Aber die rutschen lieber auf den Knien zur Beichte und hecheln über ihn, pflügen seine milden Gaben mit Nichtbeachtung unter. Sie wissen, was sie von ihm zu halten haben, in dessen Betrieb seltsame Sachen passieren. Lehrlinge sterben, verschwinden. Die einzige Freundin, Ellen, kommt nicht so recht zu Potte mit ihm. Ein Außenseiter, der mal Spitzenreiter sein möchte und doch der ewige Verlierer bleibt – so etwa haben sich das die junge Regisseurin Katja Czellnik, Ausstatterin Vera Bonsen und Dramaturgin Antje Kaiser wohl gedacht.
Benjamin Brittens erste große bedeutende Oper Peter Grimes ist ein Bekenntniswerk, uraufgeführt 1945 in London. Nicht nur schrieb der vor Krieg und Wehrdienst nach Amerika Geflüchtete sich darin seinen Frust als in der Heimat nur Geduldeter von der Seele. Als mit seinem neuen Freund Peter Pears Zurückgekehrter suchte er Respekt und Anerkennung für sein Anderssein. Das Küstenstädtchen Aldeburgh ist Sinnbild dieser Sehnsucht nach Heimat, Geborgensein.
In der Neuinszenierung an der Berliner Komischen Oper wird es Parabel einer Horrorvision. Von ihrer ständigen Ausstatterin Vera Bonsen hat Katja Czellnik sich ein Einheitsbühnenbild steppen lassen aus lauter Fußabstreifern: Einen Flickenteppich, der nicht nur jeden Staub sondern auch Schall schluckt und Textverständlichkeit zum Geduldsspiel macht.
Steigeisen führen in Nischen und Höhlen, hinter denen Grimes nach seinen Fallschirmspringer-Auftritten immer mal wieder verschwindet. Dass wir uns in einer Welt befinden, die den Schmutz gern draußen vor der Tür des trauten Heims lässt und doch allzu gern im Müll badet, wird uns demonstriert ausführlich gleich zu Beginn. In einem stummen Vorspiel tritt die ganze Gemeinde an zum gemeinschaftlich Marthalerischen Fußabtreten. Und auch am Ende ist noch mal sozusagen Kehrwoche. Das Salz des Meerwassers wird gleichsam pulverisiert. Und mit ihm leider auch die Figuren: zu Wäsche trocknender, Einkaufstüten schleppender und sich stumpf raufender Masse.
Keiner bekommt hier Kontur in dieser Bruchrechnung eins zu Unendlich. Selbst der Eine, Peter Grimes, alias Douglas Nasrawi, scheint hier mehr wie ein bloß Fliegender Holländer, den es sturmbedingt in diese seltsame Karton-Tapete verweht hat, denn ein selbstbewusster Sonderling.
Dem intellektuellen Hochmut der Regie kontrastiert aufs Schönste die grandiose Leistung von Chor und zumal Orchester unter der Leitung von Kirill Petrenko. So süffig, körperhaft, tubengesättigt hat man die meist als equilibristisch-kühl geltende Musik des "Orpheus Britannicus" selten gehört. Dass der junge Leonard Bernstein einst dem Werk in Amerika als Erstaufführungsdirigent den Weg bahnte und davon für sein eigenes kompositorisches Schaffen sehr wohl profitierte, wird einem an diesem Abend klar.
Die berühmten See-Bilder in Brittens Partitur – sie werden zu Seh-Bildern, die mehr von den Figuren zeigen, als die die Sicht verkürzende Szene. Buhs und Bravos waren am Ende denn auch gerecht verteilt. Toll und schade für dies eigentlich wunderbare Stück.
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1129.html
Benjamin Brittens erste große bedeutende Oper Peter Grimes ist ein Bekenntniswerk, uraufgeführt 1945 in London. Nicht nur schrieb der vor Krieg und Wehrdienst nach Amerika Geflüchtete sich darin seinen Frust als in der Heimat nur Geduldeter von der Seele. Als mit seinem neuen Freund Peter Pears Zurückgekehrter suchte er Respekt und Anerkennung für sein Anderssein. Das Küstenstädtchen Aldeburgh ist Sinnbild dieser Sehnsucht nach Heimat, Geborgensein.
In der Neuinszenierung an der Berliner Komischen Oper wird es Parabel einer Horrorvision. Von ihrer ständigen Ausstatterin Vera Bonsen hat Katja Czellnik sich ein Einheitsbühnenbild steppen lassen aus lauter Fußabstreifern: Einen Flickenteppich, der nicht nur jeden Staub sondern auch Schall schluckt und Textverständlichkeit zum Geduldsspiel macht.
Steigeisen führen in Nischen und Höhlen, hinter denen Grimes nach seinen Fallschirmspringer-Auftritten immer mal wieder verschwindet. Dass wir uns in einer Welt befinden, die den Schmutz gern draußen vor der Tür des trauten Heims lässt und doch allzu gern im Müll badet, wird uns demonstriert ausführlich gleich zu Beginn. In einem stummen Vorspiel tritt die ganze Gemeinde an zum gemeinschaftlich Marthalerischen Fußabtreten. Und auch am Ende ist noch mal sozusagen Kehrwoche. Das Salz des Meerwassers wird gleichsam pulverisiert. Und mit ihm leider auch die Figuren: zu Wäsche trocknender, Einkaufstüten schleppender und sich stumpf raufender Masse.
Keiner bekommt hier Kontur in dieser Bruchrechnung eins zu Unendlich. Selbst der Eine, Peter Grimes, alias Douglas Nasrawi, scheint hier mehr wie ein bloß Fliegender Holländer, den es sturmbedingt in diese seltsame Karton-Tapete verweht hat, denn ein selbstbewusster Sonderling.
Dem intellektuellen Hochmut der Regie kontrastiert aufs Schönste die grandiose Leistung von Chor und zumal Orchester unter der Leitung von Kirill Petrenko. So süffig, körperhaft, tubengesättigt hat man die meist als equilibristisch-kühl geltende Musik des "Orpheus Britannicus" selten gehört. Dass der junge Leonard Bernstein einst dem Werk in Amerika als Erstaufführungsdirigent den Weg bahnte und davon für sein eigenes kompositorisches Schaffen sehr wohl profitierte, wird einem an diesem Abend klar.
Die berühmten See-Bilder in Brittens Partitur – sie werden zu Seh-Bildern, die mehr von den Figuren zeigen, als die die Sicht verkürzende Szene. Buhs und Bravos waren am Ende denn auch gerecht verteilt. Toll und schade für dies eigentlich wunderbare Stück.
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