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Plötzlicher Sinneswandel in der Staatskanzlei

Noch im Herbst befürchteten Bayerns Hochschulen eine dramatische Kürzung ihrer Mittel - und das gerade in dem Jahr, in dem der doppelte Abiturjahrgang an die Unis drängt und der Wehrdienst ausgesetzt wird. Doch nach einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten gab es ein Aufatmen.

Von Susanne Lettenbauer |
    Sichtlich gelöst traten sie gestern nach dem Dringlichkeitstreffen vor die Presse - die Vertreter der bayerischen Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften sowie der bayerischen Musikhochschulen. Fast vergessen war der gemeinsame offene Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer, der in der Staatskanzlei für Unmut gesorgt hatte. Denn die Hochschulen warfen dem Ministerpräsidenten vor, ausgerechnet jetzt drastische Mittelkürzungen zu verlangen, wo neben dem doppelten Abiturjahrgang auch die Wehrpflichtigen an die Hochschulen drängen. Bis zu 7000 vorwiegend männliche Studierende müssten ab Wintersemester 2011 zusätzlich aufgenommen werden, rechnete Gunter Schweiger, Sprecher der Hochschulen Bayern vor. Jetzt hört sich seine Kritik ganz anders an:

    "Die Aussagen von Herrn Ministerpräsidenten, die er hier getroffen hat, hinsichtlich der weiteren Ausstattung der Hochschulen stellen uns zufrieden, natürlich wünscht man sich noch mehr, aber sie stellen uns zufrieden und zeigen die Anerkennung der Leistung, die wir insbesondere an den Hochschulen in den letzten Jahren geleistet haben."

    Was Schweiger hier zurückhaltend als "weitere Ausstattung der Hochschulen" bezeichnet, bedeutet für Bayerns Hochschullandschaft eine komplette Kehrtwende. Weg vom drastischen Sparkurs, bei dem Unis wie Regensburg fast vier Millionen Euro einsparen sollten, hin zu einem Geldsegen, der vorerst 53 Millionen Euro verspricht - zusätzlich zu den mittlerweile zugesagten 1,3 Milliarden Euro bis 2015 für den doppelten Abiturjahrgang. Ein Ergebnis, das selbst Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch überrascht:

    "Es ist noch einen Tick positiver verlaufen, als ich es mir ursprünglich dachte. Es war eine von höchstem Maße gegenseitige Anerkennung."

    Als "Versöhnungstreffen" mit gegenseitigem allgemeinem Meinungsaustausch war der Termin angekündigt worden. Doch statt leerer Worte volle Taschen: Neben dem Millionengeschenk für die neuen Studierenden aus der Wehrpflicht bekamen die Hochschulvertreter auch gleich die Zusage mit nach Hause, ab sofort 440 neue Personalstellen ausschreiben zu können. Die Aufteilung auf die einzelnen Standorte wird noch ermittelt. Gunter Schweiger, Präsident der Hochschule für angewandte Wissenschaften Ingolstadt sieht sich jetzt für die jungen Männer aus der wegfallenden Wehrpflicht gut gerüstet:

    "In den letzten Jahren ist viel passiert, was die Räumlichkeiten betrifft. Es sind an einzelnen Standorten wie in Ingolstadt Container aufgestellt worden, woanders sind Anmietungen entstanden in Räumlichkeiten, die dafür geeignet sind, in Schulen zum Beispiel. Natürlich kommt da jetzt noch etwas drauf aus der Wehrpflicht. Da so schnell zu reagieren ist eine Herausforderung."

    Insgesamt rechnet Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch mit Kosten von 220 Millionen Euro, je zur Hälfte vom Bund und vom Freistaat, die ihm die Bundeswehrreform von Verteidigungsminister Guttenberg beschert hat:

    "Ich werde auch noch mal persönlich mit dem Verteidungsminister zu Guttenberg telefonieren, um auszuloten, inwieweit wir die Universität der Bundeswehr hier mit einbeziehen können. Es könnte sein, dass da noch Kapazitäten frei sind. Aber auch da werden wir Angebote vorlegen."

    Woher der plötzliche Sinneswandel in der bayerischen Staatskanzlei kommt? Mit einer Antwort hält man sich bedeckt. Die positiven Steuerschätzungen hätten die bildungspolitische Wundertüte ermöglicht, heißt es. Neben einem Sonderprogramm für eine stärkere Internationalisierung seiner Hochschulen präsentiert der Ministerpräsident zum Schluss noch den Joker, der ihm auch den letzten Hochschulpräsidenten gewogen macht. Die Aufhebung der gefürchteten sechsmonatigen Wiederbesetzungssperre von Professorenstellen:

    "Gerade in der Zeit, wo die doppelten Abiturjahrgänge kommen, will ich darüber nachdenken, ob man das nicht zeitlich versetzt, damit nicht ausgerechnet in der Zeit, wo die zusätzlichen Studentenzahlen kommen die Wiederbesetzungssperre einsetzt."

    Viel Zeit nahm sich der bayerische Ministerpräsident nicht zum Nachdenken. Noch gestern Abend verkündete sein Wissenschaftsminister nach einer weiteren Besprechungsklausur in der Staatskanzlei, dass die Sperrfristen für die Wiederbesetzung der Professorenstellen ausgesetzt werden.