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Papiere bitte!

Es ist eine der wenigen guten Ideen der Europäischen Union: Alle Häuser, ob alt oder neu, müssen künftig einem Käufer Auskunft über ihren Verbrauch geben - genau wie Autos. Während der Besitzer bei Autos allerdings wenig tun kann, um die Konstruktion zu verbessern und damit weniger zu verbrauchen, ist das bei Häusern anders.

Von Sönke Gäthke | 15.10.2006
    Nettersheim in der Eifel. Am Ende einer kleinen Straße: Ein altes Haus, direkt neben dem Gleis der Strecke Köln-Gerolstein. Schwarze Schindeln. Große Graue Bruchsteine bilden das Fundament, sehen ein halbes Geschoß hoch aus dem Boden, ein altes Eisenbahner-Haus. Innen leer. Tapeten, die an die siebziger Jahre erinnern. Dünne Fenster, dünne Wände. Winkelige Gänge. Schwere, weiße Türen.

    Gudrun Langmack geht die Treppe hoch, klopft an die Wände. Sie ist Architektin und Energieberaterin. Sie begutachtet das Haus, soll Vorschläge machen, wie die neuen Besitzer möglichst wenig Energie zum Heizen benötigen.

    "Also, ich fange in der Regel an entweder oben oder unten. Am liebsten ist mir oben. Dann komme ich nämlich zum Schluss zur Technik, dann habe ich gesehen, was mit dem Haus los ist und sehe mir die Technik an."

    Häuser brauchen Energie. Viel Energie. Zum Heizen. Gut ein Drittel des jährlichen Energieverbrauchs des Landes; etwa 3 Prozent der Kohlendioxyd-Emission Deutschlands geht durch die Schornsteine der Wohnungen.

    "Ein durchschnittlicher Bürger hat seine 11 Tonnen pro Jahr, CO2, und da gehen dann auf Kosten der Heizung dann zwischen zwei und vier Tonnen."
    So Hans Hertle vom Institut für Energie und Umweltforschung, kurz IFEU, in Heidelberg.

    Zwei bis vier Tonnen jedes Jahr. Unnötige Tonnen. Mit etwas mehr Dämmung auf den Wänden wären es weniger – und ein Haus zu dämmen ist viel einfacher als einen Autofahrer zum Umsteigen auf den Bus zu bewegen.

    "Wir haben vom IFEU-Institut auch Szenarien gemacht für Energie und Verkehr, und da zeigt sich eben immer wieder, dass die Verkehrsmaßnahmen wesentlich aufwändiger sind als die Maßnahmen im Dämmbereich, dort sind eigentlich fast alle Maßnahmen wirtschaftlich, während ich im Verkehrsbereich doch erhebliche Probleme hab, zum Beispiel ÖPNV-Ausbau, die Wirtschaftlichkeit darzustellen"."

    Um Hausbesitzern das Sparen schmackhaft zu machen, ist die EU schon vor Jahren auf eine Idee gekommen: Den Energiepass.

    Der Energiepass soll festhalten, wie viel Energie ein Haus pro Jahr für das Heizen verbraucht. Ein solches Papier, der Energiebedarfspass für Neubauten, muss in Deutschland bereits seit 1995 ausgestellt werden. Das Dokument für die Altbauten soll allerdings weitergehen: Es wird auch ganz konkrete Tipps enthalten, wie das jeweilige Haus sparsamer werden kann.

    Beim Kauf oder Mietvertrag jedes Hauses heißt es dann künftig: Papiere bitte. Die Idee ist, dass der Mieter oder Käufer durch einen Blick auf den Energiepass einen Eindruck vom Verbrauch der Wohnung oder des Hauses bekommen soll – und dass der Besitzer animiert wird, das Haus zu dämmen, um den Wert zu steigern.

    Steigern kann er den aber Wert nur, wenn er auch die richtige Reihenfolge einhält. Erst die Wände, das Dach, die Fenster, dann die Heizung. Kurz gesagt: erst dämmen, dann heizen.
    Gudrun Langmack:
    ""Sie kommen (...) wenn sie die falsche Reihenfolge wählen, mit ihren Sanierungen nicht zum Ziel."

    "Das Grundprinzip ist: Energie die ich gar nicht benötige, brauche ich auch nicht bereit zu stellen, brauche ich nicht zu erzeugen."
    Wolfgang Koenigsdorff, Gebäudeklimatiker der Fachhochschule Biberach.

    "Und wenn dann der Energiebedarf gesenkt wurde von dem Gebäude, durch die Dämmung der Hülle, dann macht es Sinn, die Heizung darauf angepasst zu erneuern."

    Sonst wird die Heizung zu groß fürs Haus, verbraucht zu viel –was auf dem Energiepass schlecht aussieht. Gudrun Langmack weist auf einen zweiten Grund, erst mit dem Dämmen anzufangen, hin:

    "Wenn ich die Gebäudehülle dämme, habe ich ne Investition, wenn ich die so optimal dämme, wie das heute möglich ist, und auch wirtschaftlich ist, die mir die nächsten 30, 40 Jahre, man kann auch sagen, 50 Jahre Energie einspart. Und die Heizung, wenn ich die austausche, die hat ne Lebenserwartung von 12 bis 15 Jahren. Und dann sind sie in 12 bis 15 Jahren wieder dran."
    Und so gilt ihr erster Blick Wänden und Dach. Die Energieberaterin geht langsam durchs Haus. Sie klopft mit der flachen Hand auf die Wände. Steigt die Treppe hoch, klopft wieder auf die Wände. Die Treppe endet oben in einem Flur.
    Links zwei Türen, rechts nur eine.

    "Waren das sogar mal zwei Wohnungen hier?"
    "Ne, das war ja mal ein altes Bahnhaus (…)"."

    [Klopfen]
    ""Ich höre, ob das 'ne massive Konstruktion ist oder eine Trockenbaukonstruktion oder in den Fällen hier 'ne Holzkonstruktion, die beidseitig beplankt ist. Diese Konstruktionen sind möglicherweise leichter zu verändern, aber hier sehe ich schon, dass das nicht so leicht zu verändern ist, weil das die Zimmermannskonstruktion erkennen lässt"

    Die Konstruktion gibt darüber Aufschluss, welches Material verbaut wurde – ein Hinweis auf die energetische Qualität des Hauses.

    [Ziehendes Geräusch]
    "Mehrere Generationen Tapeten. Das ist verputzt."

    Gudrun Langmack zieht die Tapeten ab. Die Energieberaterin ist auf der Suche nach dem Material der Wände. Klang und Aussehen geben der Energieberaterin einen ersten Hinweis auf das Material. Und aus dem Material kann die Energieberaterin dann auf die energetische Qualität des Hauses schließen. Auf großen Hochglanzwerbungen geschieht das werbewirksam mit Infrarot-Wärmebildkameras.

    Das ist nicht nötig. Das Material kann man zur Not mit einem ganz einfachen Werkzeug feststellen - mit einem Bohrer.

    "Wenn ich das Haus kennen lernen möchte, sind für mich als erstes die Materialien wichtig. Die Fragestellung ist dann: Wenn Sie in die Wand bohren, haben Sie graues, weißes oder rotes Mehl?"

    Graues Mehl deutet auf Bimsstein hin, weißes auf Kalksandstein, und rotes auf Ziegel. Jedes Material bietet eine bestimmte Wärmeleitfähigkeit, das heißt, einen bestimmten Schutz vor Kälte – Kalksandstein zum Beispiel einen etwas besseren, gebrannte Ziegel einen etwas schlechteren. Bauphysiker und Architekten sprechen vom so genannten U-Wert des Materials.

    Wolfgang Koenigsdorff:
    "Also der U-Wert selber ist physikalisch betrachtet nichts weiter als eine Größe, die eben diese Wärmeleitung durch das Bauteil beschreibt, und das ist ganz grundlegende Physik, das hat noch gar nichts mit dem Bauwesen zu tun."

    Mit dem Bauwesen kommt der U-Wert im Labor in Berührung. Dort testen Bauphysiker, wie viel Wärme ein Stein passieren lässt.

    "Also die einzelnen Baustoffe werden im Labor gemessen, die werden so zu sagen vereinfacht gesagt zwischen eine warme und eine kalte Platte gespannt, eine bestimmte Temperaturdifferenz eingestellt, und dann wird gemessen, wie viel Wärme läßt der Baustoff bei dieser Temperaturdifferenz durch."
    Wer heute baut, hat es leicht: Heutzutage nennen die Hersteller von Steinen und Ziegeln den U-Wert ihrer Steine. Die Werte alter Steine müssen Energieberater aufwändig in Listen und Literatur suchen.
    Anhand der U-Werte kann ein Energieberater berechnen, wie viel Energie nötig ist, um ein untersuchtes Haus zu heizen – und um wie viel sich dieser Wert reduzieren lassen könnte. Für diese Berechnungen benötigen Energieberater allerdings noch mehr Informationen: Zum Beispiel den Bauplan, auf dem die Wandstärken verzeichnet sind. Damit kann der Energieberater auch eine Dämmung empfehlen. Wobei ihm unter Umständen eine gewisse Zurückhaltung entgegen schlagen kann.

    Manche Baubiologen, aber auch viele Hausbesitzer glauben, eine Wand müsse atmen können – eine Wärmedämmung jedoch verhindere das. Die Folge sei Schimmel.

    Hans Hertle:
    "Ursprünglich war das Mal ein Ausspruch von Pettenkofer, der hat quasi einen Versuch mit einem porösem Ziegel gemacht, hat an beiden Seiten einen Trichter angelegt und dann durchgepustet, und seitdem geistert so in der Architektur das Bild des atmenden Ziegels rum, danach kamen die Bauphysiker, die sagten, gut, eine Wand muss diffusionsoffen sein, dass heißt, die Feuchtigkeit muss durch die Wand nach außen kommen, und daher kommt dieses Vorurteil noch: Die Wand muss atmen."

    "Die muss natürlich nicht atmen, also wenn Sie atmende Wände hätten, da würd's ganz schön durchziehen, sondern die Wand muss dicht sein, luftdicht sein, und wenn man das erst einmal kapiert hat, dann hat man auch keine Angst mehr vor Wärmedämmung."

    Welche Materialien dabei zum Zuge kommen, hängt in erster Linie vom Geldbeutel des Bauherrn ab. Mineralwolle oder Zellulose geben zum Beispiel gute Dämmstoffe ab. Damit werden die Wände bedeckt – und verlieren weniger Wärme. Aber auch Styropor ist nicht zu verachten.

    Gudrun Langmack:
    "Ich denke, das Styropor auf der Fassade ist Erdöl von der Grundsubstanz her, und es ist sehr viel besser eingesetzt als wenn ich auf der Autobahn Gas geben. Dieses Erdöl in Form von Styropor – was der normale Bauherr bezahlen kann –das bringt die nächsten vierzig Jahre der Umwelt wirklichen gewinn. Von da her kann ich auch Styropor verantworten."

    Wenn es das Portfolio erlaubt, können aber auch Techniken zum Zuge kommen, die so neu sind, dass sie nur mit einer Sondergenehmigung verbaut werden können: Vakuum-Panele.
    Das sind Platten aus porösem Material, eingeschlagen in Metallfolie; ohne Luft innen - wie vakuumverpackte Kaffepakete, nur ohne Kaffee.

    Wolfgang Koenigsdorff:
    "Und da bekommt man auf wenigen Zentimetern Dämmdicke eine sehr, sehr gute Wärmedämmung was ansonsten nur mit Dezimetern zu erreichen wäre."

    Allerdings gibt es noch einige Probleme: Wie bringt man diese Panele dazu, nicht von der Wand herunterzufallen? Nägel oder Schrauben würden das Vakuum zerstören. Wie lange hält das Vakuum? Und wie gut ist die Wärmedämmung an den Kanten der Paneele?

    "Das ist auch Gegenstand noch der Forschung und Entwicklung, dass man natürlich möglichst maßgenau mit möglichst wenig Platten so eine Dämmung dann vornimmt, und an den Stellen, an denen die Platten dann aneinanderstoßen, das ist 'ne Frage, wie dick ist die Hülle, die da zwei mal auf einander trifft, beziehungsweise auch die Befestigung, die ich brauche. Ich kann ja da nicht durchbohren. Ich kann natürlich kleben, das geht für bestimmte Anwendungen, aber sobald ich zusätzliche Konstruktionen brauche, stellen sie da eine immense, relativ gesehen immense Wärmebrücke dar."

    Wolfgang Koenigsdorff will in seinem Haus den Boden eines überstehenden Zimmers mit den Vakuumpaneelen auskleiden; Gudrun Langmack hat für einen ähnlichen Zweck Häuser in Köln bereits mit diesen Paneelen ausgestattet.

    Gudrun Langmack ist inzwischen im Erdgeschoss angelangt. Sie will die Fenster begutachten. Mit Rollladen.

    "Fenster und Rollläden sind gekoppelt, da gibt’s eigentlich immer Zug. Die nächste Frage: Können Sie auf die Teile verzichten?"

    "Dann noch ne ganz wichtige Sache: Brauchen Sie Rollläden?"
    "Ja – ach so! Also ich nicht. Wie ist das?"
    "Schmeißen Sie sie raus!"

    "Einmal haben Sie den Gurtschlitz (...). Wenn der Rollladen mal kaputt war, und nicht richtig geschlossen wurde, dann zieht's, dann haben Sie in der Regel 19 Millimeter Spanplatte, raumseitig, zwischen Außenluft im Rollladen (...) und der warmen Luft im Raum, das sind 19 Millimeter, wenn's gut ist, mal 22 innen, das kann man vergessen, das sind wirkliche Energieschleudern."

    "Ich kann Ihnen auch nur die Dreifachverglasung raten. Lieber ein Teil fest verglaster, damit's billiger wird, aber mit Dreifachverglasung. Das ist nicht mehr so viel teurer, das ist wie ne Wand, besser als diese Wände hier."

    "Ja, ja."
    Dreifachverglasung, keine Rollos mehr, dichte Türen: Ungewollt wird kein Hauch das Haus verlassen.
    "Ich würde sagen, dann gehen wir hier noch einmal durch."

    Das Phänomen tauchte in den achtziger Jahren schon einmal auf – als Problem.

    Hertle:
    "Es gab ja vor zwanzig Jahren diese Nachdämmung der Fenster, diese Einfachglas-Fenster wurden durch Isolierglasfenster ersetzt, mit dicht schließenden Lippendichtungen, dadurch kam es häufig zu Schimmelbildung, weil keine Durchlüftung mehr gewährleistet war."

    Heute setzen Architekten und Bauphysiker auf Technik: Die mechanische Lüftung.

    Gudrun Langmack:
    "Da sind viele Leute noch ganz zurückhaltend bis negativ eingestellt, aber ja, kann ich von mir selber auch nur sagen, ich musste über ein Programm dazu gezwungen werden, die erste Abluftanlage einzusetzen, weil ich gesagt habe, ich bin in der Lage, Fenster aufzumachen."

    Wolfgang Koenigsdorff:
    "Wenn man so eine mechanische Lüftung nicht hat, dann ist man selbst verantwortlich. Das hieße im Extremfall, Sie müssten in einem Luftdichten Schlafzimmer nachts zwei, drei Mal aufstehen und Lüften im Winter. Denn wenn Sie das Fenster kippen, bekommen Sie zu viel Luft, es wird zu kalt, die Luft wird dann auch vielleicht zu trocken, wenn Sie es zu lassen, haben Sie keine optimale Luft für einen erholsamen Schlaf, und auf Dauer ist das auch fürs Gebäude nicht gut."

    Gudrun Langmack:
    ""So ideal kann ich nicht Lüften. So ideal kann keiner Lüften, wie die Auslegung der Abluftanlage. Ich habe das sehr schnell am ersten Projekt begriffen, wie gut das ist, und seitdem baue ich's im Grunde, wo ich es empfehlen kann, überall ein.""
    Die Architektin setzt eine Ablufttechnik ein, bei der ein oder zwei zentrale Lüfter im Haus eingesetzt sind. Jeder Raum verfügt über eine Klappe mit einem Feuchtigkeitssensor. Registriert dieser Sensor eine ansteigende Feuchtigkeit, öffnet er die Klappe.

    Immer frische Luft also. Aber immer frisch gelüftet bedeutet auch: Wärmeverlust. Die Verluste halten sich in Grenzen. Gudrun Langmack setzt die Anlage auch in zwei Umbauten in Köln ein; beide sind heute Niedrigenergiehäuser. Trotz der Tatsache, dass die Architektin keine Lüftung mit Wärmerückgewinnung einsetzt.
    "Die Wärmerückgewinnung ist ne Glaubensfrage, ich hab sie noch nicht eingesetzt, also eine Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung, es hat mich noch nicht überzeugt, was ich auf dem Markt gesehen hab. In dem Moment, wo ich das Gefühl hab, ja, das ist es, dann werd ich das sicher auch probieren, aber es hat mich noch nicht dazu getrieben."

    Ein Passivhaus könnte auf eine Wärmerückgewinnung allerdings nicht verzichten. Sonst wäre der Wärmeverlust zu groß. Wolfgang Koenigsdorff dagegen wartet nicht auf bessere Wärmerückgewinnungs-Systeme, sondern auf bessere Fenster:

    "Auf was man auch seit, mindestens zehn Jahren wartet, zumindest ich, ist, wann Gläser ohne Gasfüllungen, also Vakuum-Verglasung auf den Markt kommen, die dann ohne Füllstoffe auskommen, bei denen man dann nach wie vor noch die volle Transparenz hat, das wäre sicher sehr faszinierend. Weil die Gläser dann auch mit wenig Gewicht einen optimalen U-Wert hätten."

    Der Rundgang ist inzwischen im Keller angekommen – genauer gesagt, im Garten vor der Kellertür. Gudrun Langmack deutet auf den massiven Sockel aus Natursteinen:

    "Mit dem Wärmedämm-Verbundsystem – wenn Sie jetzt da oben mit einer richtigen Wärmedämmung drauf gehen, dann steht das ein ganzes Stück über. Und der Naturstein ist eine ziemliche Wärmebrücke. Da müsste man sich überlegen, ob man nicht bis auf diese Steinschicht geht. Also die eine Steinschicht noch abdeckt mit dem Wärmedämm-Verbundsystem, damit der Deckenkopf gedämmt ist. Das ist vom Isothermenverlauf her viel besser."

    Wärmebrücken sind Fallen bei der Sanierung. Es sind Materialien, die Wärme besser leiten als die Stoffe in ihrer Umgebung. Sie müssen daher besonders gut gedämmt werden.

    Die Energieberaterin und die neuen Besitzer nähern sich dem Endpunkt des Rundgangs.

    Besitzerin:
    "Nebenan ist jetzt die Heizung."

    Hans Hertle:
    "Normal bräuchten Sie bei einem Gebäude etwa 78 Prozent fürs Heizen und 11 Prozent für Warmwasser. Der Rest ist dann Stromanwendungen."

    Durch die Wärmedämmung und neue Fenster lassen sich diese Werte bereits senken. Eine neue, dem reduzierten Bedarf angepasste Heizung verringert den Verbrauch noch einmal.

    Wolfgang Koenigsdorff:
    "Wenn man eine Gasheizung erneuert, dann ist die so genannte Brennwertheizung heute auf jeden Fall Stand der Technik, 24’25 und wenn man nicht über Gas verfügt, kommen Alternativen in Betracht, wie zum Beispiel Wärmepumpen oder auch die Kombination von Heizkessel und Solaranlage."

    Als optimal gilt derzeit eine Holzpelletheizung: Der Brennstoff wächst nach, die Forstwirtschaft verkauft das Brennmaterial günstig, in der Energiebilanz gilt der Brennstoff als CO2-neutral. Aber nicht nur den Kessel kann man verbessern, sondern auch die Radiatoren selbst.

    Die Art und Weise der Wärmeübertragung kann den Verbrauch ebenfalls beeinflussen. Wenn bei der Wahl des Heizungssystems berücksichtigt wird, dass der Mensch Strahlungswärme als angenehmer empfindet als warme Luft.

    Wolfgang Koenigsdorff:
    "Das Heizsystem selbst beeinflusst den Energieverbrauch auch, auf zwei Arten: Zum einen wenn ich Flächenheizungen habe wie Wandheizungen, Fußbodenheizungen oder auch großflächige Heizkörper, die viel Strahlungswärme abgeben, der Kachelofen-Effekt, dann profitiere ich von dieser Strahlungswärme im Raum und die Lufttemperatur kann abgesenkt werden. Wenn ich das dann auch tue, kann ich mit einer eher strahlungsorientierten Heizung bereits von vornherein Energie sparen."

    Solche Heizsysteme haben noch einen zweiten Vorteil: Sie ergänzen sich sehr gut mit sparsamen Brennwertkesseln oder Wärmepumpen, die Wärme aus der Erde ziehen.

    Wolfgang Koenigsdorff:
    "Dann ist zum Beispiel ein Vorteil dieser Flächenheizungssysteme, Fußbodenheizung, Wandheizung, dass sie mit sehr niedrigen Wassertemperaturen arbeiten, und damit gerade auch für Wärmepumpen oder Gas-Brennwertnutzung optimal geeignet sind, weil diese Systeme einfach geringe Temperaturen benötigen."

    Natürlich haben diese Systeme auch Nachteile. So reagiert eine Fußbodenheizung relativ träge. Aber das lässt sich durch eine Regeltechnik ausgleichen. Die Frage ist nur, wann sich diese Techniken rechnen. Oft bei den derzeitigen Preisen noch nicht.

    Wolfgang Koenigsdorff:
    "Lieber jetzt bekannte Investitionen als unbekannte Energiekosten im Alter, wenn ich von einer ebenso unbekannten Rentenhöhe leben muss."

    Deshalb spricht sich der Gebäudeklimatiker auch dafür aus, Häuser für den Einbau einer Solarthermie-Anlage vorzubereiten – selbst wenn die sich bei den heutigen Energiepreisen noch nicht rechnet.

    "Diese Leitungen, neben oder in einem Schornstein integriert, gleich beim Bau einzubauen, das sind jetzt nicht ganz Pfennigbeträge … Centbeträge, aber im Grunde genommen verschwinden die Mehrkosten."
    Gudrun Langmack und die neue Besitzerin stehen vor einem Ungetüm von Heizkessel. Mehr als mannshoch und fast ebenso breit strahlt die Ölheizung in hellem Orange. Doch ihre Tage sind gezählt.

    ""Was steht hier? Baujahr 78. Na, das ist doch klasse."
    "Aha?"
    "Schön."
    "Das heißt?"
    "Dass er auch ausgetauscht werden muss."

    Gemäß Energieeinsparverordnung bis Ende dieses Jahres. Die Frage ist wodurch?

    "Und sie wollen das Öl auch behalten?"
    "Muss nicht sein ..."
    "Den werden Sie sowieso ersetzen müssen. Und das heißt, hier könnten Sie auch mit Holzpellets arbeiten."

    "Genau (...) der Mann, mit dem ich gesprochen hatte, der hat auch wohl schon einige Pellets-Heizugen gebaut. Ist halt nur die Frage, vom Raumvolumen her, ob das ausreicht, diese Pellets zu lagern?"
    "Also ein Sacklager können Sie hier rein schon stellen, das würde völlig ausreichen, und da können Sie sich ein Lager bauen."

    Die neuen Besitzer werden künftig auf Holzpellets setzen. Im Energiepass wird sich das positiv auswirken. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff; er gilt damit als CO2-neutral.

    Eigentlich sollte der Energiepass für Altbauten wie diesen schon längst Pflicht sein. So wollte es die entsprechende Richtlinie der EU. Das Gesetzesverfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen; es hat noch nicht einmal begonnen. Derzeit liegt dem Bundeskabinett kein Referentenentwurf für die Erneuerung der Energieeinsparverordnung vor.

    Einige Details sind trotzdem schon klar: Der Energiepass wird den Verbrauch des Hauses auf einer Skala angeben. Geplant ist ein Farbband, links grün, in der Mitte gelb und rechts rot. Die Farben sollen dem Hausbesitzer Orientierung bieten, grün ist gut, rot ist schlecht.

    Waagerecht läuft ein weißes Band mit Zahlen durch die Skala; die Werte geben den mittleren Verbrauch des Hauses an, in Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter Fläche. Das ganze erinnert an einen Bandtachometer in alten Autos.

    Der Energiepass wird bundeseinheitlich sein. Ein Fortschritt gegenüber den Gebäudebedarfsausweisen für Neubauten. Diese Ausweise sind nicht bundesweit einheitlich geregelt. Nordrhein-Westfalen stellt andere aus als Bayern. Noch nicht klar ist allerdings, wer den Energiepass erstellen darf. Das können Bauphysiker oder Architekten sein, aber auch Handwerker oder Heizungsbauer. Auf jeden Fall müssten sie sich für diese Aufgabe weiterqualifizieren, um zu wissen, welche Angaben über das Haus wichtig – und welche Energiespar-Tipps sinnvoll sind.

    Unklar ist auch die Datenfrage. Es gibt zwei Möglichkeiten: Ein Haus kann einen bedarfsorientierten oder einen verbrauchsorientierten Pass erhalten. Beim Bedarfsorientierten wird aus den Daten über Zustand, Plan und Materialien eines Hauses ein theoretischer Heizungsbedarf errechnet. Beim verbrauchorientierten Pass dagegen werden die Heizungsabrechnungen der letzen drei oder fünf Jahre zusammengerechnet.

    Wolfgang Koenigsdorff:
    "Einige Jahre lang, bei denen ich mich auch damit befasst hab, wohnten so zwei Seelen in meiner Brust, inzwischen bin ich aber der Auffassung, dass wir um einen berechneten, bedarfsorientierten Energiepass nicht herumkommen, es ist wie beim Automobil."

    Hans Hertle:
    "Wenn Sie überlegen, Sie kaufen ein Auto und da steht drauf: sechs Liter Normverbrauch, und der Kunde vor Ihnen sagt, er hat aber nur drei Liter gebraucht, ich weiß nicht, ob Sie ihm glauben würden."

    Gudrun Langmack:
    "In gleichen Wohnungen werden zwei verschiedene Mieter zwei verschiedene Werte haben."

    Hans Hertle:
    "Der Verbrauch zumindest beim Einfamilienhaus weicht plusminus 50 Prozent vom Standartverbrauch ab. Das hilft Ihnen also nicht allzu viel, wenn Sie diesen Verbrauchspass haben, weil Sie eine komplett andere Nutzung haben als der Vorgänger."

    Gudrun Langmack:
    "Also ich bin dafür, dass man den rechnerischen Energiepass oder die rechnerischen Werte ermittelt. Weil man dann eine Chance hat, das Gebäude zu analysieren, die Schwachpunkte herauszufinden und wirklich auch Tipps und Anregungen zu geben, wo wirklich auch in kleinen überschaubaren Schritten der Bauherr sein Gebäude auf einen neuen Standart bringen kann."

    Das Schlimmste aber wäre, wenn beide Arten von Pässen zugelassen würden: Dann wäre überhaupt kein Vergleich zwischen zwei ähnlichen Häusern mehr möglich. Und die Idee, den Hausbesitzer durch die konkreten Tipps zu Energiesparmaßnahmen zu animieren, damit er Geld spart und insgesamt weniger Kohlendioxyd in die Luft bläst, wäre verloren. Genau das scheint allerdings derzeit der Plan zu sein.