Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Parteienverbot nicht nötig

Der rechte Rand in Dänemark organisiert sich derzeit straffer. Im Land gibt es aber keine ernsthafte politische Diskussion über Verbote rechter Gruppen. Es herrscht Einigkeit darüber, dass politischer Extremismus konfrontiert werden solle, anstatt ihn durch Verbote zu stärken.

Von Marc-Christoph Wagner | 05.12.2012
    Es war eine Schlagzeile der linksliberalen Tageszeitung "Politiken", die den Dänen die Augen öffnete. Im Sommer vergangenen Jahres berichtete "Politiken" von einem rechtsextremen Netzwerk. Etwa 100 Personen stark, operiere es seit zwei Jahrzehnten im Land. In all den Jahren, so der verantwortliche Redakteur der investigativen Artikelserie John Hansen, habe es seine Aktivitäten vor der Öffentlichkeit verbergen können.

    "Die Sprache dieser Leute und die Themen, die sie miteinander diskutierten, überraschten mich nicht. Das waren primitive, dumpfe, rassistische, ja Nazi verherrlichende Klischees. Nein, was mich überraschte, war, wer dahinter steckte. Das waren wohlsituierte Leute, Unternehmer und leitende Angestellte in der öffentlichen Verwaltung – ein gutbürgerliches Milieu also."

    Ein Einzelfall? Gewiss nicht. Der dänische Verfassungsschutz, PET, musste konstatieren, dass auch in Dänemark ein rechtsextremes Milieu vorhanden sei, das sich gar auf einen Rassenkrieg vorbereite.

    "Es sind mehrere hundert Personen, von denen Einzelne als gewaltbereit eingestuft werden müssen."

    Noch sehr viel deutlicher, als der amtierende Chef des dänischen Verfassungsschutzes, Jakob Scharf, wird sein Amtsvorgänger Hans Jørgen Bønnichsen:

    "Ohne Frage ist das eine ernste Entwicklung. Natürlich ist die Zahl der Rechtsextremisten bei uns in Dänemark relativ klein, aber sie bilden ein Milieu mit einer Vorstellungswelt, aus der heraus sich Leute wie Anders Behring Breivik entwickeln können oder auch eine Gruppe, wie wir sie jüngst in Deutschland erlebt haben, die neun Ausländer und eine Polizistin ermordet haben."

    Bønnichsen empfiehlt unter anderem die systematische Überwachung des Internets, wie auch präventive Gespräche mit Jugendlichen, die dabei sind, in links- oder rechtsextremistische Milieus hineinzuwachsen.

    "Kurz nach dem Attentat in Norwegen sagte die Leiterin des norwegischen Verfassungsschutzes, selbst die Stasi hätte einen Anders Behring Breivik nicht aufspüren können. Ich meine, das ist eine totale Kapitulation. Natürlich lassen sich selbst solche einsamen Wölfe aufspüren, nur darf man die Verantwortung dafür nicht alleine den Behörden auferlegen. Jeder Bürger trägt Verantwortung. Und wenn wir in unserem Umfeld Personen entdecken, die mit radikalen Ansichten flirten, müssen wir einschreiten."

    Derzeit ist der rechte Rand in Dänemark dabei, sich straffer zu organisieren. Und mit der im vergangenen Jahr gegründeten Partei der Dänen hat er auch eine neue politische Repräsentation bekommen, die offen gegen Ausländer und die EU hetzt. Trotzdem gibt es im Land keine ernsthafte politische Diskussion darüber, ob solche Gruppierungen verboten werden sollten. Vielmehr herrscht parteiübergreifende Einigkeit darüber, dass man selbst politischen Extremismus offen konfrontiert, anstatt ihn durch Verbote und Dämonisierung noch zu stärken.

    Denn genau damit haben die Dänen in jüngerer Vergangenheit durchaus schlechte Erfahrungen gemacht. Durch seine Aussage, stubenrein, also politisch gesellschaftsfähig werde die rechtspopulistische Dänische Volkspartei nie werden, hat der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen 1999 wohl erst recht zum Anwachsen der Partei beigetragen. Zwei Jahre später war sie die drittgrößte Gruppierung im dänischen Parlament und diente zehn Jahre lang als Mehrheitsbeschafferin für eine bürgerliche Regierung. Die Einbindung ins Parlament wiederum hat wohl auch dazu beigetragen, dass sich rechtsextremistische Parteien neben den Rechtspopulisten in Dänemark nie ernsthaft haben etablieren können, so der Journalist John Hansen von der Tageszeitung Politiken:

    "Eine Partei wie die Dänische Volkspartei, die bei Wahlen immer wieder einen Stimmenanteil von zwölf, dreizehn Prozent erreicht, absorbiert die Stimmung im Volk, die Zuwanderung und fremden Kulturen gegenüber skeptisch ist. Die Volkspartei gibt diesen Bürgern eine Stimme und kanalisiert deren Unmut hinein in die öffentlich-demokratische Debatte. Ich meine, das ist gesund, denn – ob wir es nun gut finden oder nicht – derlei Haltungen sind in der Bevölkerung vorhanden."