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Patientenaufklärung per Computer

Das Aufklärungsgespräch vor einer Operation reicht für eine umfassende Information oft nicht aus. Eine neue Form der Beratung soll jetzt Abhilfe schaffen. Orthopädie-Patienten des Berliner Vivantes Klinikums können sich schon vor dem Arzt-Gespräch mit Hilfe einer speziellen Computer-Software über den geplanten Eingriff informieren.

Von Andrea Kalbe | 15.11.2005
    Frauenstimme: " Für Sie ist eine Kniegelenkspiegelung geplant. Ist das richtig? - Klicken - Gut. Ich möchte Sie auf die Operation vorbereiten. Die Kniegelenkspiegelung ist eine Methode, um mit Hilfe einer Kamera in Ihr Knie hineinzuschauen, auch Arthroskopie genannt. Lassen Sie mich erstmal ein paar Grundlagen zu Ihrem Knie erklären ... "

    Auf einem Computer-Bildschirm ist der Knorpel eines Kniegelenks zu sehen. Der Knorpel sieht verschlissen aus, und deshalb reiben jetzt die Knochen aneinander. So ist es vermutlich auch bei dem Patienten, der sich hier konzentriert durch die Präsentation klickt. Er hat starke Schmerzen im Knie und soll deshalb in ein paar Tagen operiert werden. Vor dem Gespräch mit dem Arzt möchte er sich schon mal über den Eingriff informieren. Dafür nutzt er ein neues interaktives Computerprogramm, das die Patienten in Wort, Ton und Bild über ihre Operation aufklärt. Sie erfahren zum Beispiel , warum sie operiert werden müssen, wie die Operation verläuft und wie sie sich danach verhalten sollen. Das Programm mit Namen Emmi kommt aus den USA und wird derzeit in der Orthopädie des Berliner Vivantes-Klinikums erprobt. Professor Heino Kienapfel, Chefarzt der Abteilung:

    " In der Regel ist es ja so, wenn ein Patient ein Aufklärungsgespräch mit einem Arzt hat, er etwas aufgeregt ist und oft bestimmte Dinge des Gesprächs vergisst oder auch Teile der Fragen, die er sich vorgenommen hat zu stellen, nicht stellt. Durch das Emmi-System hat jeder Patient die Möglichkeit, in aller Ruhe sich sozusagen bildlich ein Aufklärungsgespräch anzuschauen, anzuhören und an jeder Stelle eine Pausentaste zu drücken und bestimmte Fragen in das System einzugeben. "

    Vor der nächsten Sprechstunde schaut sich der Arzt dann an, welche Informationen angeklickt wurden und ruft zudem die Fragen der Patienten ab – im Gespräch kann er dann gezielt darauf eingehen. Professor Heino Kienapfel hat zum Beispiel eine Patientin, die eine Hüftprothese bekommen soll.

    " So jetzt haben wir hier die zusätzlichen Fragen, die die Patientin gestellt hat. Sie möchte wissen, warum bei ihr das Verankerungsverfahren der Prothese zementiert bzw. im Bereich der Pfanne zementfrei genutzt wird. Das ist eine für uns wichtige Information. Ich kann der Patientin bei dem Aufklärungsgespräch genau sagen, dass in ihrer Altersgruppe bei ihrer Knochenlagerqualität eben diese Kombination die besten Langzeitresultate garantiert. "

    Auch Gerda Grunert hatte Probleme mit der Hüfte. Vor zwei Wochen ist die 70-Jährige operiert worden. Davor hat sie sich durch das neue Programm geklickt und ausführlich informiert.

    " Es ist ja doch leicht verständlich, es ist für jeden verständlich. Denn wenn Ärzte manchmal erzählen, dann kommen da Ausdrücke vor, die man gar nicht versteht. Also wenn ich jetzt weiß, dass es dieses Programm gibt, und ich brauch eine Knieoperation oder so was, dann würde ich hier hin gehen, fragen, ob ich an den Computer kann, würde mir das alles anhören, ausdrucken und noch zu Hause weiterlesen. Und der Professor muss sich nicht erst mit einem stundenlang hinsetzen und Fragen beantworten und so. Steht alles da drin. "

    Noch wird das Programm nur in der Orthopädie des Vivantes-Klinikums eingesetzt. Das Besondere: Patienten mit Internet-Anschluss können die Informationen auch von zu Hause aus abrufen. Schon bald soll die Software auf andere Klinikbereiche ausgedehnt werden. Auch niedergelassene Ärzte haben inzwischen ihr Interesse bekundet.

    " Ich gehe davon aus, dass das auch flächendeckend einen großen Zulauf bekommt, das Verfahren. Es macht Sinn, es passt in die Zeit. Es passt in die Zeit, weil die Patienten sich das wünschen und auch weil wir Ärzte so was wünschen. Wir leben ja in einer Phase, wo z.B. die Dokumentationsaufgaben immer mehr werden, wir für viele Dinge immer weniger Zeit haben. Wir wünschen uns natürlich einen aufgeklärten, guten Patienten und auch ein sinnvolles ausreichend gutes Arzt-Patienten-Gespräch. Dieses Programm ermöglicht uns das. "