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Passion zum Holz

Es gibt wahrscheinlich kein zweites Land, welches im Umgang mit diesem Material eine solche Meisterschaft erreicht hat. Und diese Meisterschaft, die macht sich halt fest besonders in zweierlei, einmal in handwerklicher Präzision und zum zweiten darüber hinaus in einer ganz besonderen Sensibilität gegenüber den ästhetischen Qualitäten des Materials.

Von Astrid Nettling | 07.02.2005
    Christoph Henrichsen weiß, wovon er spricht. Als Schreinermeister wie als promovierter Kunsthistoriker und Japanologe steht er mit Land und Werkstoff auf vertrautem Fuß. Holz ist seine Passion seit Kindertagen, die durch seine davon geradezu besessene Großmutter geweckt wurde, sein Interesse an Japan und japanischem Holzhandwerk erwachte, als er mit sechzehn einen japanischen Geigenbauer kennenlernte, der sich in Deutschland niedergelassen hatte.

    Ein ganz hervorragender Handwerker und irgendwie auch ein typisch japanischer Handwerker, weil er nämlich überhaupt nicht sprach, also die Kommunikation war auf das Allerwesentlichste beschränkt. Ich hab aber gesehen, dass der da viel japanisches Werkzeug rumliegen hatte, und hab ihn irgendwann darauf angesprochen, und da ist er ganz plötzlich aufgetaut und hat mir dann drei Stunden lang sein ganzes Handwerkszeug gezeigt, und das war, wo ich gedacht habe, ach, die haben so interessantes Handwerkszeug, da musst du irgendwann mal hinfahren und dir ein paar Werkzeuge kaufen.

    Tatsächlich reiste Christoph Henrichsen im Anschluss an Schreinerlehre und Gesellenjahre nach Japan, besuchte Werkstätten, lernte die unterschiedlichen Holzberufe kennen und war fasziniert von der konzentrierten Arbeitsweise, dem tiefen Materialverständnis und der außergewöhnlichen Schönheit ihrer Produkte. Weitere Japanaufenthalte folgten, davon drei Jahre bei einer Tempelrestaurierung auf dem Tempelberg Kôyasan, und schließlich nach beendeter Meisterprüfung und Promotion der Beginn einer systematischen Recherche japanischer Holzberufe, deren Dokumentation er nun vorlegt. Angefangen vom Brücken-, Tempel- und Häuserbau, über Innenausbau, Möbel-, Behältnisse- und Geräteherstellung bis zu Spiele- und Instrumentenbau führt das Buch eindrucksvoll vor Augen, wie sehr Japan tatsächlich eine 'Holzkultur' ist. Ursprünglich fast vollständig bewaldet, war Holz bis zum frühen 20. Jahrhundert der einzige Baustoff für sowohl einfachste wie anspruchsvollste Bauaufgaben, was eine ungeheure Spezialisierung der Holzberufe mit sich brachte.

    Auch heute noch existieren an die 100 Holzberufe. Sie reichen unter anderem vom Tempel- und Schreinzimmermann, vom Dachdecker für Holzschindeldächer über den Schiebetürhersteller, Hausaltarschreiner, Spielbrettmacher, Kommodenbauer, Spanschachtelmacher, Kistenbauer, Schalendreher, Löffelschnitzer, Kammmacher, Holzsandalenhersteller bis zum Maskenschnitzer, Zither- und Trommelbauer – die hier alle persönlich vorgestellt werden. Von den etwa 60 repräsentativen Werkstätten, die Henrichsen während seiner mehrjährigen Recherchen aufsuchte, hat er eine Auswahl von 30 Werkstätten getroffen, in denen heute noch ohne Maschinen gearbeitet wird. Holzliebhaber, die handwerkliche Meisterschaft in Materialbehandlung, Formgebung und Ausführung schätzen, kommen dabei rundum auf ihre Kosten. Denn der großformatige, reich bebilderte Band zeigt nicht nur die wunderschönen Endprodukte, sondern dokumentiert ebenso ausführlich deren Herstellung, informiert über die Geschichte der Produkte und Berufe und vermittelt außerdem einfühlsam Umfeld und Atmosphäre der Werkstätten.

    Ein Hochgenuss zu sehen, wie mit Hilfe jahrhundertelang erprobter Techniken, mit handwerklicher Sorgfalt und großem Gespür für das Material wundervolle Dinge entstehen. Etwa seidenmatt schimmernde Buchsbaumkämme, federleichte Spanholzschachteln aus heller Japanzeder, Teedosen aus geglätteter und polierter Kirschbaumrinde, aber ebenso eine aufwendig restaurierte Bogenbrücke oder ein im alten Stil gebautes Teehaus. Holzbauten wie Holzprodukte imponieren durch ihre für die japanische Ästhetik typischen einfachen, aber markanten Formen und bestechen vor allem durch die Schönheit ihrer Holzoberflächen, denen der Handwerker größte, manchmal nahezu obsessive Aufmerksamkeit widmet. Durch diese Dinge selbst sowie durch professionelle Seriosität gepaart mit hoher Anschaulichkeit in Text und Gestaltung überzeugt "Holzkultur Japan" den Fachmann wie den Laien. Was auch daran liegt, dass der Autor neben seinem fachkundigen Wissen seine Leidenschaft für Holz und Holzberufe nicht verleugnet. Wie auch sein Engagement für das japanische Holzhandwerk, in dem leider viele Berufe vom Aussterben bedroht sind. So will "Holzkultur Japan" nicht nur die Vielfalt des japanischen Holzhandwerks dokumentieren, sondern ebenso soll "Interesse für ein bedrohtes Wissen geweckt werden", wie Christoph Henrichsen im Vorwort seines auch in englischer Sprache erschienenen Buchs unterstreicht.

    Also, das ist der Bereich, in dem ich weiß, dass es von Japan viel zu lernen gibt und dass es sich lohnt, einen Transfer zu leisten, das im Westen, in Europa, vorzustellen, um halt hier mehr aus dem Material zu machen. Und umgekehrt ist es so, ich hab diese Vielfalt der Holzberufe in Japan schon relativ früh kennengelernt, als ich das erste Mal in Japan war, und schon damals wurde mir bewusst, dass eine Vielzahl dieser Berufe, die heute nur noch von alten Männern ausgeübt werden, akut bedroht sind. Und da sehe ich auch eine Aufgabe der Dokumentation, wenn die Leute merken, wenn jemand von außen kommt und Interesse zeigt und das schätzt, dann ist das die einfachste Möglichkeit, auch bei ihnen selber wieder ein Wertbewusstsein dafür zu schaffen.