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Physik
Schallwellen lassen kleine Gegenstände schweben

An der ETH Zürich ist es Forschern gelungen, kleine Gegenstände und Tropfen mithilfe der Akustik von einem Ort zum anderen zu transportieren: berührungslos und ohne doppelten Boden. Auch die Medizin zeigt sich interessiert an dem Verfahren.

Von Eva Raisig |
    Als Daniele Foresti letzten Sommer erstmals seine wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte, war er erstaunt, von welcher Seite er eine Rückmeldung zu den Forschungsergebnissen bekam. Viele Leute, die sich für paranormale Phänomene interessierten, hätten sich bei ihm gemeldet, erzählt er. Denn der Italiener bringt hier am Labor für Thermodynamik neuer Technologien an der ETH Zürich Gegenstände zum Schweben. Ganz unübersinnlich allerdings. Akustophorese nennt sich sein Arbeitsgebiet: Der Transport auf Schallwellen. Tröpfchen von einigen Mikrolitern und selbst kleine Stahlstücke lassen sich mithilfe des Schalls von einem Ort zum anderen transportieren.
    "Das Schweben auf Schallwellen ist dann möglich, wenn der Schalldruck stark genug ist, um die Gravitation zu überwinden."
    Die maximal mögliche Größe der Gegenstände oder Tröpfchen hängt von den Eigenschaften der Schallwellen ab. Meist sind es einige Millimeter, aber auch lange dünne Gegenstände wie Zahnstocher können so in der Luft gehalten werden.
    Dieser Zusammenhang ist schon seit 100 Jahren bekannt, allerdings waren bisher Anwendungen nur recht eingeschränkt möglich: Die kleinen Proben konnten zwar auf einer Stelle in der Schwebe gehalten, aber nicht bewegt werden. Das haben Daniele Foresti und seine Kollegen nun geändert. Das Prinzip ist aber auch bei dem neuen Ansatz erst einmal das gleiche.
    Schwebe-Experimente benötigen hohen Schalldruck
    "Ich gehe jetzt nicht zu sehr in die physikalischen Details, aber es gibt einen Grund, warum Sie nicht in den Raum hinein schweben, wenn ich mit Ihnen rede: Das hängt damit zusammen, dass der Schalldruck meistens sehr schwach ist."
    Die Forscher verwenden dagegen einen sehr hohen Schalldruck für ihre Schwebe-Experimente. Die Lautstärkepegel sind mit dem Lärm beim Start einer Rakete vergleichbar: 160 dB. Allerdings liegen die akustischen Frequenzen im Ultraschallbereich. Menschen könnten in diesem Frequenzbereich zwar nicht hören, sagt Daniele Foresti, einem Hund würde das Experiment aber sicherlich nicht gefallen.
    Der Grundaufbau des Experiments für einfaches Schweben ohne Bewegung besteht aus einem Lautsprecher – einem kleinen Metallblock von Größe und Form eines Stempels, der durch Piezokristalle in Schwingungen versetzt wird und dadurch Schallwellen aussendet. Diese werden an einer dünnen Plexiglasscheibe reflektiert, die ein Stück oberhalb des Metallblocks angebracht ist. Wenn der Abstand zwischen Lautsprecher und Plexiglas ein Vielfaches der halben Wellenlänge beträgt, bilden sich in diesem Resonator stehende Wellen aus, also Wellen, die räumlich fixiert sind. Bringt man vorsichtig kleine Proben in diesen Resonator ein, etwa ein Tröpfchen Wasser mit einer dünnen Pipette durch ein kleines Loch im Plexiglas, dann lassen sich die Proben auf den Wellen in der Luft festhalten. Um sie nun auch bewegen zu können, erfand Daniele Foresti eine Art unsichtbares Förderband, auf dem die Teilchen hin- und her transportiert werden können.
    "Meine Idee war, die Resonatoren aneinanderzureihen und zusammenzuschalten. Ich wollte sehen, ob es möglich ist, den Ball zwischen den Resonatoren hin- und her zu spielen, indem der eine herunter- und der andere heraufgeregelt wird."
    Die akustische Amplitude muss dabei immer gleich bleiben, vergleichbar mit einer Leiste von Glühbirnen, die zusammen immer die gleiche Lichtmenge abgeben sollen. Wird eine der Glühbirnen heruntergedimmt, muss die andere entsprechend heller werden. Dazu braucht es Fingerspitzengefühl: Wird die Amplitude zu stark verringert, fällt die Probe zu Boden. Ist sie zu hoch, kann ein schwebender Tropfen zerplatzen. In ihrer neuesten Arbeit haben Foresti und seine Kollegen den Versuchsaufbau so geändert, dass sich die Proben nun auch drehen und so von allen Seiten untersuchen zu lassen.
    "Der wichtigste Punkt beim Schweben ist, dass es ohne Kontakt erfolgt. Es gibt also weder Reibung, noch Verunreinigung."
    Damit ist die Arbeit der Forscher auch für die Medizin interessant, zum Beispiel, um DNA in Zellen einzuschleusen und nicht Gefahr zu laufen, dass die Zellen sie wegen winziger Verunreinigungen abstoßen. Anders als bei anderen Schwebemethoden, etwa durch elektrische oder magnetische Felder, müssen die Proben außerdem keine bestimmten physikalischen Eigenschaften mitbringen.
    Auch mehrere Tröpfchen lassen sich mit der Akustophorese unabhängig voneinander bewegen und ohne Kontakt von außen miteinander mischen. Daniele Foresti zeigt eines der vielen Videos, die er von seiner Arbeit ins Netz gestellt hat. Denn die Methode kann im kleinen Maßstab schon jetzt ganz praktische Anwendungen haben.
    "Da die Methode materialunabhängig ist, können wir hier ein Bröckchen Instantkaffee in der Schwebe halten und hier einen Tropfen Wasser. Wir mischen das Ganze zusammen, warten ein bisschen und fertig ist der eigene Ristretto. Für einen Italiener reicht ja schon ein Tropfen Kaffee, die Hauptsache ist: Er muss gut sein."