Padre Antonio Soler - Klaviersonaten
Auf ganz andere, aber nicht minder faszinierende Weise spanisch geht es auf einer EMI-CD zu, die die Pianistin Marie-Luise Hinrichs eingespielt hat. Darauf sind 13 der etlichen Dutzend Klaviersonaten des Padre Antonio Soler zu hören. Soler lebte bis 1783, und sein Klavierstil wäre als hoffnungslos veraltet zu bezeichnen, ließen sich wesentliche Elemente dieses Stils nicht bis weit ins 19. Jahrhundert dingfest machen; also wird er wohl seinen spanischen Zeitgenossen mit seinen einsätzigen Sonaten nicht als ganz so altmodisch erschienen sein. Beim ersten Hinhören scheint auch ein erstes Urteil festzustehen: Soler steht in der Tradition des großen Domenico Scarlatti. Punkt! Doch die Dinge sind komplizierter. Beide, der ältere Scarlatti wie der Padre Soler, entwickeln die einsätzige Klaviersonate aus den Stilelementen der spanischen Gitarre. Soler kommt dabei indes aus einer ganz anderen Tradition. Er hat seine Ausbildung auf dem heiligen Berg der Katalanen genossen, im Kloster des Montserrat. Und er wird kein Hofkomponist, sondern Organist und Chormeister am sozusagen offiziellen und damit durchaus höfischen Kloster El Escorial. Seine Musik ist ungleich stärker introvertiert als die seines italienischen Kollegen. Immer wieder spinnt er Gedanken auch weiter aus, unterwirft sie anderen Flexionen, entfernt sich vom Grundschema wie in den beiden großen, 10 respektive 12 Minuten dauernden Sonaten e-moll und d-moll, die schon fast Fantasien zu nennen wären, bliebe die Dramaturgie der einsätzigen Sonate nicht doch letzten Endes so strikt gewahrt. Die Stücke erschließen sich nicht beim ersten Hören. Man muss schon auf Feinheiten der Veränderung achten, auf Nuancen der melodischen Erfindung und die Bedeutung dahinter zu ahnen beginnen. Nicht zuletzt gewinnt Soler dem traditionellen Modulationsschema der spanischen Gitarre ausgesprochen sophistische Varianten ab. Das bestimmt natürlich auch den Interpretationsstil. Marie-Luise Hinrichs nähert sich dieser Musik mit einem hochdifferenzierten Anschlag, der seine Herkunft aus der französischen Schule nicht leugnen kann. Jede Härte der Kontur weicht einem raffinierten clair-obscure. Das jeu perlé ist makellos, und der Umgang mit dem Pedal des modernen Konzertflügels ist fast schon impressionistisch zu nennen. Natürlich könnte man sich diese Sonaten trockener gespielt vorstellen, mit viel mehr halbem Pedal und rascherer Dämpfung. Aber die Atmosphäre von Innerlichkeit, von In-Sich-Hineinhören, die Marie-Luise Hinrichs bei diesen Sonaten erzeugt, bedeutet einen Gewinn für die Musik Solers. Sie ersteht als ein Tableau von unaufdringlichen Visionen eines höchst geistvollen Komponisten. Auch das ist Spanien, und zwar eben das Spanien des Montserrat oder das des Inigo de Loyola und ganz ohne Olè. Zum Schluss dieser Sendung "Die neue Platte" im Deutschlandfunk hören Sie also Marie-Luise Hinrichs mit einem Titel ihrer neuen Soler-CD, die bei EMI Classics erschienen ist: der Sonate Nr. 117 d-moll oder genauer gesagt: in Modo dorico, im dorischen Modus. Am Mikrofon verabschiedet sich Norbert Ely mit einem Dankeschön für Ihre Aufmerksamkeit. * Musikbeispiel: A. Soler - Sonate Nr. 117 d-moll