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Parteiwahlkampf in Frankreich
Sarkozy will zurück an die Macht

Die Mitglieder der konservativen Parteibewegung UMP in Frankreich wählen einen neuen Vorsitzenden. Als Favorit gilt Nicolas Sarkozy. Dessen Comeback auf die politische Bühne spaltet das Land, seine Anhänger aber feiern ihn treu. Für Sarkozy soll der Parteivorsitz auch das Trampolin zurück in den Élysée-Palast sein.

Von Ursula Welter | 28.11.2014
    Ein blauer Aufkleber mit dem Gesicht von Nicolas Sarkozy und dem Satz "Mon Président".
    Nicolas Sarkozy steht vor einem Comeback - als UMP-Parteichef und auch als Präsident Frankreichs? (Deutschlandradio / Ursula Welter)
    Zwei ältere Damen, die eine blond, die andere brünett, sitzen in der vorletzten Reihe. Die Turnhalle prall gefüllt, die Ränge geöffnet, und doch müssen viele Besucher in den Gängen stehen: "Sarkozy zuhören, eventuell unterstützen", sagen die beiden Frauen zunächst vorsichtig ins Mikrofon. Aber eigentlich sind sie große Fans des Ex-Präsidenten. Die blonde Dame im rosa Pullover wagt sich als erste aus der Deckung: "Ich habe Nicolas Sarkozy immer unterstützt. Er ist der Beste, um uns aus diesem Joch herauszuholen, er hat Elan, ist entschlossen – anders als unser schlapper Präsident..."
    Nicolas Sarkozy steht auf der Bühne. Im Rücken Europa- und Frankreichflagge. Über ihm tickt die Digitaluhr der Turnhalle, an den Wänden blaue Plakate – "Mein Präsident – Nicolas kommt zurück". "Die Partei brauche dringend Autorität", haben die Vorredner gesagt. Sarkozy hat sich das lächelnd, vom Klubsessel aus angehört, die Hände ständig in Bewegung, die Gesichtszüge auch – jetzt gehört das Stehpult ihm. Mit einer ersten Handbewegung bringt er Ruhe in den Saal, mit einer zweiten die Leute zurück auf ihre Stühle, auch Ehefrau Carla Bruni, die in der ersten Reihe sitzt.
    Das Departement Hauts-de-Seine, am Seine-Ufer, westlich von Paris, "besondere Gefühle" verbinde er damit: "Hier, in Boulogne-Billancourt, habe ich mein erstes politisches Meeting abgehalten, 1974, auf der Schlittschuhbahn." Lachen im Saal über die Anspielung auf das glatte, politische Parkett. "Wir lieben den Erfolg." Münzt Sarkozy die Anspielung auf seine Karriere in sein aktuelles, politisches Programm um.
    Sarkozy will "keine Keilerei"
    Flapsige Bemerkungen über seine Mitbewerber um den Parteivorsitz verkneift er sich. Wie alle im Saal, hat Sarkozy längst den Präsidentschaftswahlkampf 2017 vor Augen. Und da heißt sein Hauptrivale derzeit Alain Juppé, Bürgermeister von Bordeaux, der die Partei zum Zentrum hin öffnen will und dafür zuletzt ausgepfiffen wurde. Sarkozy hatte sich das tatenlos angehört. Heute Abend gibt er sich unschuldig: "Ich will keine Keilerei mit Niemandem in meiner politischen Familie", empfiehlt sich Sarkozy dem Publikum als der Garant der Einheit, an der es der Partei mangelt: "Das Spektakel der vergangenen zwei Jahre war erniedrigend, das will ich nicht noch einmal erleben." Anspielung auf die Schlammschlacht um den Parteivorsitz vor zwei Jahren.
    Erst einmal an der Spitze will Sarkozy in der UMP, deren Namen er nicht mehr ausspricht, alles auf Null stellen, neue Bezeichnung, neue Struktur. Mancher in der Partei wüsste gerne Genaueres, aber an diesem Abend zählen die großen Linien: "Raus aus dem Schengen-Raum, neue Einwanderungsregeln." "Statt Integration vielleicht doch über Assimilation sprechen?" "Die Konservativen stark machen, damit die Republik nicht vor die Wahl gestellt wird zwischen dem extremen Front National und denen" – also den regierenden Sozialisten.
    Fans sind zufrieden
    Als unbeliebter Präsident 2012 abgewählt, 2014 zurück auf der politischen Bühne, in diverse Affären verstrickt, nicht zuletzt in die um seine Wahlkampffinanzierung 2012 - und doch Jubel in allen Sälen des Landes, die Sarkozy in den vergangenen Wochen abgeklappert hat.
    "Das ist nicht einfach zu erklären. Er hat auch Fehler gemacht, aber da war die Krise – in jedem Fall hat nur er die Statur ein echter Partner für Angela Merkel zu sein, anders als unser aktueller Präsident." "Man schämt sich ja", pflichtet die Dame im braunen Pullover bei. Auf dieser Welle schwimmt Sarkozy.
    Das Publikum kauft im offenbar seine Leidenschaft für das Land ab, lacht mit ihm als er Anspielungen auf "hyperaktive" Menschen macht: "Mit Eurer Stimme gebt ihr mir eure Kraft und Legitimität. Wenn ihr sie mir vorenthaltet, habe ich weniger Kraft und Legitimität", wirbt Sarkozy um jede Stimme. In der vorletzten Reihe der Turnhalle Boulogne-Billancourt sind ihm zwei davon sicher: "Ich bin sehr zufrieden." Beide Damen erheben sich von ihren Plätzen, applaudieren: "Genau, wie es sein sollte." "Wir mögen ihn immer noch so." Und als die Marseillaise gesungen wird, fließen Tränen über die faltigen Gesichter.