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Pflicht erfüllt

Mit zahlreiche Stars kann die portugiesischen Nationalmannschaft aufwarten. Dennoch musste sie zur Qualifikationen zur WM nachsitzen. Zwar lösten die Portugiesen in der Relegation gegen Bosnien-Herzegowina das Ticket zur WM 2010 - doch der Glaube im Land an einen Triumph der eigenen Mannschaft in Südafrika fehlt.

Von Jochen Faget |
    Wirklich groß war die Freude nicht: Auch wenn am Marques-de-Pombal-Platz ein paar Autos hupten, der große Kreisverkehr in Lissabons Stadtmitte, an dem die Portugiesen normalerweise überschwänglich ihre Fußballsiege feiern, blieb menschenleer. Trotz der gewonnenen Relegation gegen Bosnien-Herzegowina, trotz einzelner "Glückwunsch-Portugal-Rufe". "Wir sind zwar wenige, aber gut‘, stellte ein Fan schon fast trotzig fest. "Und vielleicht kommen ja noch mehr."

    Doch mehr sind nicht gekommen, Portugals WM-Qualifikation am vergangenen Mittwoch fand fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ganz nach dem Motto "Wir fahren nach Südafrika, na und?"

    "Wir hätten uns längst qualifizieren müssen und nicht erst in der Relegation",

    schimpft José Neves. Der 68-Jährige hat sich das Spiel gegen Bosnien mit seinen Freunden im Fernsehen angesehen. In seiner Stammkneipe in Barosa, einem Dorf in Mittelportugal. Die 56. Spielminute:

    Doch ging kein stolzer Aufschrei durch das Lokal, als Rui Meireles den Siegestreffer für Portugal erzielte, flogen keine rot-grünen Schals in die Luft, wurden keine Fahnen geschwenkt. Nein, José Neves nahm nur einen tiefen Schluck Rotwein und schimpfte über den Nationaltrainer Carlos Queiroz:

    "Er hat seine guten und seine schlechten Seiten. Er muss es ja wissen, aber mir gefällt einfach nicht, welche Spieler er einsetzt und wie er die Mannschaft aufstellt."

    Eine Kritik, die neben José Neves in seiner Kneipe auch fast alle Sportkommentatoren in Portugal äußern. Der 56-jährige Queiroz bleibt trotz seines Relegations-Erfolgs umstritten. Obwohl er in den 90er-Jahren die "Goldene Generation" der portugiesischen Fußballjugend-Mannschaft zwei Mal zum Weltmeistertitel führte, Spieler wie Luís Figo und Rui Costa groß gemacht hat. Nur fehlt ihm eben das Charisma seines Vorgängers Luís Filipe Scolari. Der hat - obwohl Brasilianer - während der Fußballeuropameisterschaft 2004 in Portugal die ganze Nation mobilisiert, auch wenn die "seleccao nacional" damals nur zweiter wurde. Damals hingen Portugal-Fahnen in jedem Fenster, jetzt wird nur noch geklagt.

    Das kleine Portugal sehnt sich eben nach großen Helden - auch und vor allem auf dem Stadionrasen. Seit für die Nationalmannschaft fast nur noch eingebürgerte Brasilianer und im Ausland spielende Portugiesen auflaufen, werden die Identifikationsfiguren aber immer weniger, gibt es eigentlich nur noch eine - den Weltfußballer Cristiano Ronaldo. Dass der wegen einer Fußverletzung nicht spielen konnte, nahm die portugiesische Fußballnation zwar noch zähneknirschend hin. Dass sein Verein Real Madrid ihn jedoch zunächst nicht einmal zum Trainingslager reisen lassen wollte, erzürnte ganz Portugal und veranlasste den Fußballverband zu geharnischten Protesten. Trotzdem saß Cristiano Ronaldo beim Rückspiel gegen Bosnien-Herzegowina nicht einmal auf der Tribune.

    Da alles gut ging und Portugal gewonnen hat, störte José Neves und seine Freunde in der Kneipe die Abwesenheit des Superstars dann doch nicht weiter. Der Optimismus, was die WM in Südafrika angeht, ist allerdings eher gering:

    "Oh je, das wird nichts. Portugal wird bestenfalls Vierter. Zu viele Mannschaften sind stärker als unsere."

    Aber daran kann Nationaltrainer Carlos Queiroz ja noch arbeiten. Vielleicht gelingt es ihm bis nächstes Jahr sogar, die Portugiesen wieder für ihre Nationalmannschaft zu begeistern.