Stefan Koldehoff: An sie die Frage, wie ist die Idee entstanden, statt der Bilder ihre Rückseiten zu zeigen?
Ute Haug: Also es gab zwei Ideen im Haus der Hamburger Kunsthalle, ein Kollege hatte die Idee, die Rückseiten der Bilder, die auch zum Teil bemalt sind, zu präsentieren und die andere Idee kam von meiner Seite, nämlich all die Dinge, die man sonst nicht sieht, zu präsentieren. Das sind zum Beispiel Skizzen bei Handzeichnungen, das sind aber auch Dokumente, Aufkleber, Aufschriften, aber auch zum Beispiel restauratorische Eingriffe in Gemälde, Parkettierungen, also Konstruktionen von Bildrückseiten oder eben auch des Materials, der Leinwand und des Holzes selber. Und diese Bandbreite zu zeigen, das war das Anliegen.
Koldehoff: Das heißt, diese Rückseiten geben für sie als Wissenschaftlerin Aufschluss über zwei Dinge, nämlich erstens über die Entstehung des Bildes selbst, gab es Vorzeichnungen, gab es Skizzen, gibt es Anmerkungen und zweitens über den Weg, den das Bild dann später genommen hat, über die so genannte Provenienz, habe ich das richtig verstanden?
Haug: Ja, das kann man so sagen, wobei die Rückseiten nicht immer unbedingt auch Rückschlüsse für die Vorderseite geben. Also es können Kunstwerke zum Beispiel dort zu sehen sein, die aus einer ganz anderen Schaffensperiode stammen, das ist bei Kirchner zum Beispiel der Fall oder Vorwerke für ganz andere Kunstwerke sind. Also da findet man, gerade wenn das bildhaft gestaltete Rückseiten sind, sehr unterschiedliche Sachen oder zum Beispiel auch Handzeichnungen von ganz anderen Künstlern. Also, wo die Vorderseite von einem anderen Künstler ist und die Rückseite wieder von einem anderen Künstler. Und der zweite Aspekt natürlich ist, dass man viel über die Provenienz des Kunstwerkes aussagen kann bis zur Frage, handelt es sich um ein echtes Gemälde oder nicht. Also, dass das dann auch einfließt in diese Fragestellung.
Koldehoff: Nehmen wir das Beispiel Ernst Ludwig Kirchner, das Sie gerade genannt haben. Da gibt es ein Bild in der Ausstellung, das heißt, das Wohnzimmer, ist bezeichnet 1908 Schrägstrich 1923. Heißt das, eine Seite 1908, die andere dann 15 Jahre später entstanden?
Haug: Korrekt, ja. Also das Wohnzimmer ist also erst später, 1923, entstanden in seiner frühen Schweizer Zeit, die Leinwand selber hat er eben schon sehr viel früher bemalt, nämlich in seiner Dresdner Zeit 1908 und auf der Rückseite kann man sehr schön das Dresdner Brücke-Atelier erkennen mit mehreren Akten, mit diesem Vorhang, den die Künstler dort entworfen hatten. Und diese Leinwand hatte er gerollt mit in die Schweiz bringen lassen von seiner Frau Erna und deswegen ist der Zustand der Rückseite auch sehr schlecht, aber eben halt für die Einschätzung des Kunstwerkes in das Oeuvre von Kirchner natürlich sehr wichtig.
Koldehoff: Man kennt ja das Gefühl, wenn man durch ein Museum geht, das würde ich jetzt gerne mal umdrehen, da würde ich gerne mal hinter schauen, Sie haben als Museumsmitarbeiterin ständig die Gelegenheit so was zu tun oder im Depot sich die Bilder von Vorder- und Rückseite anzugucken. Hat es trotzdem Überraschungen für Sie gegeben?
Haug: Auf jeden Fall hat es Überraschungen gegeben, weil diese systematische Ansicht der Rückseiten, wie ich das versucht haben vorzunehmen, ich habe das natürlich auch nicht für den gesamten Bestand der Kunsthalle machen können, weil die Rückseiten ja immer geschützt sind und das muss extra abgenommen werden, das habe ich eben im Zuge meiner Provenienzforschungstätigkeit in der Hamburger Kunsthalle vorgenommen, da ich halt die Rückseite vornehmlich erst mal als Quelle betrachte und hoffe, dass ich dort Hinweise auf die Herkunft des Gemäldes finde. Und dort hat man durchaus Überraschungen gefunden und Hinweise, die man zuvor nicht so wahrgenommen hatte.
Koldehoff: Dann muss ich jetzt natürlich die Frage anschließen, muss sich die Hamburger Kunsthalle von dem einem oder anderen Bild aus dem einen oder anderen Grund trennen, sei es wegen der Provenienz, weil es vielleicht ein Raubkunstbild war oder sei es auch, weil es abgeschrieben werden muss und man aufgrund ihrer Rückseitenforschung erkannt hat, es ist gar nicht von dem und dem Künstler?
Haug: Also bisher ist das nicht der Fall, das kann aber kommen. Das kann überall passieren, das ist nichts spezifisches für die Hamburger Kunsthalle. Bei den Handzeichnungen zum Beispiel ist das im Moment gang und gäbe, dass zu- und abgeschrieben wird, da wir halt dort ein großes Forschungsprojekt haben, das die Zeitstiftung unterstützt, wo die Handzeichnungen der deutschen, der italienischen und der niederländischen Meister aufgearbeitet werden und da gab es doch durchaus aufgrund der Analyse auch Überraschungen in Bezug auf die Einstufung der Vorderseite.
Koldehoff: Ein schöner Rücken kann auch entzücken, die Kunsthistorikerin Ute Haug über die Ausstellung die Rücken der Bilder, zu sehen in der Hamburger Kunsthalle.
Ute Haug: Also es gab zwei Ideen im Haus der Hamburger Kunsthalle, ein Kollege hatte die Idee, die Rückseiten der Bilder, die auch zum Teil bemalt sind, zu präsentieren und die andere Idee kam von meiner Seite, nämlich all die Dinge, die man sonst nicht sieht, zu präsentieren. Das sind zum Beispiel Skizzen bei Handzeichnungen, das sind aber auch Dokumente, Aufkleber, Aufschriften, aber auch zum Beispiel restauratorische Eingriffe in Gemälde, Parkettierungen, also Konstruktionen von Bildrückseiten oder eben auch des Materials, der Leinwand und des Holzes selber. Und diese Bandbreite zu zeigen, das war das Anliegen.
Koldehoff: Das heißt, diese Rückseiten geben für sie als Wissenschaftlerin Aufschluss über zwei Dinge, nämlich erstens über die Entstehung des Bildes selbst, gab es Vorzeichnungen, gab es Skizzen, gibt es Anmerkungen und zweitens über den Weg, den das Bild dann später genommen hat, über die so genannte Provenienz, habe ich das richtig verstanden?
Haug: Ja, das kann man so sagen, wobei die Rückseiten nicht immer unbedingt auch Rückschlüsse für die Vorderseite geben. Also es können Kunstwerke zum Beispiel dort zu sehen sein, die aus einer ganz anderen Schaffensperiode stammen, das ist bei Kirchner zum Beispiel der Fall oder Vorwerke für ganz andere Kunstwerke sind. Also da findet man, gerade wenn das bildhaft gestaltete Rückseiten sind, sehr unterschiedliche Sachen oder zum Beispiel auch Handzeichnungen von ganz anderen Künstlern. Also, wo die Vorderseite von einem anderen Künstler ist und die Rückseite wieder von einem anderen Künstler. Und der zweite Aspekt natürlich ist, dass man viel über die Provenienz des Kunstwerkes aussagen kann bis zur Frage, handelt es sich um ein echtes Gemälde oder nicht. Also, dass das dann auch einfließt in diese Fragestellung.
Koldehoff: Nehmen wir das Beispiel Ernst Ludwig Kirchner, das Sie gerade genannt haben. Da gibt es ein Bild in der Ausstellung, das heißt, das Wohnzimmer, ist bezeichnet 1908 Schrägstrich 1923. Heißt das, eine Seite 1908, die andere dann 15 Jahre später entstanden?
Haug: Korrekt, ja. Also das Wohnzimmer ist also erst später, 1923, entstanden in seiner frühen Schweizer Zeit, die Leinwand selber hat er eben schon sehr viel früher bemalt, nämlich in seiner Dresdner Zeit 1908 und auf der Rückseite kann man sehr schön das Dresdner Brücke-Atelier erkennen mit mehreren Akten, mit diesem Vorhang, den die Künstler dort entworfen hatten. Und diese Leinwand hatte er gerollt mit in die Schweiz bringen lassen von seiner Frau Erna und deswegen ist der Zustand der Rückseite auch sehr schlecht, aber eben halt für die Einschätzung des Kunstwerkes in das Oeuvre von Kirchner natürlich sehr wichtig.
Koldehoff: Man kennt ja das Gefühl, wenn man durch ein Museum geht, das würde ich jetzt gerne mal umdrehen, da würde ich gerne mal hinter schauen, Sie haben als Museumsmitarbeiterin ständig die Gelegenheit so was zu tun oder im Depot sich die Bilder von Vorder- und Rückseite anzugucken. Hat es trotzdem Überraschungen für Sie gegeben?
Haug: Auf jeden Fall hat es Überraschungen gegeben, weil diese systematische Ansicht der Rückseiten, wie ich das versucht haben vorzunehmen, ich habe das natürlich auch nicht für den gesamten Bestand der Kunsthalle machen können, weil die Rückseiten ja immer geschützt sind und das muss extra abgenommen werden, das habe ich eben im Zuge meiner Provenienzforschungstätigkeit in der Hamburger Kunsthalle vorgenommen, da ich halt die Rückseite vornehmlich erst mal als Quelle betrachte und hoffe, dass ich dort Hinweise auf die Herkunft des Gemäldes finde. Und dort hat man durchaus Überraschungen gefunden und Hinweise, die man zuvor nicht so wahrgenommen hatte.
Koldehoff: Dann muss ich jetzt natürlich die Frage anschließen, muss sich die Hamburger Kunsthalle von dem einem oder anderen Bild aus dem einen oder anderen Grund trennen, sei es wegen der Provenienz, weil es vielleicht ein Raubkunstbild war oder sei es auch, weil es abgeschrieben werden muss und man aufgrund ihrer Rückseitenforschung erkannt hat, es ist gar nicht von dem und dem Künstler?
Haug: Also bisher ist das nicht der Fall, das kann aber kommen. Das kann überall passieren, das ist nichts spezifisches für die Hamburger Kunsthalle. Bei den Handzeichnungen zum Beispiel ist das im Moment gang und gäbe, dass zu- und abgeschrieben wird, da wir halt dort ein großes Forschungsprojekt haben, das die Zeitstiftung unterstützt, wo die Handzeichnungen der deutschen, der italienischen und der niederländischen Meister aufgearbeitet werden und da gab es doch durchaus aufgrund der Analyse auch Überraschungen in Bezug auf die Einstufung der Vorderseite.
Koldehoff: Ein schöner Rücken kann auch entzücken, die Kunsthistorikerin Ute Haug über die Ausstellung die Rücken der Bilder, zu sehen in der Hamburger Kunsthalle.