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''outlook''

Mit Outlook, einem der ersten größeren Projekte, das durch die neue Kulturstiftung des Bundes finanziert ist, wird nun die "Kunst-Landschaft" gleich um sieben neue Arbeiten erweitert. Für Hortensia Völckers, die künstlerische Direktorin der Bundeskulturstiftung, hat die Entscheidung, aufs Land zu gehen, durchaus Signalwirkung:

Guido Graf |
    Zum Beispiel Berlin: das sind die, die am meisten einreichen, leider, und das ist, finde ich, sehr problematisch und auch ärgerlich teilweise. Jetzt pendelt sich das nach eineinhalb Jahren ein, jetzt kennen die Leute uns, haben mit uns Gespräche geführt, wissen, wie man das macht. Es ist ja ein Geben und Nehmen. Wir müssen ja auch hören, was in der Szene los ist, wo fehlt’s. Das heißt also, wir reisen rum und besuchen die Institutionen. Man muss auch dazu sagen, dass die Leiter der Institute und Institutionen durch den ganzen Sparwahnsinn, der da jetzt läuft, nicht sehr viele neue Ideen haben.

    Für den Kunstverein Springhornhof bedeutet das Engagement des Bundes einen finanziellen Quantensprung. Früher mussten die Objekte in der Umgebung von Neuenkirchen aus den Erträgen der Galerie Falazik erwirtschaftet werden, die bis 1982 bestand und dann in einen Kunstverein umgewandelt wurde. Der Bruder von Ruth Falazik, der Bildhauer HAWOLI schildert die Entwicklung:

    Bei den Möglichkeiten, die der Kunstverein hier hat und hatte, war natürlich immer nur eine begrenzte Anzahl von Künstlern möglich. Am Anfang waren es Symposien, später hat sich das reduziert auf einen Künstler im Zeitraum von zwei Jahren, einfach um bei den wenigen Mitteln, bei den letzten Endes sehr wenigen Mitteln, die zur Verfügung waren, dem Künstler ausreichend Finanzkraft zu geben, dass er etwas bauen konnte, möglichst auch etwas Dauerhaftes, weil das wiederum die Öffentlichkeit hier gerne hatte.

    An der finanziellen Ausstattung lässt sich auch der Wandel in den künstlerischen Arbeiten ablesen: Insbesondere theorielastige Konzepte finden mit den entsprechenden Mitteln heute ganz andere Möglichkeiten der Realisation, sagt Hortensia Völckers:

    In der Auswahl von Outlook kann man sehen, dass sehr sensibel Rücksicht genommen wird auf bestimmte Ansätze, die es früher schon gab. Also ich würde sagen, es war immer eine Mischung, zwischen skulpturalen Herangehensweisen und Herangehensweisen, die vielleicht mehr einen soziologischen Zusammenhang haben. Und ich habe das Gefühl, dass jetzt die künstlerische Leiterin eigentlich aus beiden Seiten schöpft. Also das Paar Dragset & Elmgreen, die skulptural, aber auch soziologisch arbeiten: das ist der Zaun, den man aufstellt und da drin die Skulpturen, die man nicht mehr haben will, weil jeder weiß, in seiner eigenen Stadt würde er einige finden, die er dort abstellen würde. Und so ist es ja auch zuhause. Das ist eine eigentlich sehr spielerische und auch ironische Art und Weise, mit öffentlichem Raum und solchen Sachen umzugehen. Und gleichzeitig hat sie Positionen wie die Künstlerin, die wiederum diesen Pflaumenbaum abgießt und ihn die Landschaft setzt. Und dann wiederum das Bild bei einem Bauern: also da sind beide Elemente da. Ich würde sagen, das ist eine Fortführung, eine zeitgemäße von dieser wunderschönen Tradition, die hier herrscht und sich in 35 Jahren etabliert hat.

    Der Bronzebaum von Anna Gudjonsdottir steht in Drögenbostel, ein paar Kilometer vom Springhornhof entfernt. Auf dem zum Atelier umgebauten Dachboden einer Scheune in dem kleinen Ort hat sie als zudem ein panoramaartiges Bild der Baumszene auf Metallgrund gemalt. Die wohlwollende Unterstützung durch den Bauern, der den Hof betreibt, ist für HAWOLI durchaus repräsentativ:

    Mittlerweile gibt es auch sehr viel Bürger hier, die nie die Ausstellungsräume besuchen, die aber regelmäßig zu den Außenobjekten gehen, und wenn sie Besucher haben, ob das nun Touristen sind oder Verwandtschaft: die haben ihre Lieblingsobjekte und führen ihre Gäste da hin.

    Hortensia Völckers:

    Hier ist es natürlich noch einmal eine ganz andere Ebene der Identifikation. Wenn man diese Leute gewinnt und diesen Weg mit ihnen geht, dann ist das eine unglaubliche Bereicherung fürs Leben beider Seiten, fürs Leben der Kunst und fürs Leben der ganz normalen Bürger hier. Das gehört dann dazu und so muss es eigentlich sein. Das finde ich unheimlich lehrsam, das beobachten zu können, weil das in der Stadt nicht mehr praktiziert wird. Wir kämpfen darum, breit zu sein und Leute einzubeziehen und schaffen das kaum.

    Erstaunlich ist allerdings, dass nur selten in der langen Geschichte von "Kunst-Landschaft" und auch in den jetzt, im Rahmen von Outlook gezeigten Arbeiten, von den Künstlern nicht der Versuch unternommen wird, das Heideklischee von heimatlicher Identität und Idylle lächerlich zu machen. Man zeigt sich aufgeklärt und um Aufklärung bemüht, oder es wird Belangloses wie die riesigen Schriftzüge "Ankommen" und "Bleiben" des Hamburgers Rupprecht Matthies hingestellt, dem die Gegend ganz gleich ist. Die bekannten Zeilen der Band Tocotronic haben das schon deutlicher gesagt: "Wir haben gehalten, in der langweiligsten Landschaft der Welt, und festgestellt, dass es uns hier gefällt."

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