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Plätschern mit Sprengkraft

Verdreckte Flächen im Krankenhaus, kontaminierte Wände in einem Kernkraftwerk oder auch nur der angebrannte Backofen in der Küche - in allen Fällen geht es darum, möglichst gründlich sauber zu machen. Oft braucht es dazu viel Wasser und eine Menge Energie. Doch Forscher der Universität Southampton in England haben nun den Prototyp eines Reinigungsgeräts entwickelt, mit dem sich beim Großreinemachen jede Menge Wasser sparen ließe. Sie rücken dem Dreck mit Ultraschall zu Leibe.

Von Frank Grotelüschen |
    Die Küche sieht aus wie der reine Saustall: In der Spüle türmt sich der Abwasch, der Backofen ist total angebrannt. Und daneben liegen auch noch zwei Salatköpfe, die fürs Abendessen geputzt und gewaschen werden wollen. Da könnte man schon ein wenig Hilfe gebrauchen. Wie wär's zum Beispiel mit einem Hochdruckreiniger? Sein gebündelter Wasserstrahl müsste das ganze Zeugs doch eigentlich sauber kriegen, oder?

    "Käme ein Mann mit einem Hochdruckreiniger in Ihre Küche und würde Ihnen anbieten, all die Sachen für Sie zu reinigen, würden Sie dankend ablehnen. Denn die Salatblätter würde der Hochdruckreiniger in Fetzen reißen. Und bei Geschirr und Backofen würde er den ganzen Dreck quer durch die Küche spritzen. Da würden Sie natürlich sagen: Nein, vielen Dank!","

    meint der Physikprofessor Tim Leighton von der Universität Southampton in England. Gemeinsam mit dem Chemiker Peter Birkin hat er eine Alternative zum Hochdruckreiniger entwickelt. Optisch macht der Prototyp nichts her: Das Ding sieht aus wie ein Fön, aus dem ein schlapper Wasserstrahl plätschert, ein müdes Rinnsal nur. Doch dieser Strahl hat es in sich: In ihm steckt geballte Reinigungskraft.

    ""Unser Gerät erzeugt mikroskopisch kleine Bläschen im Wasser. Kommen diese Bläschen dann mit der verschmutzten Oberfläche in Kontakt, beschießt sie das Gerät mit Ultraschall. Dadurch fangen die Bläschen an, zu schwingen und zu wabern. Auf der Oberfläche wirken die wabernden Bläschen wie winzige Scheuerschwämme. Sie können den Schmutz gründlich entfernen, ohne dabei die Oberfläche zu beschädigen."

    Der Vorgang sei so schonend, dass man sich getrost die Hände in dem Wasserstrahl waschen könne, sagt Leighton. Doch das Gerät besitzt noch einen zweiten Modus: Hier wird stärkerer Ultraschall eingesetzt. Dieser starke Ultraschall bringt die Bläschen nicht nur zum Wabern, sondern zum Platzen. Dadurch entstehen Schockwellen, die den Schmutz regelrecht wegsprengen. Im Prinzip die tragbare Version jenes Ultraschallbads, wie es viele Optiker zum Brille-Reinigen nutzen. In diesem Modus lässt sich auch hartnäckiger Schmutz entfernen. Zum Händewaschen allerdings ist er nicht schonend genug.

    "Bei unserem ersten Prototypen müssen wir noch ein wenig Spülmittel dazugeben - nicht mehr, als man auch beim Geschirrabwaschen in der Küchenspüle braucht. Doch unser zweiter Prototyp, den wir gerade entwickeln, braucht das nicht mehr. Er funktioniert mit Wasser aus dem Wasserhahn."

    Das vielleicht größte Problem, das Leighton zu meistern hatte: Wie lässt sich Ultraschall durch einen Wasserstrahl leiten - laut Lehrbuch ein Ding der Unmöglichkeit. Doch den Forscher gelang es, spezielle akustische Optiken zu entwickeln. Damit lassen sich die Ultraschallsignale so formen und kontrollieren, dass sie ihren Weg im Wasserstrahl bis zur verschmutzen Oberfläche finden.

    "Wir verhandeln bereits mit mehreren Firmen, die unser Patent lizenzieren wollen. Diese Firmen wollen Geräte bauen, mit denen man zum Beispiel medizinische Geräte in Krankenhäusern gründlich reinigen kann, oder Lebensmittel oder auch kontaminierte Bereiche in einem Kernkraftwerk. Aber sie verstehen sicher, dass ich dazu noch keine Details nennen darf."

    Gegenüber dem Hochdruckreiniger ist Leightons Ultraschallgerät nicht nur schonender, sondern auch sparsamer: Statt zehn bis 20 verbraucht es nur ein bis zwei Liter Wasser pro Minute. Und statt 2000 Watt begnügt es sich mit 100 Watt an elektrischer Leistung, kaum mehr als eine Glühbirne. Und geht das Kalkül der britischen Forscher auf, wird das aggressive Zischen des Hochdruckreinigers mehr und mehr ersetzt durch das dezente Plätschern aus dem Ultraschallreiniger.

    Videotipp

    Dass Professor Tim Leighton Schall nicht nur zur Bekämpfung von grobem Schmutz einzusetzen weiß, sondern auch hervorragend Oboe spielt, zeigt das aufschlussreiche YouTube-Video zum Ultraschallreiniger der Universität Southampton in England (Englisch).