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Politik als Planspiel
Wie deutsch-französische Zusammenarbeit funktionieren könnte

Eigentlich ist der deutsch-französische Ministerrat ein regelmäßiger Termin für die Regierungen in Berlin und Paris. In diesem Frühjahr jedoch nicht, denn in beiden Ländern finden Wahlen statt. Gelegenheit für das deutsch-französische Jugendwerk, die politisch hochkarätige Veranstaltung zu simulieren, in einem Planspiel.

Von Suzanne Krause | 27.04.2017
    Die französische und die deutsche Fahne am Rathaus von Frankfurt/Main
    Das deutsch-französische Jugendwerk simuliert den deutsch-französischen Ministerrat (dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst)
    Am Rande des deutsch-französischen Ministerrats resümiert die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, vor einer Fernsehkamera erste Erkenntnisse.
    "Frankreich hat ein sehr großes Problem mit Jugendarbeitslosigkeit, während Deutschland kaum betroffen davon ist."
    Beim nachgestellten binationalen Ministerrat ist Korbinian Ruckerbauer mit Bravour in die Rolle von Andrea Nahles geschlüpft. Neben einem gewissen Schauspieltalent bringt der 20-Jährige auch handfeste Erfahrungen mit: Er absolviert einen deutsch-französischen Studiengang, hat ein Praktikum im französischen Außenministerium hinter sich und nimmt so oft es geht an Austauschprogrammen des Deutsch-Französischen Jugendwerks teil:
    "Man trifft Menschen, die in der gleichen Situation sind, in der gleichen Lebenssituation. Und man tauscht sich über unterschiedlichste Erfahrungen aus. Also ob das nun interkulturelle Sachen angeht oder auch sehr praktisch studienbezogene oder auch arbeitsbezogene Erfahrungen, von denen man sich dann inspirieren lassen kann."
    Priorität: Arbeit und Beruf
    In Paris nun hat sich Korbinian in die Funktionsweise des deutsch-französischen Ministerrats einarbeiten können und an einem Gesetz gegen Jugendarbeitslosigkeit mitgefeilt. Ein binationaler Fonds, um Auszubildenden einen Aufenthalt im Nachbarland zu finanzieren. Im realen Leben hätte diese Idee wenig Chancen, meint der Student:
    "Also Herr Schäuble hätte bestimmt nicht eine Milliarde aus seinem Budget zur Verfügung gestellt für so ein Arbeitsbeschaffungsprogramm."
    Dabei ist der Fonds ein heiß gehegter Wunsch des französischen Jugend- und Sportministers Patrick Kanner. Pardon: der jungen Französin, die beim Spiel in Kanners Rolle geschlüpft war. Najat Tataoui ist 18 Jahre alt und trägt Kopftuch, ihre Familie stammt aus Nordafrika, Najat lebt in einem Pariser Vorort und macht derzeit freiwillig Zivildienst - für erste Kontakte mit der Arbeitswelt:
    "Es war unglaublich bereichernd, für einige Stunden in die Haut eines Politikers zu schlüpfen und in seinem Namen zu sprechen. Damit habe ich Einblick bekommen, wie Politik überhaupt gemacht wird. Das hat mir völlig neue Horizonte eröffnet."
    Die Welt des deutsch-französischen Austauschs ist für Najat Tataoui Neuland. Für Politik interessiere sie sich erst seit Kurzem, erzählt die Jungwählerin:
    "Teils scheint die Regierung die Nöte von uns jungen Leuten zu erhören. In anderen Bereichen hingegen bräuchte es dringend einen Plan. Zum Beispiel betreffs der schulischen Berufsvorbereitung."
    Ideen auszudiskutieren habe sie beim nachgespielten binationalen Ministerrat gelernt, berichtet Najat Tataoui begeistert. Während Grégory Jernidier alias François Hollande formvollendet zur Schlussrede ansetzt:
    "Madame la Chancelière, Mesdames et Messieurs les ministres de la République française. Sehr geehrte Ministerinnen und Minister der Bundesrepublik Deutschland."
    Kein Interesse an politischer Karriere
    Nonchalant bringt der 19-Jährige aus Guadeloupe seine Eindrücke beim Simulationsspiel des Deutsch-Französischen Jugendwerks auf den Punkt:
    "Frankreich und Deutschland arbeiten Hand in Hand für dasselbe Ziel: Ein Europa aufzubauen, das Bestand hat und für jedermann lebenswert erscheint."
    Als Einstieg in eine politische Karriere allerdings sieht Grégory Jernidier seinen Einsatz als Staatsoberhaupt beim binationalen Ministerrat keineswegs:
    "Ich setze mich zwar für den Umweltschutz ein, weil das sehr wichtig ist für die Menschheit, aber einer Partei beizutreten, das interessiert mich nicht."
    Denn das Klima in der Politik sei, wie er im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf sehe, zu rau für ihn.