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Pick-Pick-Vogel und Wendeauto

Vor 100 Jahren wurde in Nürnberg eine Firma gegründet, deren Produkte jahrzehntelang Kinderaugen zum Leuchten brachten: Schreyer & Co, besser bekannt als Schuco. Dem Blechspielzeug des Traditionsunternehmens mit bewegter Geschichte widmet das Nürnberger Spielzeugmuseum seine aktuelle Ausstellung.

Von Thomas Senne |
    Nein, eine normale Spieluhr war das nicht, was gerade zu hören war, sondern:

    "Das Radioauto von Schuco. Zu einer Zeit, als es eigentlich noch gar keine Autoradios gab. Da hat also Schuco sich schon überlegt, wie man also die Fahrt etwas angenehmer gestalten kann, und hat also in dieses Auto ein Schweizer Musikwerk einbauen lassen. Und das ist natürlich eine witzige Kombination von einem altbekannten Spielzeug eben eine Musikdose mit etwas ganz Modernem, nämlich einem, in dem Fall schönen Cabrio. Und man konnte also das Auto fahren lassen, gleichzeitig das Radio einschalten. Das war also eine Vision von angenehmen, modernen Reisen."

    Es ist ein Spielzeugauto aus den 1930er-Jahren, das Helmut Schwarz, der Leiter des Nürnberger Spielzeugmuseums, beinahe zärtlich in seinen Händen hält. Es besteht aus Blech, ist in einer damals absolut angesagten Stromlinienform gestaltet und stammt, wir ahnen es, natürlich von "Schuco" - in jenen Tagen die führende Marke auf diesem Sektor.

    Der Gründer und Firmeninhaber, Heinrich Müller, der in einer Vitrine gleich im Entree der Ausstellung vor Konstruktionszeichnungen auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie zu sehen ist, begann 1912 mit metallenen Lauftieren seine Karriere als Spielsachenerfinder und war ein großer Liebhaber von schönen Autos. Nach dem Vorbild eines seiner Spielzeugmodelle ließ er sich sogar in Originalgröße eine sündhaft teure Maybach-Limousine anfertigen. Die ist zwar in der aktuellen Schau nicht vertreten, dafür aber pünktlich zum 100-jährigen Geburtstag der Nürnberger Firma jede Menge andere flotte Flitzer - en miniature, versteht sich.

    Zum Beispiel ein kleiner "Silberpfeil", der "Studio Racer". Er sieht dem großen Mercedes-Rennwagen W25 verteufelt ähnlich und besitzt ein ausgeklügeltes Innenleben mit Aufzugswerk, abmontierbaren Rädern und vielem anderen technischen Schnickschnack mehr. Oder ein Wendeauto. Das rast auf einer Tischplatte wie von Geisterhand bewegt der Kante entgegen, stürzt aber nicht in den Abgrund, sondern fährt in letzter Sekunde in eine andere Richtung. Ein fünftes Rad in der Bodenplatte des Mini-Pkws macht's möglich.

    "Schuco hat mit Sicherheit die schönsten und technisch versiertesten Autos hergestellt innerhalb der Blechspielzeugindustrie. Und zwar von den 30er-Jahren angefangen. Was dabei übersehen wird, ist, dass es auch eine Geschichte vor der Autoproduktion von Schuco gab und auch da hat Schuco eigentlich ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal dadurch gehabt, dass sie zwei Dinge miteinander verbunden haben. Einerseits das raffinierte Blechspielzeug mit schönen technischen Funktionen, anderseits das Kuschelige der Stoff- und Filzspielwaren."

    Ein absoluter Millionenseller in den späten 20er-Jahren war der mit Samt überzogene blecherne Pick-Pick-Vogel. Aber auch aufziehbare Donald-Duck-Figuren, Varieté-Kellner, trommelnde Clowns oder ab den 30er-Jahren Soldaten verschiedener Nationalitäten waren bei Kindern überaus beliebt: Spielwaren als Spiegel der Zeit.

    1976 nach Managementfehlern musste das Unternehmen, das zeitweilig 1000 Mitarbeiter beschäftigt hatte, Konkurs anmelden. Heute aber nach einer wechselvollen Geschichte kann es mit der Produktion von Oldtimer-Modellen für Erwachsene Wiederauferstehung feiern: Nostalgische Sondereditionen - für Sammler eine echte Alternative zu elektronischem Plastikspielzeug unserer Tage.

    Weitere Informationen

    Die Ausstellung "Wunder der Technik - 100 Jahre Schuco-Spielzeug" im Spielzeugmuseum Nürnberg ist vom 14. November bis zum 7. April zu sehen.