Ich übernachte in einem kleinen Hostel, in dessen Küche ich am nächsten Morgen einen ehemaligen Schuldirektor treffe, der heute Schnee räumt und die Besitzerin einer Goldmine in der Nähe des Städtchens Hope. Da sie nebenbei noch das Hostel betreibt, scheint die Mine nicht viel abzuwerfen. Auf der anderen Seite der Straße gibt es eine "Europa Bakery", die echtes frisch gebackenes Brot verkauft.
Nachmittags fliege ich weiter nach Cordova, einem kleinen Fischerdorf, das nicht ans alaskanische Straßennetz angeschlossen ist. Es liegt am südöstlichen Ufer des Prinz-William-Sunds, jener Bucht also, in der vor mehr als 22 Jahren die Exxon Valdez auf ein Riff auflief und große Mengen Öl verlor. Das Wasser wird hier eingerahmt von hohen schneebedeckten Bergen. Obwohl es Samstagabend ist, füllt sich der Parkplatz der örtlichen High School mit immer mehr Autos.
In der Schule findet gerade zum 18. Mal die jährliche Nüchternheitsfeier statt. Das ist ein dreitägiges Fest, bei dem Folkloregruppen aus der Region traditionelle Tänze vorführen, Kunsthandwerk verkauft wird, trockene Alkoholiker erzählen, wie sie ihre Sucht in den Griff bekommen haben und die Anonymen Alkoholiker bieten Gespräche an.
Alkohol und Drogen seien ein großes Problem unter den Ureinwohnern Alaskas, erzählt eine der Organisatorinnen, Patience Anderson Faulkner. Dieses Fest solle der Sucht etwas Positives entgegensetzen, ein Gefühl von Gemeinschaft und Freude. Das sei gerade jetzt zu Beginn der dunklen Jahreszeit sehr wichtig.
Zum Abschluss des Abends gibt es ein großes Dinner für alle Beteiligten. Auf langen Büffettischen stapeln sich Tabletts mit Elchfleisch, eingelegtem Lachs und Tintenfisch, sowie Berge von Königskrabben. Ich ziehe meine Behauptung, in den USA gäbe es kein gutes Essen, hiermit zurück. Während ich versuche, einigermaßen manierlich das Fleisch aus einem stacheligen Königskrabbenbein herauszupulen, lerne ich Stephen Barnes kennen. Der Fischer ist in Cordova aufgewachsen und hat als Zwölfjähriger seinen eigenen Fischkutter bekommen, um seinem Vater beim Heringsfang zu helfen. Bis 1989. Nach dem Ölunfall sind die Heringsschwärme im Prinz-William-Sund zusammengebrochen und sie haben sich bis heute nicht erholt. Die Ölkatastrophe habe die Gemeinde von Cordova gespalten, erzählt Stephen Barnes. Auf der einen Seite seien diejenigen, die von ExxonMobil entschädigt worden sein und auf der anderen Seite diejenigen, die kein Geld bekommen hätten.
Am nächsten Tag bin ich mit Patience Anderson Faulkner zum Interview verabredet. Wir treffen uns in einem kleinen Museum, das Kunst und Geschichte der Ureinwohner ausstellt. Die rundliche Frau mit langen grauen Haaren und Brille gehört zum Volk der Supiaq. Als Rechtsanwaltsgehilfin war sie am Gerichtsverfahren um die Exxon Valdez beteiligt. Für Cordova sei der Ölunfall eine wirtschaftliche Katastrophe gewesen, von der sich die Stadt bis heute nicht völlig erholt habe, sagt sie. Sie zeigt mir einen bunt angemalten Totempfahl, der in einer Ecke des Museums steht. Das hier sei ein "shame pole", ein Schandenpfahl, der ExxonMobil auf ewig daran erinnern solle, welche Schuld die Firma auf sich geladen habe. Ins Holz geschnitzt ist eine lachende Fratze aus der schwarzes Öl strömt, darunter tote Fische, Vögel und Seeotter, sowie Justitia, die dem Geld mehr Gewicht gibt als der Umwelt.
Die weiteren Tagebucheinträge von Monika Seynsche finden Sie unter:
Wunden der Erde - Ein Reisetagebuch
Die Recherchereise wurde mit Mitteln der Robert Bosch Stiftung im Rahmen der Initiative Wissenschaftsjournalismus gefördert.
Nachmittags fliege ich weiter nach Cordova, einem kleinen Fischerdorf, das nicht ans alaskanische Straßennetz angeschlossen ist. Es liegt am südöstlichen Ufer des Prinz-William-Sunds, jener Bucht also, in der vor mehr als 22 Jahren die Exxon Valdez auf ein Riff auflief und große Mengen Öl verlor. Das Wasser wird hier eingerahmt von hohen schneebedeckten Bergen. Obwohl es Samstagabend ist, füllt sich der Parkplatz der örtlichen High School mit immer mehr Autos.
In der Schule findet gerade zum 18. Mal die jährliche Nüchternheitsfeier statt. Das ist ein dreitägiges Fest, bei dem Folkloregruppen aus der Region traditionelle Tänze vorführen, Kunsthandwerk verkauft wird, trockene Alkoholiker erzählen, wie sie ihre Sucht in den Griff bekommen haben und die Anonymen Alkoholiker bieten Gespräche an.
Alkohol und Drogen seien ein großes Problem unter den Ureinwohnern Alaskas, erzählt eine der Organisatorinnen, Patience Anderson Faulkner. Dieses Fest solle der Sucht etwas Positives entgegensetzen, ein Gefühl von Gemeinschaft und Freude. Das sei gerade jetzt zu Beginn der dunklen Jahreszeit sehr wichtig.
Zum Abschluss des Abends gibt es ein großes Dinner für alle Beteiligten. Auf langen Büffettischen stapeln sich Tabletts mit Elchfleisch, eingelegtem Lachs und Tintenfisch, sowie Berge von Königskrabben. Ich ziehe meine Behauptung, in den USA gäbe es kein gutes Essen, hiermit zurück. Während ich versuche, einigermaßen manierlich das Fleisch aus einem stacheligen Königskrabbenbein herauszupulen, lerne ich Stephen Barnes kennen. Der Fischer ist in Cordova aufgewachsen und hat als Zwölfjähriger seinen eigenen Fischkutter bekommen, um seinem Vater beim Heringsfang zu helfen. Bis 1989. Nach dem Ölunfall sind die Heringsschwärme im Prinz-William-Sund zusammengebrochen und sie haben sich bis heute nicht erholt. Die Ölkatastrophe habe die Gemeinde von Cordova gespalten, erzählt Stephen Barnes. Auf der einen Seite seien diejenigen, die von ExxonMobil entschädigt worden sein und auf der anderen Seite diejenigen, die kein Geld bekommen hätten.
Am nächsten Tag bin ich mit Patience Anderson Faulkner zum Interview verabredet. Wir treffen uns in einem kleinen Museum, das Kunst und Geschichte der Ureinwohner ausstellt. Die rundliche Frau mit langen grauen Haaren und Brille gehört zum Volk der Supiaq. Als Rechtsanwaltsgehilfin war sie am Gerichtsverfahren um die Exxon Valdez beteiligt. Für Cordova sei der Ölunfall eine wirtschaftliche Katastrophe gewesen, von der sich die Stadt bis heute nicht völlig erholt habe, sagt sie. Sie zeigt mir einen bunt angemalten Totempfahl, der in einer Ecke des Museums steht. Das hier sei ein "shame pole", ein Schandenpfahl, der ExxonMobil auf ewig daran erinnern solle, welche Schuld die Firma auf sich geladen habe. Ins Holz geschnitzt ist eine lachende Fratze aus der schwarzes Öl strömt, darunter tote Fische, Vögel und Seeotter, sowie Justitia, die dem Geld mehr Gewicht gibt als der Umwelt.
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Wunden der Erde - Ein Reisetagebuch
Die Recherchereise wurde mit Mitteln der Robert Bosch Stiftung im Rahmen der Initiative Wissenschaftsjournalismus gefördert.

