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Plasmadüse mit Turbo

Raumfahrt. - Ionentriebwerke sind elektrische Raketenantriebe, die kontinuierlich geladene Atome in den Weltraum schießen. Der Rückstoß der ausgestoßenen Partikel treibt Satelliten an - allerdings nicht besonders kräftig. Auf dem Testgelände der Esa wurde jetzt ein neuartiger Prototyp getestet, der mehr Schub erzeugen kannn.

Von Ralf Krauter |
    Die Schubkraft des Ionentriebwerks an Bord der Esa-Mondmission Smart-1 beträgt nur ein paar Tausendstel Newton. Das entspricht ungefähr der Gewichtskraft einer Postkarte und ist für bemannte Raumschiffe und Missionen zu fernen Planeten viel zu wenig - weshalb die Esa den australischen Physiker Dr. Orson Sutherland von der nationalen Universität in Canberra beauftragt hat, sich mal Gedanken zu machen.

    " In einem Ionentriebwerk verwandelt eine elektrische Entladung den gasförmigen Treibstoff zunächst in ein Plasma, also ein wildes Durcheinander geladener Atome und Elektronen. Die geladenen Atome werden dann von Elektroden beschleunigt, an denen ein starkes elektrisches Feld anliegt. Die gängigen Triebwerke enthalten insgesamt je drei dieser Elektroden und die angelegte Hochspannung - typischerweise zwischen 1000 und 5000 Volt - beschleunigt die Ionen dann entsprechend auf Energien von einem bis fünf Kilovolt. Die Ionen schießen dann durch kleine Löcher in der äußeren Elektrode in den Weltraum und erzeugen so den Vortrieb."

    Je höher die angelegt Hochspannung, desto höher die Austrittsgeschwindigkeit der Ionen und damit die Schubkraft. Aber dummerweise lässt sich die Elektrodenspannung nicht beliebig höher drehen. Bei Spannungen über 5000 Volt ist der Ionenstrahl bei den konventionellen Triebwerken nicht mehr exakt fokussierbar. Die geladenen Atome finden dann nicht mehr alle den Weg durch die Austrittslöcher. Ein Teil kracht auf die Elektrode und zerstört diese allmählich.

    Orson Sutherland ist Experte für hochenergetische Plasmen. Um das Limit für die Elektrodenspannung nach oben zu verschieben, verpasste er dem neuartigen Triebwerk sozusagen den Turbo: Eine zweite Stufe, die die Ionen so richtig auf Trab bringt. Insgesamt enthält der Prototyp damit vier Elektroden, was ihm seinen englischen Namen einbrachte: Dual-Stage-4-Grid-Thruster.

    " Wir verwenden die gängigen Fünf-Kilovolt-Elektroden, um die Ionen aus dem Plasma herauszujagen. Aber bevor sie ins Freie gelangen, beschleunigen wir sie zusätzlich mit einer weiteren Elektrode. Durch diesen Trick bekommen wir Ionen mit Energien von 30 Kilovolt."

    Die Austrittsgeschwindigkeit der verwendeten Xenon-Ionen beträgt damit rund 210 Kilometer pro Sekunde - zehnmal mehr als beim Ionentriebwerk der Smart-Mission. Das bedeutet, dass man mit derselben Treibstoffmenge zehnmal soweit und deutlich schneller fliegen könnte als bisher. Ein Vorteil, der die vergleichsweise simplen und robusten Ionentriebwerke auf einmal wieder interessant machen könnte für bemannte Missionen oder die interstellare Fernerkundung.

    Die ersten Probeläufe des zweistufigen Ionentriebwerks im Testlabor der Esa in Nordwijk waren erfolgreich. Das kleine Kraftwunder erzeugt nicht nur den berechneten Schub, es gibt den Strahl auch gerichteter ab als alle Vorgänger.

    " Außerdem konnten wir zeigen, dass keine der vier Elektroden messbar abgenutzt wird. Das heißt, das System ist für den Dauerbetrieb geeignet."

    Klingt alles vielversprechend. Doch bevor die neue Generation elektrischer Raumantriebe erstmals ins All starten könnte, ist noch viel Arbeit nötig.

    Mindestens zehn Jahre werde das noch dauern, schätzt Entwickler Orson Sutherland.