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Orgel ohne Organisten?

Die Aachener Kirche St. Michael/Hagios Dimitrios ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Etwa 70 Mädchen und Jungen singen voller Inbrunst zu Ehren der Heiligen Luzia.

Von Eduard Hoffmann | 20.12.2004
    Der Kinder- und Mädchenchor St. Gregorius ist Höhepunkt des vorweihnachtlichen Konzertes der Katholischen Hochschule für Kirchenmusik. Wahrscheinlich wird es solche Konzerte schon bald nicht mehr geben. Denn nach dem Willen der vier Trägerdiözesen Essen, Trier, Köln und Aachen soll die Hochschule St. Gregorius nach dem Wintersemester 2006/2007 keine Kirchenmusiker mehr ausbilden. Dagegen sind am Eingang Unterschriftenlisten ausgelegt. Auch die meisten Konzertbesucher haben kein Verständnis für die Schließung.

    Das find ich sehr schade, unsere beiden Töchter singen im Mädchenchor, auch mit dem Kinderchor und ich hab’ das also mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen.

    Die Messe wird nicht mehr so schön sein. Zum Teil geht man auch hin, um kirchliche Musik zu hören, Chöre zu hören, Orgelmusik.

    Die Gemeinde braucht Kirchenmusik, um auch die jungen Kinder hier in die Kirche zu holen, um ihnen ein Angebot zu machen, sich auf eine andere Art und Weise als der üblichen spirituellen Weise der Kirchengemeinde zu nähern. Ich glaube, dass dieser Weg ein falscher ist, dass man gerade die Gemeinden nicht in dieser Richtung aushungern darf.

    Das ist zum Weinen, das ist was für die Seele, wenn ich in die Konzerte gehe, was ich jetzt auch wieder tue.

    Unter den zur Zeit 32 Studierenden herrscht große Unsicherheit. Die Stimmung ist alles andere als gut, erklärt mir eine Fünftsemestlerin:

    Manche Studenten wissen überhaupt nicht, wo sie jetzt wechseln sollen, was möglich ist, was es für Aussichten gibt, generell die Frage der Kirchenmusik ist im Moment ein bisschen indiskutabel, weil niemand weiß, ob es überhaupt noch Sinn macht, zu studieren, was in zehn Jahren passiert, also es ist im Moment eine sehr heikle Situation und auch eine heikle Sache.

    Viele Studenten von uns nehmen die Listen mit jetzt in die Heimatgemeinden über Weihnachten, wo natürlich viele Leute die Gottesdienste besuchen werden und dann hoffen wir, dass wir zahlreiche Unterschriften bekommen.

    Wird die Hochschule in Aachen geschlossen, dann bleiben in Deutschland nur noch zwei kirchliche Ausbildungsstätten übrig. Der Rektor der Aachener Hochschule für Kirchenmusik, Professor Matthias Kreuels, befürchtet weit reichende Folgen.

    Aachen könnte der erste Stein einer Mauer sein, die besser stehen bliebe, sie schützt dahinter die Kirche in der Fläche, das Leben der Kirche auch im kleinsten Dörfchen, wo häufig der Kirchenchor oder eine kleine Singegruppe aus Frauen oder Männer sozusagen eine Bastion des Kirchlichen ist. Und wenn das nicht mehr versorgt wird und wenn diese Gruppen – ich sag mal – in einem Prozess von 10 bis 20 Jahren beginnen, sich aufzulösen, dann löst sich auch Kirche in der Fläche auf und das ist das Politikum.

    Schon jetzt kümmert man sich in der Hochschulleitung um eine anderweitige Unterbringung der 30 betroffenen Dozenten, aber, so Matthias Kreuels:

    Einige stehen auch auf der Straße, das muss man ganz klar sagen.

    Aus ganz Deutschland erfährt der Hochschulrektor sehr viel Betroffenheit und Unterstützung im Kampf um den Erhalt der Ausbildungsstätte. Und ein ganz klein wenig Hoffnung hat Matthias Kreuels noch.

    Es läuft im Moment eine politische Diskussion auf den verschiedenen Ebenen der Bischofskonferenz, was denn dieser Beschluss der vier Trägerdiözesen Aachens für die gesamte Bundesrepublik bedeutet. Und da deutet sich an, dass das nicht einfach eine Sache mit der Tagesordnung ist, zu der man zurückkehrt, sondern durchaus eine sehr ernste Rückfrage an die gesamte Szene ist.