Dina Netz: Eva Schulz-Jander ist katholische Präsidentin des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Dazu muss man sagen, dass es jeweils einen jüdischen, einen evangelischen und einen katholischen Präsidenten gibt. Frage an Sie, Frau Schulz-Jander, wie beurteilen Sie die jetzt entstandenen Friktionen? Ist das eine Kleinigkeit, über die in zwei Wochen niemand mehr spricht, oder ist hier ein richtiger Bruch entstanden?
Eva Schulz-Jander: Ich denke, hier ist ein richtig ernsthafter Bruch entstanden. Diese Entscheidung steht ja in einer Kette von Dekreten, die der Vatikan ausgesprochen hat. Das fing ja an vorigen März mit der Karfreitagsfürbitte, die so indirekt die Judenmission wieder enthielt, und dann die noch offen stehende Seligsprechung des Papstes Pius XII., dessen umstrittene Rolle ja noch gar nicht geklärt ist, wo sich der Vatikan auch weigert, das irgendwie auf Eis zu legen, bis man da alle Dokumente gesichtet hat. Und dann kam dieses Dekret, und das hat einfach dem Ganzen die Spitze aufgesetzt. Und da ist das Misstrauen und die Verunsicherung der jüdischen Gemeinschaft und auch der im Dialog engagierten Katholiken so hoch, und es ist entstanden, dass man sich jetzt ernsthaft sorgt, und sieht den Dialog schwer beschädigt und belastet. Da muss man auch noch dazusagen, den Zeitpunkt der Verkündigung, der Vatikan ist ja eine Institution, die sehr symbolhaft denkt und auch agiert. Und wenn man sich überlegt, das ist im Januar verkündet worden, also in Rom am 21. Januar, und am 25. Januar 1959 hat Papst Johannes XXIII. angekündigt, er wird ein Konzil einberufen, das die Kirche von gestern ins Heute bringt, also was er Aggiornamento nannte, und dann der 27. Januar, also der ...
Netz: Der Holocaust-Gedenktag.
Schulz-Jander: ... der Holocaust-Gedenktag. Und all das sind Signale, die ein solches Misstrauen, wirklich einen Bruch verursacht haben.
Netz: Frau Schulz-Jander, jetzt ist ja dieser Abbruch der Gespräche zwischen Frau Knobloch und der katholischen Kirche erst mal nur ein Streit zwischen Institutionen. Wie äußert sich denn dieses Misstrauen, nach dem, was Sie beobachten, im ganz alltäglichen Miteinander von jüdischen und christlichen Gläubigen?
Schulz-Jander: Im Augenblick reden wir über nichts anderes. Unsere Vorstandsmitglieder, also ein Vorstandsmitglied, der in einem Altenheim arbeitet, wo eben sehr viele Holocaust-Überlebende noch sind, dem wurde geraten, aus dem Vorstand auszutreten. Also so ein konsequenter Akt. Das wird er natürlich nicht machen, denn man kann nur wirken und hoffen, dass dieses ein Bruch ist, der aber noch zu heilen ist. Brüche kann man ja auch heilen. Die Frage ist nur, wie. Aber man kann durch Rücktritte nicht heilen, aber ich denke, so deutliche Zeichen, wie Frau Knobloch, die Rabbinerkonferenz gesetzt haben, müssen gesetzt werden, damit der Vatikan merkt .., weil Papst Benedikt, der ist eigentlich jemand, der hochintelligent ist, der sich des Ganzen bewusst sein muss, aber der auch den Dialog sehr hoffnungsvoll in Köln begonnen hat, wenn Sie sich erinnern. Das war ein so hoffnungsvoller Zeitpunkt. Und jetzt diese Schläge, drei hintereinander, und er denkt zu stark innerkirchlich und zu wenig dialogisch. Und ich glaube, das muss jetzt dem Vatikan mal klargemacht werden, dass die Kirche nicht in einem luftleeren Raum operiert, sondern in einer Welt mit anderen Religionen. Und das Skandalöse ist ja, Williamson natürlich, der also der Skandalöseste von allen ist, aber auch die ganze Gruppe, steht ja nicht, wenn Sie so wollen, auf dem Boden der katholischen Kirche, weil sie Vatikan II und vor allem Nostra Aetate ablehnen. Und Nostra Aetate ist ja das Dokument, das ein neues Verhältnis zum Judentum etabliert. Und jetzt werden Menschen oder viele Bischöfe aufgenommen in den Schoß der Kirche in aller Barmherzigkeit, wenn man das Wort überhaupt aussprechen kann, ohne dass sie auf dem Boden der katholischen Kirche stehen. Und das ist für Katholiken und die jüdische Gemeinschaft einfach unverständlich.
Eva Schulz-Jander: Ich denke, hier ist ein richtig ernsthafter Bruch entstanden. Diese Entscheidung steht ja in einer Kette von Dekreten, die der Vatikan ausgesprochen hat. Das fing ja an vorigen März mit der Karfreitagsfürbitte, die so indirekt die Judenmission wieder enthielt, und dann die noch offen stehende Seligsprechung des Papstes Pius XII., dessen umstrittene Rolle ja noch gar nicht geklärt ist, wo sich der Vatikan auch weigert, das irgendwie auf Eis zu legen, bis man da alle Dokumente gesichtet hat. Und dann kam dieses Dekret, und das hat einfach dem Ganzen die Spitze aufgesetzt. Und da ist das Misstrauen und die Verunsicherung der jüdischen Gemeinschaft und auch der im Dialog engagierten Katholiken so hoch, und es ist entstanden, dass man sich jetzt ernsthaft sorgt, und sieht den Dialog schwer beschädigt und belastet. Da muss man auch noch dazusagen, den Zeitpunkt der Verkündigung, der Vatikan ist ja eine Institution, die sehr symbolhaft denkt und auch agiert. Und wenn man sich überlegt, das ist im Januar verkündet worden, also in Rom am 21. Januar, und am 25. Januar 1959 hat Papst Johannes XXIII. angekündigt, er wird ein Konzil einberufen, das die Kirche von gestern ins Heute bringt, also was er Aggiornamento nannte, und dann der 27. Januar, also der ...
Netz: Der Holocaust-Gedenktag.
Schulz-Jander: ... der Holocaust-Gedenktag. Und all das sind Signale, die ein solches Misstrauen, wirklich einen Bruch verursacht haben.
Netz: Frau Schulz-Jander, jetzt ist ja dieser Abbruch der Gespräche zwischen Frau Knobloch und der katholischen Kirche erst mal nur ein Streit zwischen Institutionen. Wie äußert sich denn dieses Misstrauen, nach dem, was Sie beobachten, im ganz alltäglichen Miteinander von jüdischen und christlichen Gläubigen?
Schulz-Jander: Im Augenblick reden wir über nichts anderes. Unsere Vorstandsmitglieder, also ein Vorstandsmitglied, der in einem Altenheim arbeitet, wo eben sehr viele Holocaust-Überlebende noch sind, dem wurde geraten, aus dem Vorstand auszutreten. Also so ein konsequenter Akt. Das wird er natürlich nicht machen, denn man kann nur wirken und hoffen, dass dieses ein Bruch ist, der aber noch zu heilen ist. Brüche kann man ja auch heilen. Die Frage ist nur, wie. Aber man kann durch Rücktritte nicht heilen, aber ich denke, so deutliche Zeichen, wie Frau Knobloch, die Rabbinerkonferenz gesetzt haben, müssen gesetzt werden, damit der Vatikan merkt .., weil Papst Benedikt, der ist eigentlich jemand, der hochintelligent ist, der sich des Ganzen bewusst sein muss, aber der auch den Dialog sehr hoffnungsvoll in Köln begonnen hat, wenn Sie sich erinnern. Das war ein so hoffnungsvoller Zeitpunkt. Und jetzt diese Schläge, drei hintereinander, und er denkt zu stark innerkirchlich und zu wenig dialogisch. Und ich glaube, das muss jetzt dem Vatikan mal klargemacht werden, dass die Kirche nicht in einem luftleeren Raum operiert, sondern in einer Welt mit anderen Religionen. Und das Skandalöse ist ja, Williamson natürlich, der also der Skandalöseste von allen ist, aber auch die ganze Gruppe, steht ja nicht, wenn Sie so wollen, auf dem Boden der katholischen Kirche, weil sie Vatikan II und vor allem Nostra Aetate ablehnen. Und Nostra Aetate ist ja das Dokument, das ein neues Verhältnis zum Judentum etabliert. Und jetzt werden Menschen oder viele Bischöfe aufgenommen in den Schoß der Kirche in aller Barmherzigkeit, wenn man das Wort überhaupt aussprechen kann, ohne dass sie auf dem Boden der katholischen Kirche stehen. Und das ist für Katholiken und die jüdische Gemeinschaft einfach unverständlich.