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Plädoyer für mehr Benutzerfreundlicherkeit

Noch immer sind elektronische Geräte oft eine Zumutung und ihre Bedienung alles andere als intuitiv oder einfach. Wie Videorekorder, Handys und Co einfacher zu handhaben sein könnten, erörterten Experten weltweit am vergangenen Donnerstag - dem "World Usability Day".

Von Pia Grund-Ludwig |
    "Featuritis" ist aus Sicht von Experten, die sich für eine gute Benutzbarkeit von Geräten einsetzen, eine ziemlich weit verbreitete Krankheit. Mit "Featuriris" bezeichnen sie die oft unnötige Fülle von Funktionen, die dazu führt, dass viele Menschen alltägliche Geräte kaum noch bedienen können. Etwa Handys, die viele Dinge können, die niemand braucht, bei denen Neulinge aber nicht einmal auf den ersten Blick erkennen, wie man damit telefoniert. Oder Computerprogramme, die einem Hilfe dann aufdrängen, wenn man sie gar nicht haben möchte. Sie liefern etwa penetrante Hinweise zur Rechtsschreibkorrektur oder Formatierung. Braucht man dagegen wirklich Unterstützung, muss man sich durch komplexe Menüs hangeln. Matthias Peissner beschäftigt sich am Fraunhofer-Insitut für Arbeitsorganisation in Stuttgart mit den Anforderungen an Benutzbarkeit. Seine Erfahrung: Weder Hersteller noch Kunden haben diese bislang wirklich im Blick:

    "Wie diese große Komplexität bedienbar ist, darüber wissen die Verkäufer oft nichts und auch die Benutzer stellen da keinerlei Überlegungen an. Das spielt oft für die Kaufentscheidung keine Rolle - meist ist es dann eher so, dass zwei, drei Wochen später, nachdem man ein neues Gerät gekauft hat, man merkt, dass man damit nicht zurechtkommt und dann ist aber eigentlich schon zu spät."

    Der World Usability Day soll hier mehr Bewusstsein schaffen, vor allem bei öffentlichen Institutionen. Usability ist der englische Fachbegriff für alles, was mit der Benutzbarkeit technischer Geräte zu tun hat - der World Usability Day ist also ein Tag, der den Benutzer in den Mittelpunkt stellt. Er hat dieses Jahr erstmals rund und den Globus stattgefunden, in mehr als 35 Ländern. Begonnen hat er in Neuseeland. Dort haben Experten unter anderem Fernbedienungen gezeigt, die nicht nur mehr als ein Gerät ansprechen können, sondern deren Bedienung sich außerdem gut erschließt. Fachleute in Peking haben den Tag genutzt, um sich anzuschauen, ob die öffentliche Infrastruktur für die Olympiade 2008 fit ist, berichtet Organisatorin Christina Li:

    "Wir haben dazu eine Diskussionsrunde organisiert, die sich mit Usability-Problemen bei der Benutzung der öffentlichen Infrastrukturen hier in Peking beschäftigt. Es geht um die Gestaltung von Infokiosken, Telefonzellen, Geldausgabeautomaten und E-Government-Seiten."

    Den Abschluss des Tages bildete eine Tagung in San Francisco. Den Organisatoren des World Usability Day in Deutschland war wichtig, über die reine Expertendiskussion hinaus auch die Sensibilität der Kunden zu erhöhen. In Stuttgart fand die Veranstaltung deshalb nicht in abgeschotteten Seminarräumen, sondern im Rathaus statt. Auch dort war einer der Schwerpunkte der Bereich E-Government. So zeigte der örtliche Verkehrsverbund VVS seine neu entwickelte Haltestelleninformation. Die wurde unter anderem um Hinweise für Personen ergänzt, die mobilitätseingeschränkt sind, also im Rollstuhl sitzen oder mit einem Kinderwagen unterwegs sind.

    Für einzelne Haltestellen der VVS ist im Internet eine barrierefreie Wegeführung hinterlegt. Die zeigt nicht nur, wo Aufzüge zu finden sind, sondern beschreibt auch, welche Neigung die Rampen haben, die bis dorthin zu bewältigen sind und die Umgebung der Bahnhöfe unter die Lupe. Auch neuartige Displays waren zu sehen. So hat Alpine ein Navigationssystem mit einem Touchscreen gezeigt, das vibriert, wenn man eine Taste bedient. Damit erhalten die Benutzer das Feedback, dass ihre Eingabe erfolgreich war. Bei der Benutzereingabe sieht Fraunhofer-Forscher Peissner derzeit die spannendsten Aufgaben:

    "Aus Forschungssicht ist einer der wichtigsten Trends, dass man versucht, neben den klassischen Eingabemöglichkeiten wie Tastatur und Maus weitere innovative Bedienmöglichkeiten anzubieten wie Sprachsteuerung oder Touchscreen, die ja ziemlich weit verbreitet sind, aber auch Gestensteuerung, Verbindung von akustischer Eingabe und Gestik und zum Beispiel auch Blickbewegungen, die zur Auswahl von Objekten genutzt werden könnten. Da ist natürlich eine gewisse technologische Innovation gefragt. Aber auf der anderen Seite ist die große Herausforderung, dass man diese technologischen Möglichkeiten entsprechend nutzt und zu intuitiv benutzbaren Schnittstellen zusammenführt."