Archiv


Pflanzenschutz mit Artenschutz

Die Europäische Union hat im vergangenen Jahr neue Regeln zum Pflanzenschutz in Kraft gesetzt. Die neue Zulassungsverordnung soll auch den Schutz der Artenvielfalt berücksichtigen und verbietet die Anwendung besonders gefährlicher Wirkstoffe in Pestiziden. Die Rahmenrichtlinie muss nun in nationales Recht umgesetzt werden.

Von Dieter Nürnberger |
    Als dem EU-Pflanzenschutzpaket im Januar 2009 vom Europäischen Parlament zugestimmt wurde, war die Resonanz sehr positiv. Der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem enormen Erfolg für den Umweltschutz. Bis Mitte nächsten Jahres müssen die Mitgliedsstaaten das Pflanzenschutzpaket nun in nationales Recht umsetzen. Das Umweltbundesamt ist in Deutschland eine sogenannte Einvernehmensbehörde bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Konkret: Das UBA bestimmt mit. Und auch hier sieht man viel Positives durch die EU-Reform. Jörn Wogram ist Experte für Pflanzenschutzmittel.

    "Unter anderem gibt es festgeschriebene Regelungen, dass Wirkstoffe, die bestimmte Eigenschaften haben, die für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt besonders kritisch sind, nicht mehr zulassungsfähig sein werden. Das halten wir für sehr unterstützenswert. In eine andere Richtung läuft aber unter Umständen die stärker europäisierte Zulassung. Die chemische Industrie wird künftig weitgehend Herr des Verfahrens sein - etwa bei der Frage, welcher Mitgliedstaat stellvertretend für andere Staaten eine Zulassungsbewertung durchführt."

    Das EU-Paket enthält somit qualitative Ansätze. Stoffe, die sich nicht oder nur langsam abbauen, sollen weniger eingesetzt werden. Das Gleiche gilt für chemische Substanzen, die giftig sind oder sich in der Nahrungskette anreichern können.

    Auf der anderen Seite sorgt die europäisierte Zulassung derzeit noch für einige Fragen im Umweltbundesamt. Das EU-Paket sieht vor, dass künftig drei Zonen in Europa gebildet werden sollen, nämlich eine Nord-, Mitte- und Süd-Zone. Wird ein Pflanzenschutzmittel künftig zugelassen, dann müssen die anderen Länder der jeweiligen Zone in 120 Tagen diesen Schritt ebenfalls umsetzen. Theoretisch kann ein Land aber auch anders verfahren, sagt der UBA-Experte.

    "Zum einen gibt es natürlich die Möglichkeit nachzuweisen, dass ein anderer Mitgliedsstaat, der stellvertretend eine Zulassungsbewertung gemacht hat, womöglich nicht nach den gemeinsam ausgehandelten Kriterien geurteilt hat. Es gibt aber auch eine Verpflichtung, die die EU den Mitgliedern auflegt, die eine solche Zulassung übernehmen möchten: Sie müssen nämlich auf mögliche landwirtschaftliche oder ökologische Besonderheiten im jeweiligen Staat Rücksicht nehmen. Das kann das Vorkommen einer bestimmten, gefährdeten Tier- oder Pflanzenart sein, für die der Mitgliedsstaat eine besondere gemeinschaftliche Verantwortung trägt. Das kann durchaus dazu führen, dass ein Pflanzenschutzmittel in einem Land, wo diese Art vorkommt, zulassungsfähig ist und in einem anderen nicht."

    Neu ist auf jeden Fall der Grundsatz, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt künftig auch bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine Rolle spielen wird. Wissenschaftler sehen hier schon seit Langem einen Zusammenhang. Das könnte auch Folgen für die hier oft kritisierte intensivierte Landwirtschaft haben. Petra Greiner, auch sie Pestizidexpertin beim UBA, hofft sogar, dass durch das EU-Paket langfristig der Anteil des ökologischen Landbaus zunehmen wird.

    "Nachweislich ist es tatsächlich so, dass der chemische Pflanzenschutz negative Wirkungen auf die Biodiversität hat. Also: Mehr ökologischer Landbau heißt mehr biologische Vielfalt."

    So wurden 2008 in Deutschland rund 35.000 Tonnen Wirkstoffe auf die Wiesen, Äcker und Plantagen gebracht. Tendenz steigend. Umweltbundesamtexperte Jörn Wogram.

    "Das ist beunruhigend, obwohl die Mittel immer wirksamer werden. Die verkauften Mittel werden in Deutschland aber nicht weniger. Es ist ja so, dass die eingesetzten Mittel immer noch nicht hochspezifisch wirken, obwohl man sich das wünschen würde. Das heißt, sie töten nicht nur Schadorganismen ab, sondern auch andere, die man eigentlich nicht treffen will. Somit hat man heute mehr Wirkpotenzial in der Umwelt, als es noch früher der Fall war."

    Das Umweltbundesamt hofft nun auf eine Trendwende durch das neue europäische Pflanzenschutzpaket - auf weniger Risiken für Mensch und Umwelt durch den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel.