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Osteuropa-Studiengänge im Wandel?

In Erfurt veranstalten Osteuropa-Studierende derzeit eine Tagung über die der Vergangenheitsbewältigung in den Ländern des östlichen Europas. Doch wo sich Osteuropa-Studierende treffen, ist natürlich auch die Lage der entsprechenden Studiengänge an den deutschen Unis ein Thema.

Von Blanka Weber |
    Erfurt. Uni-Campus. Claudia Kraft lehrt Ostmitteleuropa-Geschichte. Die Professorin ist seit fünf Jahren in Erfurt, doch möglicherweise nicht mehr lange. Ihre Professur war befristet und wird demnächst auslaufen. Bis dahin lehrt sie den wissenschaftlichen Blick nach Ostmitteleuropa, der sich jedoch gewandelt hat:

    "Der Fokus verschiebt sich mehr in Richtung Welt, weg von dem Eurozentrismus, was ja begrüßenswert ist, weil oftmals an den deutschen Unis Geschichtswissenschaften sehr germano- oder eurozentrisch gelehrt wurde. Da sehe ich eine schöne Öffnung hin zu einer Globalgeschichte, wie auch immer man die versteht. Das geht natürlich auf Kosten kleinerer Fächer, etwa der osteuropäischen Geschichte."

    Sparzwänge an den Universitäten sind die Ursache dafür. Das Angebot hat sich verändert. Dennoch gibt es Zentren, die einen hohen Level halten.

    Die Professorin nennt: München mit einem Elitestudiengang, Berlin und auch Jena:

    "Jena ist sicher demnächst sehr ernst zu nehmen. Dort wird gerade ein Institut für Advanced Studies aufgebaut. Leipzig ist ganz wichtig mit der Universität aber auch mit Schwerpunkt der Ostmitteleuropa-Forschung."

    Einer, der dort studiert, ist Florian Ferger. Für ihn ist Leipzig ein optimaler Studienort:

    "Ich komme ursprünglich aus Wuppertal. Mich hat's dann nach Ostdeutschland, vielleicht auch wegen der Nähe nach Tschechien, da hab ich zwei Jahre gelebt, deswegen hat es mich nach Leipzig verschlagen, weil man da eben Bohemistik studieren kann."

    Auch er nimmt an dem dreitägigen Treffen des Vereins Ostblick teil. Sein Thema:

    "Ich werde was zum tschechischen Rechtsextremismus erzählen. Mich interessiert vor allem, was die Ursachen von Rechtsextremismus sind. Da werde ich im Vortrag darauf eingehen und das im Hinblick auf die Tschechische Republik machen."

    Ein Kommilitone aus Jena steht neben ihm. Martin Jung ist Doktorand am Graduiertenkolleg. Sein Blick als Referent der Tagung gilt den Ländern in Südosteuropa.

    "Mein Thema behandelt den Umgang mit Vergangenheit. Von daher ist das generelle Thema dieses Kongresses sehr spannend für mich und mein Beitrag wird sich dementsprechend auf Rumänien beziehen, und in den Blick nehmen, wie man in Rumänien mit dem Kommunismus umgeht, wie man sich mit der kommunistischen Vergangenheit auseinandersetzt."

    Marc Schivuinowitsch, 32 Jahre alt, promoviert am Max-Weber-Kolleg in Erfurt. Sein Thema ist der Kult um den ehemaligen jugoslawischen Staatschef Jozip Broz Tito.

    "Mein Vater kam aus dem ehemaligen Jugoslawien, aber ich hatte auch eine lange Zeit nichts damit zu tun und habe die Region wieder entdeckt in den 90er-Jahren, als es dort sehr problematisch war, bin dorthin gefahren und fand es spannend, diese andere Kultur wahrzunehmen, das hat sicher meine Studienwahl beeinflusst."

    Heute ist Marc Schivuinowitsch Geschäftsführer des Vereins Ostblick Deutschland e.V. - einer Initiative von Studierenden und Promovierenden.

    Nicht alle haben wie er einen bilateralen Hintergrund, doch das gleiche Interesse: Stereotype zu beseitigen und einander besser zu verstehen, als neue Generation in einem neuen politischen Kontext:

    "Nachdem dort die größten Krisen überwunden sind, ist das eine Region, die wirtschaftlich und kulturell für uns sehr interessant ist. Eine Region, die nach Europa strebt. Der wir uns nicht verschließen sollten. Insofern ist der Blick nach Osteuropa auch für uns wichtig und wir brauchen auch entsprechendes Personal mit der Expertise und dem entsprechenden kulturellen Gespür."

    Die Vakanz von Professuren sieht es skeptisch:

    "Ich würde es bedauern, das liegt natürlich am Auge des Betrachters. Die Sparzwänge machen vor keinem Halt."

    Claudia Kraft, noch Professorin in Erfurt, sieht das wissenschaftliche Angebot der Universitäten im Wandel:

    "Es gibt zwei Tendenzen. Die eine ist zu sagen, osteuropäische Studien sind ganz, ganz wichtig als landeskundliche Studien, als abgetrennte Studien, die eben eine bestimmte Sprachkenntnis, Landeskenntnis erfordern. Die andere Meinung ist, zu sagen, man will diese Osteuropastudien stärker in eine sogenannte allgemeine Geschichte integrieren und versuchen aus der landeskundlichen Ecke herauszubekommen."

    Gewiss wird das Orientieren nun schwieriger, doch Vereine, wie der Ostblick Deutschland e.V. helfen dabei.