Dienstag, 16. April 2024

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"Our Love"
Neues Album von Caribou

Vor vier Jahren erschien "Swim" des kanadischen Produzenten Dan Snaith alias Caribou, ein elektronisches Album zwischen Tanzfläche und Wohnzimmer. Jetzt veröffentlicht er den Nachfolger "Our Love".

Von Florian Fricke | 04.10.2014
    "Der Track ist ein einziges Crescendo. Es startet sehr gedämpft, um dann immer größer zu werden. Ich wusste sofort, dass es das Statement ist, das das Album eröffnen wird. Außerdem habe ich schon an der Arbeit an diesem Loop gemerkt, wie er sich immer weiter öffnet und wächst, dass ich ihn auf den Festivals im Sommer spielen will."
    "Can't Do Without You", der Opener des neuen Albums "Our Love" von Caribou. Der Track wurde schon vor ein paar Wochen vorab veröffentlicht und tatsächlich auf den Festivals rauf und runter gespielt. In ihm spiegelt sich das Erfolgsgeheimnis von Caribou wieder: Emphase, also wirkliche, und keine konstruierten Gefühle treffen auf eine perfekte Produktion. Hier ist einfach alles stimmig bis ins kleinste Detail. Kohärenz ist das Schlüsselwort.
    "Selbst wenn ich einen Klang am Synthesizer auswähle oder mit jedem anderen Instrument: Dieser Prozess ist so sehr im jetzt und hier eingebunden, sodass dieser Klang eben nicht wie früher klingt. Er muss einfach passen zu meinem aktuellen Leben. Kohärenz ist definitiv das Schlüsselwort. Auf früheren Alben habe ich zum Beispiel irgendwelche Geschichten erfunden. Und dann höre ich mir diese Songs heute an und denke: Ja, die Melodien und Harmonien stimmen immer noch, die kommen von mir. Aber was soll diese Geschichte? Die hat nichts mit mir zu tun."
    Die persönliche Note ist wichtig. Er zieht Vergleiche zwischen einem gebastelten und einem gekauften Geschenk. Im gebastelten steckt nun mal viel mehr Liebe und Herzblut. Und das spürt der Beschenkte. Seine Musik muss einzigartig klingen, neu und unverbraucht. Aber noch etwas hat Snaith aus dem Erfolg von "Swim" und dem Feedback der Fans gelernt: Er will die Hörer nun noch direkter erreichen.
    "Wir sitzen zum Beispiel gerade vor einem Paar Lautsprecher. Während der Produktion habe ich mir vorgestellt, dass das Fans sind und keine Lautsprecher. Die Sounds auf "Swim" schwammen sprichwörtlich in einer riesigen Klangwolke umher. Aber auf "Our Love" wollte ich einen direkten Kontakt zum Publikum herstellen. Ich habe meine Stimme also nicht unter einer Tonne von Effektschichten versteckt, sondern sie steht nun klar in der Mitte vom Mix. Ich habe mich ganz auf meine Hauptideen fokussiert und sie klar umgesetzt."
    Was Dan Snaith alias Caribou auch bis zur Perfektion verinnerlicht hat: die richtige Balance zu finden. Einfache, immer wiederkehrende Strukturen, die Housemusik ausmachen, sind Pflicht. Aber die wollen gemischt werden mit komplexen Harmonien und Arrangements. "Swim" war sein Londoner Album. In London hat er das Clubleben aufgesogen und nach einigen Jahren Abstand von elektronischer Musik wieder angefangen, aufzulegen. So bekam er das Gespür für das richtige Rezept eines gelungenen Tracks.
    "Wenn ich eigene Tracks in meine DJ-Sets eingebaut habe, habe ich schnell gemerkt, wenn sie zu kompliziert waren und zu sehr abschweiften. Wenn ich unbedingt mehr als eine Idee verwenden wollte: Dann fallen die Tracks zusammen und funktionieren einfach nicht. Und so habe ich das Gefühl für das Repetitive entdeckt, womit man die Tänzer auf seine Seite zieht. Auf der anderen Seite bin ich stolz darauf, nach so vielen Jahren Klubmusik auch Songs wie "Silver" oder "Second Chance" vom neuen Album schreiben zu können. Denn auch mit Wechseln der Tonart und Modulationen kann man die Leute in andere Sphären heben – und das hört man selten im Klubkontext."
    Es ist schwer bis unmöglich Caribou nicht zu mögen. Dazu ist Dan Snaith zu ehrlich, zu bestimmt, zu sehr bei sich und somit bei uns, den Hörern. Vor drei Jahren wurde seine Tochter geboren, um die er sich viel kümmert. Er beobachtet sein Umfeld; wie seine Freunde um ihre Beziehungen kämpfen, oder die Generation seiner Eltern, in die schon Krankheit und Tod Einzug gehalten haben. All das ist eingeflossen in "Our Love", und so erklärt sich auch der Albumtitel.
    "Diesen verwobenen Alltag wollte ich so gut wie möglich einfangen, ähnlich wie in einem Roman. Aber in einem Roman kannst du richtig ausholen und in die Charaktere eintauchen. In der Popmusik ist so etwas viel schwieriger, vor allem auf Albumlänge."