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Physiker fürchten um Rang der Promotion

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft will das Promotionsrecht den Universitäten vorbehalten. Eine Verbreitung des Rechts könnte die Promotion entwerten, gibt Gerd Ulrich Nienhaus, Sprecher der Konferenz der Fachbereiche Physik an deutschen Universitäten, zu Bedenken.

Moderation: Kate Maleike |
    Kate Maleike: Das Recht zur Promotion, das muss ausschließlich den Universitäten vorbehalten bleiben. Mit dieser Forderung meldet sich jetzt die DPG, die Deutsche Physikalische Gesellschaft zu Wort. Sie wehrt sich gegen die Ausweitung des Promotionsrechtes auf außeruniversitäre Einrichtungen, wie sie im Zusammenhang mit den Graduate Schools diskutiert wird. Diese entstehen ja im Moment an vielen Hochschulen hier in Deutschland oder sind schon entstanden und sollen die Doktorarbeit schneller und effizienter ermöglichen. Warum die DPG nun Alarm schlägt, darüber möchte ich mit Dr. Gerd Ulrich Nienhaus reden. Er ist Sprecher der Konferenz aller Physikfachbereiche an deutschen Universitäten. Guten Tag, Herr Nienhaus!

    Gerd Ulrich Nienhaus: Ja, schönen guten Tag!

    Maleike: Warum darf denn eine Graduate School Ihrer Meinung nach nicht mit einem eigenen Promotionsrecht ausgestattet werden?

    Nienhaus: Ja, also das Promotionsrecht ist ein altes Recht der Universitäten, und der Doktorgrad ist der höchste akademische Grad, den es zu verteilen gibt. Und da muss man natürlich vorsichtig mit diesen Instrumenten umgehen. Das auf andere Institutionen auszudehnen, ist ein nicht trivialer Vorgang, der sehr gut überlegt werden muss.

    Maleike: Was befürchten Sie denn?

    Nienhaus: Bislang war es halt so, dass der Doktorgrad eine gewisse Qualifikation darstellte, die es auch weiterhin zu erhalten gibt. Es könnte sein, dass eine Verbreitung des Rechts dazu führen könnte, dass die Promotion nicht mehr so einen hohen Rang hat, wie sie es gegenwärtig hat.

    Maleike: Was lässt Sie denn vermuten, dass das an den Graduate Schools so ist, denn die werden ja eigentlich als "Eliteprogramm", in Anführungszeichen, verkauft, zumindest von den Hochschulen, die sie selbst haben, und auch von der Hochschulpolitik?

    Nienhaus: Ja, man muss ja sich überlegen, worum geht es bei der Promotion, welche Aufgabe hat die Doktorarbeit im wissenschaftlichen Gefüge. Und wir haben das neulich in einer Studie ganz klar herausgearbeitet, dass es dabei darum geht, dass sich die Doktoranden dort zum einen selber qualifizieren, zum anderen wichtige Beiträge zur wissenschaftlichen Forschung bringen. In der Tat ist der Wissenschaftsoutput in Deutschland zum überwiegenden Maß durch Promovierende erarbeitet. Und als dritte Säule haben wir auch noch die Beteiligung der Promovierenden an der universitären Lehre. Das heißt, üblicherweise sind die Promovierenden in der Lehre an der Universität involviert, und wir glauben, dass eine enge Verzahnung von Forschung und Lehre besonders zielführend ist, um den Wissenschaftsstandort Deutschland hochzuhalten.

    Maleike: Es klingt auch so ein bisschen danach, als wenn Sie Angst hätten, dass Ihnen die guten wissenschaftlichen Assistenten weglaufen?

    Nienhaus: Das ist sicherlich der Fall. Die wissenschaftlichen Assistenten werden ja aus den Studenten und Promovierten rekrutiert. Die Universitäten haben natürlich ein Interesse daran, gute Leute an der Universität zu halten.

    Maleike: Also befürchten Sie große Konkurrenz durch die Graduate Schools und ziehen jetzt sozusagen die letzte Trumpfkarte, nämlich die, dass das Promotionsrecht ursprünglich immer den Universitäten vorbehalten bleiben sollte?

    Nienhaus: Man muss halt eine Balance halten, denn wenn die Studierenden an den Universitäten nicht hervorragend ausgebildet werden, dann werden auch die Graduate Schools später keinen Zulauf mehr haben.

    Maleike: Vielleicht aus dem Ausland?

    Nienhaus: Ja, nun, das wird sicherlich weiterhin der Fall sein, das ist ja auch jetzt schon der Fall, auch deutsche Universitäten rekrutieren in unserem Fach Physik signifikante Zahlen aus dem Ausland. Gegenwärtig sind 25 Prozent der Wissenschaftler, die in Deutschland in Physik promovieren, aus dem Ausland. Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir auch unseren Nachwuchswissenschaftlern hier eine Wissenschaftslandschaft erhalten, in der man arbeiten kann.

    Maleike: Herr Nienhaus, wie konkret sind denn die Diskussionen nun tatsächlich, das Promotionsrecht den Graduate Schools zu ermöglichen?

    Nienhaus: Ich will mich da nicht auf irgendwelche speziellen Fälle berufen, aber es wird darüber diskutiert. Und eine andere Diskussion, die ja auch seit einiger Zeit existiert, ist die, den Fachhochschulen ebenfalls das Promotionsrecht zu gewähren.

    Maleike: Das ist natürlich eine Diskussion, über die wir auch schon öfter berichtet haben. Es gibt ja bereits auch schon die Möglichkeit für Fachhochschulabsolventen, besonders gute, eben an die Universitäten zu promovieren. Ich meine, die Welt verändert sich. Ich habe jetzt mal nachgeschaut und eigentlich bei der DPG immer wieder Dinge gefunden, die so eher, ich sage mal im positiven Sinne, konservativ sind. Sie wehren sich ja nicht zum ersten Mal, sie haben den Bologna-Prozess als kritisch bewertet, der Bachelor in Physik, sagen sie, sei nicht berufsqualifizierend. Auch bei der Promotion, die ja durch den Bologna-Prozess auch umgestaltet werden soll in eine dritte Studienphase, haben Sie gesagt, das lehnen wir ab. Braucht die Physik an deutschen Hochschulen Ihrer Meinung nach keinen frischen Wind?

    Nienhaus: Sagen wir mal, die Physik ist eigentlich an deutschen Hochschulen sehr gut aufgestellt. Wir haben hohe Anfängerzahlen, zurzeit 8000 Anfänger pro Jahr. Wir haben in der Physik praktisch Vollbeschäftigung, das heißt, die Arbeitslosenquote ist unter drei Prozent. Unsere Absolventen mit Diplom oder demnächst auch mit dem Master-Abschluss werden gut angenommen von der Industrie oder von den Forschungsinstituten. Und insofern sind wir vielleicht etwas konservativ, aber im positiven Sinne, weil bei uns die Ausbildung halt sehr gut funktioniert.

    Maleike: Wie werden Sie Ihrem Appell jetzt Nachdruck verleihen in der Politik?

    Nienhaus: Ich denke, wir werden uns mit den Leuten unterhalten müssen, die hier Entscheidungen zu treffen haben, die die Hochschulgesetze entsprechend ändern, und werden unsere Sicht der Dinge mit Nachdruck vertreten.

    Maleike: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft will das Promotionsrecht unbedingt den Universitäten vorbehalten. Dazu war das Dr. Gerd Ulrich Nienhaus, Sprecher der Konferenz aller Physikfachbereiche. Vielen Dank für das Gespräch.