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Ozean der Zukunft

Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf die Kontinente aus, sondern er bedroht auch das Ökosystem des Ozeans. Dazu kommt die hemmungslose Plünderung durch kommerzielle Fangflotten, die große Bereiche der Weltmeere schon regelrecht leer gefischt haben. Aus Mangel an natürlichen Fressfeinden breiten sich andere Lebensformen immer stärker aus.

Von Harald Brandt |
    "Vielleicht werden wir statt Fischbrötchen bald Quallenburger essen", sagt der Sprecher des Kieler Forschungsnetzwerkes Ozean der Zukunft ironisch. Die Forscher des Leibniz Instituts für Meereswissenschaften GEOMAR arbeiten zusammen mit Juristen und Ökonomen an Modellen für einen nachhaltigen Umgang mit den biologischen und mineralischen Ressourcen, die der Ozean bietet. Der Schutz der maritimen Ökosysteme ist nicht nur für das materielle Wohlbefinden der Menschheit lebenswichtig. Der Ozean war und ist auch immer eine Quelle für die geistige Gesundheit der Menschen.


    Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt von der Entwicklung der Weltmeere ab - sie spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des Klimas, bergen Gefahren, bieten gleichzeitig aber auch neue Ressourcen. Die Ozeane bedecken mehr als zwei Drittel unseres Planeten, sind bis heute aber weniger erforscht als die Oberfläche des Mondes. Ändern will dies der Kieler Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" mit einem in Deutschland einmaligen Forschungsansatz: Meeres-, Geo- und Wirtschaftswissenschaftler sowie Mediziner, Mathematiker, Juristen und Gesellschaftswissenschaftler bündeln ihre Expertise und untersuchen gemeinsam den Ozean- und Klimawandel. Der Exzellenzcluster bezieht damit Disziplinen ein, die bisher nicht in der Meeresforschung aktiv waren, mit dem Ziel, die Chancen und Risiken gemeinsam zu bewerten und ein weltweit nachhaltiges Management der Ozeane und mariner Ressourcen zu entwickeln.
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    Auszug aus dem Manuskript:

    Der Ozeanograf Professor Martin Visbek vom Leipniz-Institut für Meereswissenschaften ist 1. Sprecher des Kieler Forschungsnetzwerkes "Ozean der Zukunft". Meeres - Geo - und Wirtschaftswissenschaftler arbeiten im Rahmen der Exzellenzinitiative zusammen mit Medizinern, Mathematikern und Juristen an der multidisziplinären Erforschung des ozeanischen Ökosystems. Martin Visbek betont immer wieder, dass der Ozean, der zwei Drittel der Oberfläche dieses Planeten bedeckt, trotz modernster Technik und der Zusammenarbeit von Forschungsinstituten auf der ganzen Welt in seiner ganzen Komplexität erst in Ansätzen erfasst ist.

    " Seit wir die Chance haben, den Ozean auch vom Satelliten, also vom Weltraum zu begucken, hat man das erste Mal die Möglichkeit, wirklich global solche Grunddaten wie Meeresoberflächentemperatur zu erfassen. Wenn wir eine Stufe weitergehen ... im Salzgehalt, dann geht das schon gar nicht mehr, den kann man mit dem Satelliten nicht messen, das heißt, hier sind wir angewiesen auf Messungen im Ozean. Da wird's dann schon ganz viel dünner. Dort sind wir auch heute deutlich besser als vor 20 Jahren, wir haben globale Netzwerke mit Robotern im Ozean, die alle 10 Tage dort Temperatur und Salzgehalt messen. Wenn wir ein Stück weiter gehen in Richtung Ökosystem, die Daten kann man oft nicht elektronisch messen, das heißt, jetzt muss man mit viel größeren Apparaten aufwarten ... oft Menschennetze, die Wasserproben nehmen .... da kann man sich leicht vorstellen, da wird die Information gleich sehr viel geringer ... und wenn man dann noch weiter geht und fragt sich, wie viel Gene gibt's denn im Ozean, dann wird unsere Wissenslücke noch, noch viel größer. Spannend vielleicht, noch mal auf der angewandten Seite zu gucken, Pharmafirmen sind natürlich an allem molekularen, genetisch Material interessiert, für die Wirkstoffforschung ... und die sagen, dass sie von der Biomasse an Land hat man etwa 90 % des Genpools, der Moleküle gescreent, also erfasst, und sich angeguckt, ob sie tatsächlich pharmazeutisch zu nutzen sind. Für Medikamente, für andere chemische Prozesse ... Im Ozean sind die Schätzungen, dass man da bei 15 bis 30 % liegt, also noch 70% gar nicht gescreent ist, und auch von daher das große Interesse dieser Firmen, der große Run auf den Ozean, um nur mal zu gucken, in 6000 Meter Wassertiefe, da hat man natürlich ein kleines Problem ... dass der Mitarbeiter aus der Pharmafirma nicht unbedingt Zugang hat zu Probenahmesystemen, die in 6000 Meter Wassertiefe operieren können ... "
    Prof. Dr. Martin Visbeck

    "Als Wissenschaftler können wir dazu beitragen, dass die Menschen wesentliche Fakten und Hintergründe besser verstehen. Das Ausmaß der Katastrophe ist aus unserer Sicht keineswegs zu verharmlosen und der zukünftige Forschungsbedarf enorm", sagt Prof. Martin Visbeck.

    Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko - was bleibt? Hintergrundinformationen des Exzellenzclusters "Ozean der Zukunft" zu den Folgen der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon für die Meere und ihre Küsten. Mehr dazu im Hintergrundpapier.


    Am 22. April 2010 versank die Ölbohrinsel "Deepwater Horizon" nach einer Explosion im Golf von Mexico und löste die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA aus. Acht Wochen nach dem Unglück, das durch die Nichtbeachtung und Umgehung elementarer Sicherheitsbestimmungen ausgelöst wurde, ist es dem BP Konzern immer noch nicht gelungen, das Bohrloch in 1500 Meter Tiefe zu schließen. Hunderttausende, wenn nicht Millionen Liter Rohöl gelangen täglich ins Meer, das Ausmaß der Katastrophe ist noch gar nicht abzuschätzen.

    Nach der Havarie des Tankers "Exxon Valdez" 1989 vor den Küsten Alaska, der bisher schwersten Ölkatastrophe in US-Gewässern, strömten insgesamt 41 Millionen Liter Öl ins Meer - eine Menge, die verschiedenen Schätzungen zufolge derzeit im Golf von Mexiko alle fünf bis 13 Tage erreicht wird. Verschmutzte Strände, verölte Pelikane und tote Delfine vor den Küsten Louisianas und Floridas sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Anhand einer Computersimulation auf einem Großrechner in Los Alamos konnte der Kieler Meeresforscher Professor Martin Visbek zusammen mit amerikanischen Kollegen nachweisen, dass das Öl wahrscheinlich schon Mitte Juli 2010 vom Golfstrom erfasst und sich dadurch auch im Nordatlantik ausbreiten wird. Wie sich die gigantischen Ölmengen in der Tiefe des Ozeans auf die maritimen Ökosysteme auswirken wird, ist noch vollkommen offen.


    Seit dem 20. April sprudelt Öl aus der havarierten Deepwater Horizon in den Golf von Mexiko und bedroht das empfindliche Ökosystem. Kein Ölkonzern verfügt über funktionierende Notfallpläne. Fossile Energieträger wie Öl müssen durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Greenpeace fordert: Raus aus der Tiefsee!
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    Auszug aus dem Manuskript:

    Wem gehört der Ozean ? Wem gehören die Ressourcen im Meeresboden, gerade in den Regionen, wo sich durch das Abschmelzen der polaren Eiskappen bald ganz neue Perspektiven industrieller Ausbeutung eröffnen werden ?

    Mit diesen Fragen beschäftigt sich Professor Alexander Proelß am Institut für Internationales Recht der Universität Kiel. Im Rahmen der Exzellenzinitiative "Ozean der Zukunft" arbeiten Wissenschaftler aus allen Disziplinen an der Frage, wie sich das Verhältnis des Menschen zum Meer in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird.

    " Wir nennen ... die Meereszone, wenn es um die Wassersäule geht, das nennen wir die ausschließliche Wirtschaftszone, und in der Tat, ein Staat kann diese Zone bis auf 200 Seemeilen, gemessen von seiner Küste ausdehnen. Der Meeresboden unterliegt einem eigenen Regime, das ist der sogenannte Festlandsockel und dieser Festlandsockel kann unter Umständen jedenfalls, je nach den geologisch-geografischen Gegebenheiten, auch weit über 200 Seemeilen hinaus erstreckt werden. Das heißt diese beiden Zonen, so irritierend wie das ist, Wassersäule und Meeresboden können räumlich auseinanderfallen. Und das birgt natürlich Streit - und Konfliktpotenzial. ... Man muss Bodenproben nehmen, man muss beweisen, dass das betreffende Gebiet eine natürliche Verlängerung des Landgebietes ist, also es muss eine geologische Kontinuität zum Festland bestehen. Wenn etwas vulkanisch neu entsteht, dann ist diese Kontinuität nicht gegeben. Und dann muss man die Daten einer Kommission vorlegen, mit Sitz in New York, die Festlandssockelkommission - da sitzen 21 Naturwissenschaftler und die begutachten dann die Daten und sagen, ja, das geht, oder das trifft so nicht zu. Dieses Thema ist genau das heiße Eisen mit Blick auf den arktischen Ozean, weil die Ressourcen, die vermutet werden, die lagern alle jenseits der 200 Seemeilen Außengrenze. Das heißt, alle fünf Anrainerstaaten beanspruchen einen über 200 Seemeilen hinausgehenden Festlandssockel und alle diese 5 Staaten haben deswegen zuletzt und auch aktuell diverse Expeditionen durchgeführt, um Daten zu sammeln und Proben zu entnehmen, die belegen, das Ganze gehört zu uns und nicht zu den anderen. "

    Prof. Dr. Alexander Proelß


    Übereinkommen über die Biologische Vielfalt ( 5. Juni 1992 )


    Agenda 21: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro - Originaldokument in deutscher Übersetzung

    Der Agenda 21 Treffpunkt wurde in den Jahren 2000 bis 2007 als Informations- und Kommunikationsplattform im Bildungsserver learnline NRW aufgebaut:


    Auszug aus dem Manuskript:

    Der Geologe Professor Karl Stattegger befasst sich mit der Frage, welche Küstenregionen der Welt besonders betroffen sind, wenn der Meeresspiegel bis 2100 wirklich um einen Meter ansteigen sollte.

    " Es kommt immer darauf an, nach welchen Zahlen man guckt. Statistiken kann man auf unterschiedliche Art und Weise machen, aber wenn sie zum Beispiel rein von den Bevölkerungszahlen die Top Ten hernehmen, dann finden sie acht dieser Top-Ten-Länder in Ostasien, Südostasien. Von Indien bis China, weil das einfach von Anfang an sehr bevölkerungsreiche Staaten sind, aber Bangladesh, liest man oft in der Zeitung, Vietnam, Indonesien, das sind alles Bereiche ... Thailand ..., die sehr gefährdet sind. Wo also wirklich einige zehn Millionen an Menschen in Gefahr sind, denn es ist ja so, dass gerade traditionellerweise die Küstenregionen sich sehr für Industrialisierung, für Besiedelung, für Infrastrukturentwicklung eignen, weil sie leicht handhabbar sind, rein von der Morphologie her und auf der anderen Seite weisen sie aber auch die größte Verwundbarkeit auf. Gegenüber einem verstärkten Meeresspiegelanstieg. Dann kommt natürlich dazu, welche Besonderheiten davorliegen ... wenn sie etwa ein Flussdelta dahernehmen, das Mündungsgebiet eines größeren Flusses, in dem sehr viel Sediment abgelagert wird, dann kommt's da zu natürlichen Absenkungen. Weil einfach die gesamte Lithosphäre elastisch reagiert und so können wir heute in verschiedenen dieser Deltaregionen Absenkungsraten von einem bis drei Zentimeter pro Jahr messen. Und das sind natürlich gewaltige Beträge, denn da kommen sie schon auf zwei bis drei Meter pro Jahrhundert. "


    Professor Karl Stattegger, Sedimentologie, Küsten- und Schelfgeologie, Universität Kiel