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Podcast „Out To Lunch“
Schmatzen und Schwatzen

Der berühmt-berüchtigte Restaurantkritiker Jay Rayner quatscht in seinem Podcast mit Prominenten in den besten Londoner Restaurants. Unser Podcast-Kritiker findet: Noch nie hat es so viel Spaß gemacht, Menschen beim Schmatzen zuzuhören.

Von Sandro Schroeder |
Der Podcast von Jay Rayner "Out to Lunch"
Der Podcast von Jay Rayner "Out To Lunch" (Screenshot/Somethinelse)
Och bitte! Nicht noch ein Gesprächsformat, nicht noch ein endloser Laberpodcast! Und dann auch noch ein Prominenter, der mit anderen Prominenten redet. Das hat die Welt wirklich nicht gebraucht. Aber der Podcast "Out To Lunch" von Jay Rayner ist zum Glück eben kein liebloses Schnellgericht aus der Promi-Podcast-Küche. Sondern ein richtiges Sterne-Menü für Gourmet-Ohren:
Jay Rayner: "Welcome to 'Out To Lunch'. A fabulous new series of interviews. With me, Jay Rayner. In which I take fascinating individuals out for a meal in a great restaurant."
Und das liegt natürlich in erster Linie erstmal am Podcast-Gastgeber selbst: Jay Rayner. Berühmt-berüchtigter Restaurantkritiker. Genauso gefürchtet wie geschätzt. Seit zwanzig Jahren im Dienst beim britischen "The Observer". Und ein Genießer.
Jay Rayner: "And yes, I do know a bit about restaurant. I’ve been reviewing them for twenty years. I once had a twenty inch waist, but that’s gone now."
Ehrlich, lustig, kultig britisch
Was der britische Sternekoch Gordon Ramsay für Kochsendungen im Trash-Fernsehen ist, das ist Landsmann Jay Rayner für die Restaurantkritik: schonungslos ehrlich, manchmal streitbar, aber immer unterhaltsam – und das alles noch kräftig gewürzt mit einer ordentlichen Prise Britishness. Also ziemlich kultige Zutaten für einen Podcast.
Jay Rayner: "So for each episode of 'Out To Lunch', I don’t just choose any restaurant. I choose one that I think is going to suit the guest."
"Out To Lunch" macht aber gleich auf mehreren Ebenen Spaß, trotz vieler Essgeräusche. Da wäre zuerst das Setting: Interviews in erstklassigen Restaurants, sorgfältig ausgesucht, vom Restaurantkritiker - für seine Gäste.
Jay Rayner: "So the actress Alex Kingston lived in Los Angeles for a very long time. And we sent her dietary requirements, she came back saying: 'Seafood'. Then I said: 'Sushi. Question mark?' The message we got back was that she loves Sushi. So we’ve come to a place called Chisou …"
Podcast-Vergnügen ohne Essen, dafür mit Essgeräuschen
Schon die Essensbestellung macht dann einfach Spaß beim Zuhören, und das obwohl ich als Hörer natürlich keinen einzigen Happen abbekomme. Beispielsweise, wenn Rayner dann Sushi frühstücken geht, mit Schauspielerin Alex Kingston, bekannt aus "Emergency Room" und "Doctor Who".
Jay Rayner: "I put an order in."
Alex Kingston: "Oh, I’m so excited!
Jay Rayner: "So we’re starting with yellow-tail Sashimi with Jalapeno.
Alex Kingston: "Oh my god, fantastic"
Oder wenn es Lunch gibt, im Londoner Schickimicki-Restaurant "The Brasserie of Light", zusammen mit Spice Girl Mel C.
Mel C: "It is super fabulous, it’s somewhere to bring, you know, when you really wanna treat somebody, ‘cause it feels super fancy, doesn’t it? It’s very sparkly!"
Die Wahl des Restaurants erfüllt im Podcast natürlich gleich mehrere Funktionen: Da wird das Eis gebrochen, spätestens mit dem Hauptgang – die Gäste fühlen sich wohl und umgarnt – und der Gastgeber, der ist sowieso in seinem Element. Und als Hörer bin ich einfach ehrlich gespannt, Restaurants mal aus der Perspektive eines Restaurant-Kritikers kennenzulernen.
Jay Rayner: "So the question in my head was, where do you take a great Italian-American like Stanley Tucci? And it turns out there is one restaurant to the likes and I’m standing in front of it, 'Locanda Locatelli'. It’s the restaurant of Giorgio Locatelli, one of Britain’s great Italian-born chefs ..."
Ein Promi, der wirklich podcasten kann
Im Vergleich zu anderen Promi-Podcastern hat Jay Rayner als Journalist natürlich einen unfairen Vorteil: Er hat ein Thema und kann locker über das Essen plaudern, wie ernsthafte Interviews mit seinen Gästen führen. Da macht es mir ehrlich gesagt auch wenig aus, wenn ich mit den Interviewgästen wie Stanley Tucci vorher nicht so richtig etwas anfangen konnte. Aber spätestens nach dem Essen mit Rayner sind mir irgendwie alle sympathisch:
Stanley Tucci: "Having a role, to sink your teeth into - that’s the whole point of being an actor. So, will I ever be a box office sensation? No, I don’t think so! And people always say: 'When did you make it?' And I always say: 'I never made it!'"
Und so wechselt Rayner ständig die Rollen: Mal ist er der nette Tischnachbar beim Mittagessen, mal ist er der neugierig fragende Journalist, der beispielsweise Tucci fragt, ob er eigentlich richtig berühmt ist. Und manchmal gefällt sich der Restaurant-Kritiker Jay Rayner auch einfach in seiner Rolle: als leicht überheblicher Auskenner, der seine unwissenden Laien-Gäste schon sehr gerne durch seine Welt führt. So wie beim Sushi-Knigge, mit Schauspielerin Alex Kingston:
Jay Rayer: "Those are fresh jalapenos. And they are a kick in the teeth."
Alex Kingston: "I love that. See, I can’t pick this up with my chopsticks, because it’s so sloppy."
Jay Rayner: "It is quite sloppy. In a good way!"
Alex Kingston: "But would this be something that you would normally pick up with your fingers?"
Jay Rayner: "No! There’s no way that’s gonna happen."
Staffel 1 ist gegessen, Staffel 2 bestellt
Die erste Staffel von "Out To Lunch" ist gerade zu Ende gegangen, mit dreizehn Episoden mit je gut 45 Minuten Länge. Ihren Höhepunkt hatte der Podcast für mich aber gleich in der ersten Episode. Trüffel-Pasta mit Schauspieler-Schrägstrich-Supernase Richard E. Grant:
Jay Rayner: "Our table is coming in and a man has a glove on. And he’s holding a white truffle. Could you do me a favor and I think Richard needs to have a good sniff of this."
Richard E. Grant: "Oh my god. That’s literally a nose orgasm to me."
Jay Rayner: "How would describe the smell of white truffle?"
Richard E. Grant: "Like a multiple rolling gastronomic orgasm."
Das Interview mit Grant ist einfach eine herrlich schräge Mischung aus zwei wirklich schrägen Macho-Typen, die in Zeiten, in denen alte, weiße Männer in der Kritik stehen, leider trotzdem sehr unterhaltsam sind.
Richard E. Grant: "Do you like food more than sex?"
Jay Rayner: "Uhm … I have food more often than sex, it has to be said."
Richard E. Grant: "We all do."
Jay Rayner: "Do I like food more? Actually, I do like food more than sex."
"Richard E. Grant: "Do you?"
Jay Rayner: "I am wondering about it now. It’s a margin call."
Und nach der ersten Staffel muss ich ehrlich gestehen: Es hat noch nie so viel Spaß gemacht, Menschen beim Essen und Schmatzen zuzuhören. Zum Glück ist die zweite Staffel schon für Ende des Jahres vorbestellt – und der Restaurant-Podcast "Out to Lunch" von Jay Rayner wird hoffentlich wieder genauso köstlich.