldorfer Symphoniker perfekt den Ton einer Musik mit großen Anforderungen rhythmischer, vor allem aber auch gestischer Natur. Angesichts der aktuellen Corona-Lage entschied man sich für die besetzungsreduzierte Fassung des Komponisten und Arrangeurs Henry Koch.
    "Wir haben einen langen Katalog von Regelungen"
    Diese kammermusikalische Besetzung mit etwa zehn Musikern erleichtert das Verfolgen der wunderbar klar geführten Instrumental-Stimmen, zugleich erleichtert es im Orchestergraben eine Wahrung von Abstandsregeln. Auf der Bühne ist die Sache schon schwieriger. Wie kann es erotisch ausgelassen drunter und drüber gehen, wenn es in den Schutzverordnungen heißt: 1,50 Meter Abstand und in Gesangsrichtung doch bitteschön gleich drei Meter? Solch kontaktlose Liebe in den Zeiten der Coronaviren stößt schon mal an Grenzen – auch wenn der Regisseur Philipp Westerbarkei versucht, aus der Not eine Tugend zu machen:
    "Wir haben einen langen Katalog von Regelungen, die man befolgen muss. Man liest sich das sehr mathematisch durch und denkt: Okay, das ist fernab von Theater. Dann hat es bei mir aber Klack gemacht und ich habe es sehr sportlich genommen. Und abseits eines sehr absurden Distanzballetts, das man erreicht durch verschiedene Abstände, kommen auch urkomische Situationen zu Stande, die man natürlich aufnehmen muss und wunderbar nutzen kann."
    Hervorragendes Orchester und Ensemble
    Nun ja, man hat sich etwas mehr erhofft vom oft betonten Witz der Oper. Durch den Wegfall des Körperlichen kam zudem – wofür keiner etwas kann – eine subtile Entwicklung der Figuren-Beziehungen etwas zu kurz. Was diese frische Oper "Masel Tov" an der Düsseldorfer Oper am Rhein aber weit mehr als nur rettet, ist das herausragende Orchester und ein Ensemble auf der Bühne, das weder darstellerisch noch gesanglich Wünsche offen ließ. Stets sind die auf deutsch gesungenen Texte verständlich, nie entsteht das Gefühl von Unsicherheiten, die sich schon mal hätten ergeben können angesichts der sehr fordernden Partitur.

    Vor allem die Musik der vom ausgedünnten Publikum gefeierten Oper bleibt in Erinnerung. Weniger eine "Handlung" in Anführungszeichen, die natürlich auch auf politische Zeitumstände verweist – es ist ein recht klarer Blick auf jenes Russland um 1900, wo nicht nur Küchen-Kessel ziemlich unter Druck standen.

    "Also das Stück ist ganz klar ein Vorabend der Revolution. Wir haben eben die hierarchische Trennung auch so, dass wir Madame als Vertreter der Bell-Etage, des Adels, der höheren Klasse, erst einmal nicht sichtbar ist, sondern nur akustisch sich verbal komplett im Ton vergreift. Es ist natürlich einfach eine Frage zwischen persönlicher Rache, die man an einer Obrigkeit tätigt, oder findet man im gemeinsamen Konsens eine Energie, eine Kraft, um etwas Größeres zu schaffen. Wie zum Beispiel eine Revolution."