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Planet unter der Lupe

Geowissenschaften. - Der Himmelskörper, der am intensivsten mit Satelliten aus dem All beobachtet wird, ist die Erde. Ein ganzer Schwarm von Satelliten hat unseren Planeten im Blick. Auf dem der Esa im norwegischen Bergen diskutieren mehr als 1000 Wissenschaftler die aktuellen Daten über die Erde.

Von Dirk Lorenzen | 02.07.2010
    "Europa führt die Erdbeobachtung weltweit. Die Erdbeobachtung ist das größte Teilprogramm des europäischen Raumfahrtprogramms. Wir haben in den letzten dreizehn Monaten drei Satelliten starten können, die alle drei erfolgreich im Orbit arbeiten."

    Volker Liebig, Direktor für Erdbeobachtung bei Europas Weltraumorganisation Esa, strahlt: Derzeit untersuchen zwei Allround- und vier Spezialsatelliten der Esa unseren Planeten so genau wie nie zuvor. Einer davon ist Goce, der in nur 260 Kilometern Höhe fliegt und die Anziehungskraft der Erde vermisst. Die ist nicht überall gleich, sondern hängt davon ab, wie die Materie in der Erde verteilt ist. Jetzt stellte das Team um Reiner Rummel, Geodät an der TU München, erste Ergebnisse vor – sie zeichnen für manche Regionen ein ganz neues Bild der Erde:

    "Das sind Südamerika, Afrika, der Himalaya, das Gebiet um Indonesien und die Antarktis. Das sind ja alles tektonisch oder geophysikalisch sehr wichtige Regionen. Und deshalb sind wir gespannt, was wir dort noch sehen werden."

    An Bord von "Goce" schweben sechs Hightech-Würfel aus Platin, die noch winzigste Änderungen in der Anziehungskraft der Erde spüren. Das bezieht sich nicht nur auf die Materieverteilung im Erdinnern. So fühlen die Messwürfel auch, wie dick die Eispanzer sind, ob Laub an den Bäumen ist und was auf den Ozeanen passiert. Rummel:

    "Wir können die Meeresströmungen kartieren. Das ist erstmals möglich mit der räumlichen Auflösung vom Weltraum aus. Das finde ich schon ein ganz besonders schönes Resultat. Wir sehen die sogenannte Ozean-Topographie, also die Erhebungen der mittleren Ozeanoberfläche gegenüber einer Niveaufläche. Diese Erhebungen sind insgesamt nur ein bis zwei Meter hoch. Die zeigen uns an, wie die Ozeane fließen und wie schnell sie fließen."

    Eine genaue Kenntnis der großen Ozeanströmungen ist unerlässlich, um das Wetter und das Klima auf der Erde besser zu verstehen. Die Esa nennt ihr Erdbeobachtungsprogramm bewusst "Living Planet" - denn die Forscher wollen das Geschehen auf und in unserem "lebendigen Planeten" genau verfolgen. Derzeit stehen gut 800 Millionen Euro im Jahr dafür zur Verfügung – und bis 2020 könnten nicht weniger als 18 weitere Satelliten ins All starten, erklärt Volker Liebig.

    "Wir haben auf der einen Seite unsere wissenschaftlichen Satelliten. Dann haben wir die Satelliten, die wir für Eumetsat entwickeln, die nächste Generation der meteorologischen Satelliten und dann das große Infrastrukturprogramm mit der Europäischen Kommission, GMES - Global Monitoring for Environment and Security, wo Europa als erste Region in der Welt ein Umweltbeobachtungssystem auf Satelliten basierend aufbaut."

    Ob Daten über die chemischen Vorgänge in der Atmosphäre, die Vegetation auf der Erdoberfläche, den Schadstoffeintrag in die Meere oder die Eisbedeckung in den Polargebieten. Europa plant eine Art Rund-um-die-Uhr-Check der Erde, was in anderen Teilen der Welt neidvoll beobachtet wird. Liebig:

    "In Amerika hat man eine Pause gemacht von vielen Jahren und damit auch die technologische Führerschaft verloren. Das ändert sich gerade wieder. Die neue Administration hat gerade Entscheidungen über große Budgets für die Erdbeobachtung getroffen, so dass wir jetzt auch wieder einen Partner auf der anderen Seite des Atlantiks haben werden."

    Allerdings ist auch in Europa noch nicht alles Gold, was glänzt. Die Zusammenarbeit von Esa und Europäischer Kommission – verkürzt gesagt also von Ingenieuren und Verwaltungsfachleuten – läuft keineswegs reibungslos. Volker Liebig:

    "Was jetzt wichtig ist, ist, dass wir auch den letzten Schritt tun für den Aufbau von GMES. Die Kommission ist jetzt am Zuge, die nötigen operationellen Budgets zu finden. Das Geld für die Infrastruktur und den gesamten Aufbau haben wir. Aber ab 2012 brauchen wir die Betriebsmittel und die Kommission diskutiert gerade darüber, wie sie die zur Verfügung stellen kann."

    Die Wissenschaftler sind besorgt, dass aufgrund sehr langer Fristen im europäischen Haushaltsrecht ein Satellit zwar startbereit ist, aber noch nicht genutzt werden könnte. Europas auf Hochtouren laufendes Erdbeobachtungsprogramm geriete dann schnell in Straucheln.