Archiv

Parlamentswahl in Italien
Renzi tritt als Parteichef zurück

Die Parlamentswahl hat viele Gewinner, aber keinen klaren Sieger hervorgebracht. Regieren kann nach jetzigem Stand keine der Parteien. Nicht nur deshalb birgt das Wahlergebnis Unsicherheiten für Europa. Und beim Wahlverlierer tritt der Parteichef zurück.

    Matteo Renzi am Wahltag in Florenz/Italien
    Matteo Renzi am Wahltag in Florenz/Italien (imago stock&people)
    Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung wird ersten Teilergebnissen zufolge auf knapp 32 Prozent kommen und damit stärkste Kraft sein. Das rechte Parteienbündnis aus der rechtspopulistischen Lega und Silvio Berlusconis Partei Forza Italia erreicht gemeinsam rund 37 Prozent. Die regierenden Sozialdemokraten (DP) kamen mit unter 20 Prozent auf Platz drei und räumten bereits ihre Niederlage ein.
    "Das ist eine sehr klare Niederlage für uns", sagte der scheidende DP-Minister Michele Martina in Rom. Nach der Schlappe für die Sozialdemokraten bei der italienischen Parlamentswahl hat Matteo Renzi nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa entschieden, als Chef der
    Partei PD zurückzutreten.
    Vor allem im Süden entschied die Fünf-Sterne-Bewegung die Wahl für sich. "Jetzt müssen alle mit uns reden", sagte Alessandro Di Battista, der in Italien zu den bekanntesten Köpfen der Fünf-Sterne-Bewegung zählt. Er sprach von einem "Triumph" und einer "wahren Vergöttlichung", sollten sich die Berechnungen der Meinungsforscher bestätigen.
    Der Spitzenpolitiker der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi di Maio, gibt seine Stimme bei den Wahlen in Italien ab.
    Der Spitzenpolitiker der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi di Maio, gibt seine Stimme bei den Wahlen in Italien ab. (AFP / Carlo Hermann)
    Sorge vor Salvini als möglichem Regierungschef
    Im Norden dominierte das Mitte-Rechts-Bündnis. Innerhalb der Allianz wurde Berlusconis konservative Forza Italia von der rechten Lega-Partei überholt - ein Erfolg für Matteo Salvini, der der Partei als Chef mit fremdenfeindlichen Parolen in der Migrationskrise Gehör verschafft hatte. "Wir haben das Recht und die Pflicht zu regieren", sagte Salvini am Montag. Europa müsse neu errichtet werden, und zwar um die Menschen herum und nicht um die Bürokratie. "Wir sind in Europa, aber wir wollen ein anderes Europa." Der Mitte-Rechts-Block kommt insgesamt auf 37 Prozent, verfehlt aber die nötige Anzahl der Mandate, um eine Regierung bilden zu können. "Wir werden sehen, wie viele fehlen und wo wir diese finden werden", sagte Salvini. "Wir sprechen mit allen." Ein breites Bündnis schloss er aber aus. "Ich bin und bleibe ein stolzer Populist."
    Sollte die Lega-Partei tatsächlich stärkste Kraft in dem Parteienbündnis werden und eine Regierung bilden können, reklamiert Matteo Salvini den Posten des Regierungschefs für seine Partei. Seit Juni 2015 ist Salvini Mitglied der neugegründeten Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit im Europaparlament, einem Bündnis rechtspopulistischer und rechtsextremer Politiker.
    Dem früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ist die Rückkehr an die Regierungsspitze wegen einer gerichtlichen Verurteilung verwehrt. Sollte die FI eine künftige Regierung führen, könnte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani Ministerpräsident werden. Allerdings sind Experten zufolge 40 bis 45 Prozent der Stimmen für eine Mehrheit der Sitze erforderlich. Damit zeichnet sich wie erwartet eine schwierige Regierungsbildung ab.
    Investoren und andere europäische Hauptstädte erfüllte die Aussicht auf einen möglichen Regierungschef aus dem Lager der Lega mit Besorgnis. Zu dem rechten Bündnis gehören neben Forza Italia und Lega noch die neofaschistische Partei Fratelli d'Italia (FDI) von Giorgia Meloni und Raffaele Frittos Wir mit Italien (NCI).
    Politologe: Regierung hatte ordentliche Bilanz
    Der Wahlkampf war bestimmt von den Themen Migration, innere Sicherheit und Wirtschaft. Die Regierung von Ministerpräsident Paolo Gentiloni habe zwar eigentlich eine anständige Bilanz vorzuweisen und Italien aus der schwersten Krise herausgeführt, sagte der Politikwissenschaftler Roman Maruhn im Deutschlandfunk. Doch in den untersten sozialen Schichten sei das nicht angekommen. Zudem hätten das Thema Migration und die vermeintliche Benachteiligung von Italienern gegenüber Ausländern auf einmal eine so große Bedeutung gewonnen, dass es den rechten Parteien leicht gemacht worden sei, das in Stimmen umzusetzen.
    Die hart geführten Auseinandersetzungen wurden von Zusammenstößen zwischen Rechtsextremen und Antifaschisten begleitet. Die einst regionale Partei Lega aus dem Norden Italiens hatte erst kurz vor der Wahl einen Schwenk vollzogen und den Bestandteil Nord aus ihrem Namen gestrichen, um landesweit um Wählerstimmen zu werben.
    Neues Wahlrecht angewendet
    Die Wahl erfolgte erstmals nach dem im Oktober verabschiedeten neuen Wahlrecht. Die neuen Regeln machen eine Vorhersage des Ergebnisses noch schwieriger und verringern die Chance, dass eine Partei die absolute Mehrheit in einer der beiden Parlamentskammern erreicht. Durch das neue Wahlrecht werden vor der Wahl geschlossene Parteienbündnisse begünstigt.
    Etwa 50 Millionen Stimmberechtigte waren aufgerufen, über die Verteilung der 630 Sitze im Abgeordnetenhaus und die 315 Senatorenposten abzustimmen. Die Wahllokale waren bis 23 Uhr geöffnet. Zum Auftakt der Wahl hatte es Sonntag früh einige Pannen gegeben. In Palermo auf Sizilien und in Mantua öffneten Wahllokale erst mit Verspätung, weil tausende fehlerhafte Wahlzettel neu gedruckt werden mussten.
    (nch/jcs)