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Opposition will afrikanischen Frühling

In Togo macht das Wort vom afrikanischen Frühling die Runde. Seit dem Tod von Diktator Gnassingbé Eyadema regiert sein Sohn Faure Gnassingbé das Land. Doch weiterhin herrschen Korruption und bittere Armut. Nach Jahren der Einschüchterung nimmt Togos Zivilgesellschaft nun einen neuen Anlauf gegen das Regime. An vorderster Front: Togos Frauen.

Von Alexander Göbel | 06.10.2012
    Zehntausend sind es vielleicht, und sie sind weder zu überhören, noch zu übersehen: Mit knallroten T-Shirts marschieren Togos Frauen durch die Hauptstadt Lomé. Ihr Ziel: der Palast des Präsidenten. Die Botschaft auf ihren weißen Bannern ist eindeutig. "Dégage" - "Hau ab". Togos Frauen haben genug von ihrem Staatsoberhaupt Faure Gnassingbé. Below Adakou hat den so genannten Roten Marsch mitorganisiert. Mit einem Sexstreik hatten die Frauen vor Kurzem gegen die Zustände in Togo protestiert und weltweit Schlagzeilen gemacht – jetzt gehen sie auf die Barrikaden.

    "Togo steckt in einer Sackgasse, für die Frauen hat sich nichts verändert in diesem Land. Frauen kommen bei der Bildung zu kurz, viele können weder lesen noch schreiben, viel zu wenige machen Abitur, sie enden als Teenagermütter zu Hause am Herd, sie sind sexueller Gewalt ausgesetzt – das alles ist seit Jahrzehnten so. Und deswegen sagen die Frauen laut und deutlich: Achtung! Es reicht! Diese Regierung fühlt sich nicht verantwortlich für Euch!"
    Below Adakou gehört zum Kollektiv "Sauvons le Togo", zu Deutsch: "Rettet Togo". Seit Monaten legt die Oppositionsbewegung den Finger in die Wunde. Tatsache ist: Togo geht es schlecht. Fast die Hälfte der knapp sieben Millionen Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Verfolgung politischer Gegner und Journalisten, Folter, Korruption, eine von der Macht kontrollierte Justiz: Das war jahrzehntelang der Alltag unter Diktator Eyadema. Doch seit Faure Gnassingbé 2005 die Macht von seinem verstorbenen Vater übernahm, habe sich daran nichts geändert, meint Zeus Ajavon, Kopf der Bewegung "Sauvons le Togo".

    "In diesen sieben Jahren hat sich die Lage in Togo immer weiter verfinstert. Es ist Zeit, dass Schluss ist mit dieser Regierung. Denn wenn das so weitergeht, wird es eines Tages sehr schwierig sein, den Schaden zu beheben, den Faure hier angerichtet hat. Deshalb sagen wir: Wir wollen Togo retten, und zwar jetzt – aus den Händen eines Raubtiers, denn nichts anderes ist der Präsident: ein Raubtier!"

    Das will Togos Informationsminister Gilbert Bawara so nicht stehen lassen. Er weist die Vorwürfe gegen die Regierung und den Präsidenten zurück. Wer Togo denn nun retten soll, wird er gefragt. Das Lächeln des Ministers friert ein.

    "Warum sollte man Togo retten? Vor wem denn? Es ist allenfalls die Staatsgewalt, die Regierung, die Togo rettet – und sonst niemand."

    An der Gewalt der letzten Tage sei jedenfalls einzig und allein die Opposition schuld.

    "Das Kollektiv 'Sauvons le Togo' agitiert gegen den Staat – und zwar mit gezielten Provokationen. Bei Zusammenstößen mit der Polizei hat es schon Verletzte gegeben, wir bedauern das – aber das waren keine Massaker, wie das Kollektiv es fälschlicherweise behauptet. Das Kollektiv muss aufhören, mit seinen Hassparolen die Menschen aufzuhetzen und Gewalt zu säen!"

    Für Zeus Ajavon von "Sauvons le Togo" klingt das wie blanker Hohn. In seinem Büro zeigt er Fotos von Oppositionsanhängern, die bei Demonstrationen zum Teil schwer verletzt wurden – angeblich von regierungstreuen Schlägertrupps. Für Zeus Ajavon ist klar: Kritik ist streng verboten, Gnassingbé will um jeden Preis an der Macht bleiben - und hat die Menschen längst vergessen.

    "Togo ist ein Land, dem es an allem fehlt. Ein Land, in dem die Krankenhäuser nicht einmal Mullbinden und Watte haben, um Blutungen zu stoppen. In dem die Ärzte dem Patienten sagen müssen: Geh' Dir erstmal Verbandszeug kaufen, sonst behandeln wir Dich nicht! Und in einem solchen Land soll es normal sein, dass der Präsident eine halbe Million Euro für einen Privatjet ausgibt, um drei Mal im Monat das Wochenende in Italien zu verbringen? Deshalb kämpfen wir. Denn dieses Geld gehört dem Volk!"

    Seit seiner umstrittenen Wiederwahl 2010 sitzt der Präsident fest im Sattel. Nicht mehr lange, glaubt Jean-Pierre Fabre. Der Oppositionspolitiker unterstützt die Gruppen, die gegen Faure auf die Straße gehen. Fabre gilt als Faures wichtigster politischer Gegner – blieb bisher allerdings ohne Erfolg. Das mag auch daran liegen, dass die Opposition bei der letzten Wahl völlig zerstritten war. Diesen Fehler werde man nicht noch einmal machen, schwört Fabre. Die Zeit sei reif für den Wechsel, der Präsident werde auf keinen Fall bis 2015 im Amt bleiben. Einschüchtern lasse er sich jedenfalls nicht, sagt Fabre – auch nicht von Morddrohungen oder den vielen Tränengasgranaten, die auf sein Wohnhaus abgeschossen werden.

    "In der Bibel hat David Goliath besiegt. Und ich spüre, dass das auch bei uns so sein wird. Wenn Faure diese Situation in seiner autistischen Art einfach aussitzen will, soll er das tun. Wir werden es ihm nicht durchgehen lassen, es ist höchste Zeit, dass er verschwindet."

    Tief enttäuscht ist Fabre von der Internationalen Gemeinschaft. All die Jahre habe sie sich blenden lassen von Präsident Faures Augenwischerei. Fabre kann nicht begreifen, warum etwa Deutschland seine Entwicklungszusammenarbeit mit dem Regime ausgerechnet jetzt wieder aufgenommen hat – nach fast zwanzig Jahren. Togo mache eben keine Fortschritte in Sachen Versöhnung und Demokratie, wie Entwicklungsminister Niebel letztes Jahr betont habe: ganz im Gegenteil.

    Vom Rest der Welt erwartet Oppositionsführer Fabre keine Hilfe im Kampf gegen Faure. Er glaubt lieber an das togoische Volk. Und besonders an die mutigen, furchtlosen Frauen, die durch die Straßen von Lomé marschieren. Frauen wie Brigitte Adjamagbo, Anführerin der Regenbogenkoalition "Arc en Ciel".

    "Es ist unsere Pflicht, etwas zu tun! Als Frauen leiden wir besonders in diesem Staat. Wir wissen, dass gerade wir uns einsetzen müssen, dass wir Opfer bringen müssen, um für Togo mehr Freiheit zu erreichen. Wir tun das als Bürgerinnen - aus Verantwortung gegenüber unserem Land. Und wir tun es als Mütter, die Kinder geboren haben. Wir wissen, was Leben wert ist – und wir wissen, was Schmerzen sind!"