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Organisierter Frohsinn

Nein, diese schrägen Töne kommen nicht irgendwo von der Straße oder aus einem der vielen Rathäuser, die heute Vormittag von den Narren gestürmt wurden: Diese Guggenmusik spielt im Foyer der Uni Konstanz - und das schon seit Stunden. Dort, wo normalerweise Studenten mit ihren Rucksäcken und dicken Bücherpaketen ein- und ausgehen, sitzt nun eine bunte Schar an Clowns, Matrosen, Cowboys - der akademischen Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Nur ein paar schauen ein wenig überrascht - Studentinnen und Studenten aus dem Ausland, die mit dem Wörtchen "Fasnacht" bisher nicht allzu viel anfangen konnten. Fanny, angehende Politologin aus Frankreich und Franscesca, Linguistik-Studentin aus Italien:

Von Thomas Wagner |
    Wir kennen das nicht in Frankreich, und jetzt wollte ich das erleben. Ich finde das sehr, sehr toll. Es gibt so eine Stimmung. Die Leute sind zusammen und machen etwas zusammen - das finde ich total super !

    Das ist neu für mich. Das ist das erste Mal, dass ich hier bin für die Fasnacht. Es ist sehr schön, für mich, verrückt. Ho Narro! Heute morgen hatte ich Vorlesung, also kein Kostüm. Aber heute Nacht verkleide ich mich als Teufel.

    Dann wird plötzlich eine Narrenbütt in die Mitte des Konstanzer Uni-Foyers gerollt. Was da geredet wird, wer sprechen wird - das wissen die meisten in diesem Augenblick noch nicht. Doch Kunststudentin Simone aus Memmingen wüsste schon, was sie zu erzählen hätte, würde sie den erzählen dürfen:

    Also jetzt kommen ja die Studiengebühren oder sollen ja kommen. Und was wir dem Rektor hier sagen würden, wäre bestimmt, dass er sich das nochmals gut überlegen soll.

    Doch der Konstanzer Uni-Rektor Gerhard von Graevenitz will sich das absolut nicht mehr überlegen. Er gilt als ein ausgesprochener Befürworter von Studiengebühren - nicht zuletzt, weil's Geld ja knapp ist an den Hochschulen. Von Graevenitz in der Uni-Bütt im Talar - übrigens der einzige Moment im Jahr, wo der Rektor der Konstanzer Reform- Uni überhaupt noch einen Talar trägt:

    Das Gott erbarm, wir sind so gottserbärmlich arm. Kein Geld für Heizung, Strom, Papier - Gastprofessuren streichen wir. Ich hab's: Ganzjährig schließen wir: Erhöhen einhundertfach die Parkgebühr. Wir schreiben nur auf Tisch und Wände, dann hat das Graupapier ein Ende. Den Beton hauen wir in Stücke, verkaufen ihn als Rarität - für die Kassen der Universität.

    Das Thema 'Studiengebühren' lässt der Rektor vorsichtshalber aus, und auch die Konstanzer Narren haben damit nichts an der Kappe. Da hätte sich so mancher ein wenig mehr erhofft. Florian studiert Jura:

    Das hat mich auch gewundert, dass mich weder der Rektor noch der andere angesprochen hat. Ich weiß nich, woran's liegt . Vielleicht waren ja die Büttenreden schon geschrieben, bevor das Urteil gesprochen worden ist - das könnt natürlich sein.

    Ein paar Studenten immerhin lassen, trotz der ohrenbetäubenden fasnächtlichen Lärmkulisse im Foyer, Fasnacht Fasnacht sein - und pauken auf die nächste Klausur:

    Es ist nicht so mein Fall einfach. Ja klar, in die Bib gehen, da stehen genug Bücher rum. Die wollen alle noch gelesen werden. Närrisch ist das nicht - aber das ist die Klausur auch nicht.