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Pendler zwischen Afrika und Europa

Auf ihrer Tour durch Afrika haben Bibi Tanga und The Selenites so viel Sonne getankt, dass man den Sommer aus jeder Zeile ihres neuen Albums heraushört. Auch, wenn die fröhliche Grundstimmung manchmal über die ernsten Texte des Franzosen mit afrikanischen Wurzeln hinwegtäuscht.

Von Bettina Ritter | 27.07.2012
    Kangoya – so heißt der süße, hochprozentige Palmwein, den Bibi Tanga am liebsten trinkt, wenn er zuhause ist. Zuhause, wo er geboren wurde, in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. So verrückt sind der 42-Jährige und seine Band-Kollegen nach dem Gebräu, dass sie dem Kangoya ein Lied gewidmet haben, gesungen in Sango, der Landessprache.

    "Was ich an den Menschen in Zentralafrika mag ist, dass sie den Krieg hassen. Und Unruhe, Bürgerkrieg und Instabilität gab es eine Menge. Aber was machen die Leute als Erstes, wenn der Ärger vorbei ist? Sie gehen in eine Bar, genehmigen sich einen Drink und relaxen. Sogar die Militärs mit ihren Waffen. Die Menschen in Zentralafrika lieben die einfachen Dinge, vor allem ihre Ruhe. Das mag ich besonders an ihnen."

    Oft verbirgt sich hinter Bibi Tangas locker-leichten Melodien und einem funkigen Rhythmus eine ernste Geschichte. In "Can’t handle this" erzählt er von dem wachsenden Zorn der Afrikaner auf diejenigen, die sich auf ihre Kosten bereichern, von Korruption und Hunger.

    "Some people on this earth can’t stand the fact that some others are getting richer on their back, my brother. In this land of milk and honey, starvation is all around. You know they’re slipping money just under the ground. My people can’t handle this ... ”"

    ""Die Leute haben vielleicht einmal am Tag eine Mahlzeit, manchmal auch nur einmal alle drei Tage. Und das macht sie zornig. Durch das Fernsehen und das Internet begreifen sie, wie die Welt funktioniert und warum sie ärmer sind als andere. Irgendwann werden diese Menschen ausrasten, und man sollte etwas tun, bevor es zu spät ist."

    Bibi Tanga ist stolz auf seine Wurzeln. Geboren wurde er 1969 in Zentralafrika. Da sein Vater Diplomat war, reiste die Familie viel, er wuchs unter anderem in Frankreich, Russland, Deutschland und den USA auf. Schließlich ließen sich seine Eltern mit den sieben Kindern in einem Pariser Vorort nieder. Dort lernte Bienvenue, so Bibi Tangas eigentlicher Vorname, Saxofon, Klavier und Gitarre.

    "Wir waren in Paris in einer Sozialwohnung im Vorort untergebracht, wie die afrikanischen Immigranten. Der Unterschied war, dass es bei uns zuhause viel Kultur und Bildung gab: Bücher, wir sind ins Kino gegangen und ins Theater. Meine Eltern hatten studiert, und wir Kinder haben alle mindestens das Abitur gemacht. Die Bildung hat uns auch das Rüstzeug mitgegeben, das wir brauchten, um uns gegen Fremdenfeindlichkeit zu wehren."

    Spoken Word, Funk, Afro-Beat und Soul – das alles findet Platz auf Bibi Tangas neuem Album. Die Vielfalt speist sich wohl auch aus dem Pendeln zwischen den Kulturen und Sprachen. In Paris lebt der Musiker mit seiner Frau und seiner 18 Monate alten Tochter. Nach Bangui, der zentralafrikanischen Hauptstadt, reist er mindestens dreimal im Jahr. Seine Eltern leben inzwischen dort und viele seiner Verwandten. Eine kulturelle Vielfalt, die ihn inspiriert und die er nicht missen will.

    "Ich habe diese europäische Seite und die afrikanische in mir. Darauf bin ich richtig stolz, das ist ein großer Teil meines Lebens. Manchmal fragen mich die Leute, wo willst du denn beerdigt werden. Und ich sage: An zwei Orten. In Paris oder Zentralafrika. Eigentlich in beiden Ländern."

    Das neue Album von Bibi Tanga and the Selenites heißt "40 Degrees of Sunshine" und ist beim Label "National Geographic" erschienen.