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Pinguin in der Warteschleife

Viel Verwirrung gab es diese Woche um das wohl bekannteste Open-Source-Projekt: die Umstellung der Münchner Stadtverwaltung auf Linux. Die bayerische Landeshauptstadt lege die Pläne auf Eis, hieß es zunächst. Dann forderte der Oberbürgermeister andere Städte auf, sich gegen Software-Patente und für Linux zu engagieren. Und schließlich kamen Zweifel auf, ob der ganze Trubel - ausgelöst von einem ausgewiesenen Gegner der Softwarepatente - dem Open-Source-Gedanken mehr geschadet als genützt habe.

Von Achim Killer |
    Eigentlich hätten in diesen Tagen in München die ersten Angebote über die so genannten Basic-Clients eingehen sollen - die Ausrüstung von 14.000 Arbeitsplatzrechnern kommunaler Angestellter und Beamter mit Linux und Open Office. Dann aber ist es anders gekommen. Getraud Loesewitz, die Stadtdirektorin:

    Nach dem Zeitplan war für Ende Juli die Ausschreibung angesetzt. Die haben wir jetzt vorläufig gestoppt, um die Risiken nochmals abschätzen zu können

    Und damit wird die Angelegenheit hochpolitisch, denn es war nicht etwa ein oppositioneller CSU-Stadtrat der den sozialdemokratischen Oberbürgermeister Christian Ude öffentlich aufgefordert hat, die Risiken des Linux-Projekts angesichts von drohenden Softare-Patenten noch einmal zu überprüfen, sondern der grüne Jens Mühlhaus. Und der hat das auch nicht wegen Differenzen innerhalb der rot-grünen Rathausmehrheit in München getan, sondern wegen der rot-grünen Bundesregierung. Von der will Mühlhaus, dass sie sich in Sachen Softwarepatente für die Position des Europäischen Parlaments und gegen jene des Ministerrats stark macht. Deshalb seine Öffentlichkeitsaktion. Die unmittelbare Folge allerdings war, dass die Ausschreibung für Linux-Desktops erst einmal ausgesetzt wurde. Jens Mühlhaus:

    Nein, wir haben mit dem Antrag nicht gewollt, dass man das Münchener Linuxprojekt stoppt, sondern dass man die Gefährdung von Linux weg nimmt und dass man es weiterhin ohne große Gefährdung ermöglicht. Dass die Stadt jetzt aus Selbstschutz vielleicht so reagieren musste, ist keine Intention von uns gewesen, aber vielleicht die nahe liegende Folge. Allerdings ist auch das Münchener Projekt von der Entscheidung des Europäischen Parlaments so betroffen, dass wir das auch offen aussprechen müssen. Das ist eine schwierige Gradwanderung, und das ist uns auch bewusst.

    Mit Argumenten munitioniert hat den grünen Stadtrat der Förderverein für eine freie Informationelle Infrastruktur. Der hat recherchiert, dass es im Münchner Linux-Basic-Client 50 bereits patentierte Techniken gebe. Die Frage sei nur, ob die Patente auch wirklich gültig seien. Sie wären es, wenn sich EU-Kommission und Ministerrat bei der anstehenden Vereinheitlichung des europäischen Patentwesens durchsetzten. Unproblematisch für das Münchner Linux-Projekt hingegen ist die Position des Europaparlaments. Hartmut Pilch der Vorsitzende des Fördervereins:

    Wenn sich das Europäische Parlament sich durchsetzt, dann haben wir ein Risiko von nahezu Null.

    Jedenfalls ist in München jetzt ein Überprüfungsprozess für das Linux-Projekt in Gang gesetzt worden, von dem niemand weiß, wie er enden wird. Vorgänge in der Verwaltung haben ja eine gewisse Eigendynamik. Und darüber hinaus hängt auch fast alles an der ebenfalls nicht absehbaren Patententscheidung auf der europäischen Ebene. Dazu Stadtdirektorin Loesewitz:

    Wenn der schlimmste Fall eintreten würde, würde das auch auf das Projekt von München Schwierigkeiten zukommen lassen. Wir müssen in Zukunft überlegen, ob wir es in der vollen Breite oder nur in Teilen fahren könnten.

    Die meisten Beteiligten rechnen allerdings doch damit, dass die Umstellung der kommunalen IT nach nur wenigen Wochen Verzögerung im vollen Umfang wieder aufgenommen werden kann. Und der Verursacher der ganzen Aufregung macht sich derweil Gedanken, ob seine Aktion denn richtig war:

    Vom Gewissen her liege ich auf der richtigen Seite, aber mit Magenweh, weil das doch ein wichtiges Projekt ist für uns.

    Und damit’s politisch noch ein bisschen komplizierter wird. In Bayern gibt’s ja auch noch die CSU - in München allerdings nur in der Opposition. Und diese Stadtratsoppposition, die hat jetzt einen nahezu gleichlautenden Antrag wie der Grüne Jens Mühlhaus gestellt, allerdings mit einer anderen Stoßrichtung und unter der Überschrift: Treibt Linux die Stadt in die finanzielle Katastrophe? Und widersprochen hat ihr der Europaabgeordnete der CSU Joachim Wuermeling, der sich in Straßburg für eine umfassende Patentierfähigkeit stark macht. Er sagt, das Münchner Linux-Projekt wäre auch davon nicht bedroht.