Samstag, 20. April 2024

Archiv

Pflege von Angehörigen
Hilfe durch sprechende Puppe

71 Prozent aller Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause betreut - von einem Pflegedienst oder Angehörigen. Eine Hightech-Puppe soll dabei zukünftig Unterstützung bieten: Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung arbeiten Wissenschaftler derzeit an einer Puppe, die Audio-, Video- und andere Signale aufnehmen, analysieren und weiterleiten kann.

Von Wolfgang Noelke | 20.12.2016
    Im AWO-Seniorenheim im brandenburgischen Wildau (Landkreis Dahme-Spreewald) betreut die 19-jährige Pauline Paetel die 86-jährige Marga Menzer, aufgenommen am 08.02.2012. Pauline Paetel leistet in dem Seniorenheim ihren Bundesfreiwilligendienst (BFD).
    Im Notfall soll die Puppe, an der Forscher derzeit arbeiten, in der Lage sein, Angehörige oder Pflegepersonal selbstständig zu informieren. (dpa/Patrick Pleul)
    "Soll ich solange den Fernseher einschalten?"
    Nein, der Fernseher bleibt aus! Hier ist Radio! Im 18. Stockwerk des TU-Hochhauses am Berliner Ernst-Reuter-Platz, gibt es auch noch nichts zu sehen, im sogenannten "Quality and Usability Lab" der TU Berlin. Dort ist das Team um Dr. Tim Polzehl noch dabei, erst einmal die Grundlagen zu schaffen, damit eine Puppe nicht nur hören, sondern auch verstehen kann, wenn ein Mensch mit ihr spricht.
    Die Puppe – so der Spezialist für emotionale Ausdrücke in Stimme und Sprache, soll vor allem die emotionalen Besonderheiten einer Stimme erkennen und einfühlsam kommunizieren. Wenn sie nach drei Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit fertig ist, soll sie Mittler sein, zwischen Demenzkranken und pflegenden Angehörigen, so Dr. Polzehl:
    "Ein großes Problem ist, dass pflegende Angehörige beispielsweise nicht mehr so oft das Haus verlassen können, sei es zum Einkaufen gehen und soziale Kontakte zu pflegen, weil sie natürlich Zuhause von dem Pflegebedürftigen natürlich vermisst werden.
    Der ist dann irgendwie aus der Situation heraus gerissen, ist dann verängstigt, weiß nicht mehr, dass seine Partnerin oder wer ihn gerade pflegt einfach nur einkaufen gegangen ist. Das ist ein großes Problem und natürlich belastend. Da kann so eine Puppe schon helfen."
    Puppe soll Demenzkranke beruhigen und ablenken
    In diesem Fall soll die Puppe bemerken...
    "….wenn der Vater unruhig wird und auch die Orientierung verliert und anfängt, nach der Tochter zu rufen. Da ist dann die Situation, in der wir helfen können. Dann ist unsere Puppe da. Dann kann die sagen, "Moment, deine Tochter ist einkaufen, der Zettel liegt für dich auf dem Tisch. Die Puppe kann auch schauen, die hat ja Augen und Ohren, die kann also mitverfolgen, was da vor sich geht, wenn derjenige sich wieder erinnert, "o.k., meine Tochter ist einkaufen, ich bin in einer halben Stunde wieder da", so Polzehl.
    …sagt die Puppe beispielsweise dem Demenz- Kranken, dass seine Frau Rosi einkaufen gegangen ist und auf dem Küchentisch einen Zettel hinterlassen hat. Dann versucht die Puppe den Demenzkranken zu beruhigen und von seiner Angst abzulenken:
    "Lass uns zusammen warten. Rosi kommt gleich wieder. Soll ich solange den Fernseher einschalten?"..."
    Auch Gefühle soll die Puppe erkennen können
    Die Puppe soll nicht nur hören und sinngemäß antworten, die Spezialisten softwaregestützter Erkennung wollen der Puppe auch ein Gefühl programmieren, um den seelischen Zustand des zu pflegenden Menschen richtig einzuschätzen:
    "In der Puppe selber sind Ohren und Augen drin, so dass sie sehen und hören kann. Die kann sprechen. Berührungssensoren sind drin – wenn jemand mit der Puppe kuschelt, denn jemand die Puppe anfasst, wird das erkannt und die Puppe verbindet sich mit Raumsensoren, die da zum Beispiel Präsenzmelder sind oder auch Bewegungssensoren sein können."
    An diesen, überall in den Räumen verteilten Sensoren soll die Puppe zum Beispiel erkennen, ob die Person unruhig ist, die Wohnung verlassen will oder gefallen ist. Im Notfall soll die Puppe sogar in der Lage sein, Angehörige oder Pflegepersonal selbstständig zu informieren. Selbstverständlich – so Polzehl, sollen alle Vorgaben des Datenschutzes eingehalten werden.
    Puppenbegleiter hilft bei der Einführung
    Dazu gehört zunächst mal das Einverständnis der Betroffenen. Deswegen darf die Puppe nur eingesetzt werden zur unterstützenden Pflege von Menschen mit leichten oder beginnenden Demenzsymptomen:
    "Dann kommt in unserem Falle ein so genannter Puppenbegleiter mit, erklärt was die Puppe macht, wie sie das aufnimmt, wie sie reagiert, installiert auch zuhause eine Box, die dann die Daten lokal speichert, so dass die Daten die Wohnung nicht verlassen und auch immer vor Ort sind – und erklärt auch was für Daten aufgenommen werden und wie die verarbeitet werden."