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Pilze als Helfer der Ackerpflanzen

Vor allem in den Tropen, wo die Böden oft stark ausgelaugt sind, wird Phosphat als Dünger verwendet. Allerdings ist der weltweite Vorrat daran begrenzt. Als Alternative haben Forscher aus der Schweiz nun Ackerpflanzen gezielt mit bestimmten Pilzen versorgt, die dabei helfen, Phosphat aus dem Boden aufzunehmen.

Von Katrin Zöfel | 24.10.2011
    Fast jede Pflanze auf der Welt tut es: Sie lässt in ihren Wurzeln Pilze gedeihen, sogenannte Mykorrhiza-Pilze. Die Pilze durchziehen dann den Boden um die Pflanzenwurzel herum mit einem dichten Netz aus feinen Zellfäden. Diese filtern Nährstoffe aus dem Boden und transportieren sie zur Pflanze. Im Austausch dafür bekommen die Pilze Zucker und andere Kohlenhydrate. Eine perfekte Partnerschaft. Besonders wichtig sind die Pilze, wenn es darum geht, den Nährstoff Phosphat zu beschaffen. Der ist im Vergleich zu anderen Nährstoffen knapp - vor allem in tropischen Böden.

    "In vielen tropischen Böden wird Phosphat chemisch sehr fest an die Bodenpartikel gebunden, so dass sich der Nährstoff nicht mehr im Boden bewegen kann. Die Pflanzen können dieses Phosphat dann nicht mehr aufnehmen."

    Ian Sanders ist Forscher an der Universität von Lausanne in der Schweiz, sein Fachgebiet ist die Genetik von Mykorrhiza-Pilzen. Sein Projekt: er will die Pilze so verändern, dass sie selbst aus tropischen Böden noch das Maximum an Phosphat herausholen und so für Ackerpflanzen verfügbar machen. Er will also eine Fähigkeit, die die Pilze ohnehin haben, verstärken.

    "Wir tun das, indem wir ein wenig mit der Genetik des Pilzes herumexperimentieren."

    Etwas anderes als "herumzuexperimentieren” bleibt dem Forscher nicht, denn es ist völlig unklar, wie die Pilze den Nährstoff Phosphat im Boden mobilisieren und dann zur Pflanze transportieren. Um gezielt ausgewählte Gene manipulieren zu können, fehlt also das Wissen. Eine Besonderheit der Pilzart, mit der Ian Sanders arbeitet, hilft dem Forscher allerdings. Normalerweise hat jede Zelle einen Zellkern. Innerhalb eines Lebewesens gleichen sich die Zellkerne (untereinander bis ins kleinste Detail). Anders bei Glomus intraradices. In einer Zelle dieser Pilzart finden sich bis zu 800 Zellkerne und längst nicht alle sind gleich. Genau weiß bisher niemand, wie viele verschiedene Zellkerntypen in einer Zelle vorkommen, klar ist nur, es sind viele. Diesen Umstand nutzt Ian Sanders aus.

    "Wir bringen genetisch verschiedene Pilze dieser Art zusammen. Sie verschmelzen dann miteinander und tauschen ihre Kerne untereinander aus. Wenn die neu entstandenen Pilztypen Sporen bilden, tragen diese Sporen eine neu zusammengewürfelte Kombination von Eigenschaften in sich. Am Ende wirkt sich das auf die Pflanzen aus, mit denen die Pilze eine Symbiose eingehen."

    Ian Sanders impfte Reispflanzen im Gewächshaus mit den neuen Pilztypen. Und tatsächlich nützten einige den Pflanzen mehr als andere. Auch erste Feldversuche in Kolumbien deuten darauf hin, dass Sanders' "Herumexperimentieren mit der Genetik” sich lohnen könnte. Auf Reisfeldern ließ sich die Ernte um bis zu 20 Prozent steigern. Bei Kartoffeln brauchte es nur noch die halbe Menge Dünger, um den normalen Ertrag zu erreichen. Damit ist der Forscher einen entscheidenden Schritt weiter als andere, die vor ihm mit Mykorrhiza-Pilzen arbeiteten. Die Idee, die Symbiose zwischen Pilz und Pflanze für die Landwirtschaft zu nutzen, ist nicht neu. Doch bisher hatte noch keiner auf diese Art versucht, die Effektivität der Pilze zu steigern.

    "Wir versuchen einfach, den Pilz dazu zu bringen, dass er etwas, was er schon kann, noch besser macht."

    Der neue Ansatz gefällt auch der dänischen Forscherin Eva Stukenbrock. Sie untersucht am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg die vielfältigen Beziehungen zwischen Pilz und Pflanze. Sie wendet allerdings ein:

    "Ich glaube nicht, dass es die eine Super-Pilz-Variante geben wird, die sich auf der ganzen Welt einsetzen lässt. Die Frage ist also, wie viel Aufwand wäre nötig, um für jeweils andere Länder, andere Böden und andere Pflanzen den optimalen Pilz zu finden."

    Viel Arbeit bleibt also, wenn die Pilzsymbiose auf möglichst vielen Äckern der Erde die Erträge steigern soll.