Schöfer hat in Berlin Philosophie und Germanistik studiert, dann in Bonn Sprachwissenschaften. Seine Dissertation veröffentlichte er unter dem Namen Erasmus. Sein erster Name "Hartmut" war ihm zu deutschtümmelnd.
1970 war er Mitbebegründer des Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, auch Erika Runge und Günther Walraff gehörten dazu. Lehrer, Sozialarbeiter und Studenten halfen mit, Werkstätten aufzubauen, in denen Autoren und Arbeiter sich treffen sollten. Sie riefen Wettbewerbe ins Leben. Arbeitsalltag sollte endlich Einzug finden in die Literatur. Nach einem Reportagewettbewerb erschien das erste Buch, die Anthologie "Ein Baukran stürzt". Über 60 Bücher sollten erscheinen.
"Wir sind direkt hingegangen zu schreibenden Arbeitern und Angestellten und wollten ihnen eine bessere Öffentlichkeit und auch eine bessere Qualifikation ihrer Schreibversuche verschaffen. Da bin ich dann über zehn, zwölf Jahre dabei geblieben, solange, bis sich die Bewegung ein bisschen totgelaufen hat in dem Sinne, dass sie keinen wirklichen politischen Biss mehr hatte. Dass die Werkstätten, die wir an vielen Orten in der Bundesrepublik, bis zu 30 Stück, damals gegründet hatten, dass die doch etwas herabgesunken sind zu Wärmstuben für Hobbyschreiber."
Denn die großen Schriftsteller wie Handke, Walser und Böll spendeten zwar und unterschrieben, dass der Werkkreis unterstützt werden sollte - doch es gab niemals die von Erasmus Schöfer gewünschte kontinuierliche Zusammenarbeit. Schöfer hingegen engagierte sich so sehr, dass ihm selbst keine Zeit zum Schreiben eines großen Romanes blieb.
"Es war ja sehr viel organisatorische Arbeit, diese Werkstätten zusammenzuführen in ihren Produkten und daraus eine Buchreihe zu machen, das war ja sehr viel Mühe. und da war ich natürlich ganz gut qualifiziert dafür einerseits. Andererseits hat das auch meine schriftstellerische Arbeit reduziert, stark reduziert auf pädagogische Arbeit. Ich habe halt versucht, den Kollegen was beizubringen und auch die Bücher dann zu Lektorieren und Herausgeberschaft zu machen. Das alles sind ja Dinge, die nicht zum unmittelbaren Geschäft eines Schriftstellers gehören."
Seine Stimme erhoben hat er trotzdem, Zeit seines Lebens. Schöfers Vorstellung von Sozialismus ist die Verwirklichung des Individuums. Er ist in die DKP eingetreten, weil er glaubte, nur gemeinsam, nicht allein, könne man etwas verändern. In der knappen Zeit, die ihm neben der politischen Arbeit und der im Werkkreis blieb, hat er vor allem Hörspiele und Features geschrieben.
"So habe ich an den Stellen in unserer westdeutsche Bürgerrepublik, wo sich die Bürger bewegt haben und selber auch ihre Dinge in die Hand genommen haben, nicht zufrieden waren, einmal ihre Stimme alle vier Jahre in eine Abstimmungskiste zu werfen, da bin ich hingegangen und wollte das aufschreiben als meinen Teil an den Bürgerbewegungen im Land. Die Situation war schon oft so, dass die Menschen, die sich da gewehrt haben gegen irgendwelche Begriffe oder versucht haben, etwas Neues zu machen, dass die nicht unbedingt gleich die große Publizität hatten. Insofern konnte da ein Schriftsteller durchaus auch eine Aufgabe darin sehen, darüber zu schreiben und darüber zu publizieren."
Pädagogisch und politisch war also die Arbeit Erasmus Schöfers in erster Linie. 1989 fiel die Mauer und mit ihr auch die Hoffnung der DKPisten auf ein gerechteres, sozialistisches Deutschland.
"Nun war da nichts mehr zu wollen und nichts mehr zu verändern. Da war mir klar, ich habe in den ganzen Jahren soviel Erfahrung gesammelt aus den Bewegungen innerhalb unseres Landes etwas zu verändern, etwas die Zukunft offen zu halten, etwas pathetisch gedacht, dass ich dachte, das muss ich schreiben, das muss meine Aufgabe sein. Es gibt wenige Kollegen, die sich in die demokratischen Bewegungen und in die Bürgerbewegungen hineinbegeben haben und drüber geschrieben haben - sie haben das mehr von Fremde beschreiben. Deshalb habe ich mir das vorgenommen. Ich schreibe über diese Jahre und zwar nicht mit der Ironie und Häme und dem Besserwissen des 20-jährigen Abstandes, sondern so wie ich mich erinnere, wie wir das damals auch verstanden haben."
Erasmus Schöfer beginnt mit der Arbeit an seiner Tetralogie "Die Kinder des Sisyfos". "Ein Frühling irrer Hoffnung" schildert die Aufbruchsstimmung im Jahre 1968, "Zwielicht" spielt in den 70er Jahren, den Zeiten der großen Bürgerbewegungen, aber auch den Zeiten der RAF und des erstarkenden Staates. "Sonnenflucht" ist der bislang letzte Roman der Tetralogie. Schöfer schreibt an Band vier, der, soviel verrät der Autor, wieder mit Bliss beginnen wird. Er liegt - schwerverletzt und für immer durch die Brandwunden verunstaltet - in der Berliner Charité.
Schöfer versucht, so nahe wie möglich bei der Wirklichkeit zu bleiben. Warum sind die Menschen auf die Straße gegangen, worüber diskutierten sie?
"Ich möchte diese beiden historischen Zäsuren von '68 und '89 als die Einschnitte nehmen. 6'8 der Aufbruch der jungen Menschen aus dieser Adenauerrepublik heraus etwas Neues anfangen wollen und dann '89 der defintiv sichtbar gewordene Zusammenbruch der Hoffnungen hier in Westdeutschland","
so die eher ungewöhnliche Perspektive Erasmus Schöfers, die Perspektive eines realsozialistischen orientierten Linken eben.
1986 erscheint "Tod in Athen" zum ersten Mal, kürzlich ist der gründlich überarbeitete Roman wiederaufgelegt worden unter dem Titel "Sonnenflucht". Zwar wird in Schöfers Roman heftig über Politik diskutiert. Und Erasmus Schöfer gibt auch Lehrstunde in Sachen neuerer griechischer Geschichte: der Bürgerkrieg in Griechenland, die Internierungslager. Sein Held lernt Griechisch nicht aus der Fibel, sondern aus Gedichten des Lyrikers Jannis Ritsos, die dieser im Lager geschrieben hatte.
Doch Erasmus Schöfer versteht sich auch auf großartige Naturbeschreibungen, Natur in ihrer Schönheit und in ihrer Grausamkeit. Seine Stadtbilder sind sehr sinnlich. Man spürt beinahe fast den beißenden Rauch in der Nase, wenn Schöfer über Brände in Athen beschreibt. Schöfer lässt seine Protagonisten philosophieren, er zitiert Klassiker, er benutzt Reportageelemente, verwendet die Briefform. Authentische Personen, authentische Geschehnisse, wie etwa die Aktion von Günter Wallraff, der sich in den Zeiten der Diktatur in Athen an einen Laternenpfahl kettete. Diese verschiedenen Arten zu schreiben, lösen einander ab, erzeugen stets neue Spannung.
""Ist es eine Schreibtechnik oder ist es eine Offenheit für die Umwelt, die ein Mensch erlebt? Es ist ja eine weitgehend realistische Schreibweise, die man nicht in eine verständliche Sprache übersetzen muss, denke ich. Aber ich habe mit meiner ganzen Erfahrung des Umgangs mit Sprache was angefangen mit meinem Studium der Sprachwissenschaft, natürlich die Sprache nicht nur als ein Mittel der Beschreibung von Wirklichkeit gesehen, sondern auch als ein selbstschöpferisches Element. Und ich habe mich bemüht, auf diese Weise ein reiches Panorama von Lebensumwelt für meine Hauptpersonen darzustellen."
In "Sonnenflucht" versucht der Betriebsrat Manfred Anklam seinen Freund Victor Bliss, einen vom Berufsverbot betroffenen Lehrer von einer griechische Insel zurückzuholen nach Deutschland. Bliss hat sich dorthin verkrochen, weil im klar geworden ist, dass er seiner Partei nur als Lehrfall, nicht als Person wichtig war. Er ist landauf, landab gereist und hat über sein "Berufsverbot" gesprochen. Seine Ehe ist darüber zerbrochen. Anklam will ihn wieder für den politischen Kampf agitieren. Er weiß nicht, dass er während seiner Abwesenheit als Betriebsrat entlassen worden ist.
Sie vergleichen den Kampf der griechischen Kommunisten mit dem in Deutschland. Sie erleben den Tod einer jungen Frau bei einer Demonstration. Bliss lernt deren Freundin Katina kennen. Er will noch einmal mitkämpfen, einmal wichtig sein. Bei einer Rettungsaktion während eines Brandes in Athen wird er schwer verletzt. Katina schickt ihm Kassetten ins Krankenhaus, auf denen sie von sich und der Freundin erzählt.
"Sonnenflucht" ist multiperspektivisch. Die Kassetten, die Katina besprochen hat weisen von Anfang an auf das drohende Ende hin. Jeweils ein Kapitel ist Katina, eines Bliss und eines Anklam gewidmet. Drei verschiedene Betrachtungsweisen, drei verschiedene Herangehensweisen ans Leben und an die politische Arbeit:
"Natürlich steht diese griechische Studentin für die griechische Perspektive, die ich kannte, weil ich ein Jahr dort gelebt hatte und deshalb darstellen konnte. Die beiden Deutschen: Der eine ist halt der hamlettsche Typ, der zaudert, der aber letzten Endes doch seinen Vorstellungen vom Mensch sein immer treu bleibt, auch wenn er durch die gesonderten Umstände, die ihm das verwehren wollen, sich angegriffen und verletzt fühlt, also tatsächlich auch verletzt ist. Während sein Freund, der Mann, der im Betrieb lebt, natürlich schon bodenständiger ist und noch stärker mit dieser Realität verbunden, in der die materielle Welt entsteht oder geschaffen wird. Anklam ist ein Arbeiter, der mit dem reinen Arbeitersein nicht zufrieden ist und der versucht, da herauszukommen, in dem er liest."
Erasmus Schöfer hat sich in das Leben hineinbegeben, nie im Elfenbeinturm gesessen. Er will die Dialektik der Wirklichkeit in sein Werk einbringen. Zu seinem 75. Geburtstag ist ein ihm gewidmetes Buch erschienen. "Unsichtbar lächelnd träumt er die Befreiung. Erasmus Schöfer unterwegs mit Sisyfos". Weggefährten wie Dieter Wellershoff und Hermann Schulz schreiben über Schöfer, ein Doppelinterview Erasmus Schöfer - Günter Wallraff ist abgedruckt, Rezensionen werden wiederveröffentlicht und ein Brief Heinrich Bölls, in dem er erklärt, warum er das Manuskript von "Tod in Athen" dem Lamuv Verlag nicht zur Veröffentlichung empfehlen kann.
Der Dittrich Verlag hat die Romane von Erasmus Schöfer veröffentlicht. Ob es nur die interessiert, die damals Mitstreiter waren und die sich erinnern wollen an die Zeiten des Kampfes und der Hoffnung oder ob der eine oder andere junge Leser sich davon angesprochen fühlt, das wird sich noch zeigen.
1970 war er Mitbebegründer des Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, auch Erika Runge und Günther Walraff gehörten dazu. Lehrer, Sozialarbeiter und Studenten halfen mit, Werkstätten aufzubauen, in denen Autoren und Arbeiter sich treffen sollten. Sie riefen Wettbewerbe ins Leben. Arbeitsalltag sollte endlich Einzug finden in die Literatur. Nach einem Reportagewettbewerb erschien das erste Buch, die Anthologie "Ein Baukran stürzt". Über 60 Bücher sollten erscheinen.
"Wir sind direkt hingegangen zu schreibenden Arbeitern und Angestellten und wollten ihnen eine bessere Öffentlichkeit und auch eine bessere Qualifikation ihrer Schreibversuche verschaffen. Da bin ich dann über zehn, zwölf Jahre dabei geblieben, solange, bis sich die Bewegung ein bisschen totgelaufen hat in dem Sinne, dass sie keinen wirklichen politischen Biss mehr hatte. Dass die Werkstätten, die wir an vielen Orten in der Bundesrepublik, bis zu 30 Stück, damals gegründet hatten, dass die doch etwas herabgesunken sind zu Wärmstuben für Hobbyschreiber."
Denn die großen Schriftsteller wie Handke, Walser und Böll spendeten zwar und unterschrieben, dass der Werkkreis unterstützt werden sollte - doch es gab niemals die von Erasmus Schöfer gewünschte kontinuierliche Zusammenarbeit. Schöfer hingegen engagierte sich so sehr, dass ihm selbst keine Zeit zum Schreiben eines großen Romanes blieb.
"Es war ja sehr viel organisatorische Arbeit, diese Werkstätten zusammenzuführen in ihren Produkten und daraus eine Buchreihe zu machen, das war ja sehr viel Mühe. und da war ich natürlich ganz gut qualifiziert dafür einerseits. Andererseits hat das auch meine schriftstellerische Arbeit reduziert, stark reduziert auf pädagogische Arbeit. Ich habe halt versucht, den Kollegen was beizubringen und auch die Bücher dann zu Lektorieren und Herausgeberschaft zu machen. Das alles sind ja Dinge, die nicht zum unmittelbaren Geschäft eines Schriftstellers gehören."
Seine Stimme erhoben hat er trotzdem, Zeit seines Lebens. Schöfers Vorstellung von Sozialismus ist die Verwirklichung des Individuums. Er ist in die DKP eingetreten, weil er glaubte, nur gemeinsam, nicht allein, könne man etwas verändern. In der knappen Zeit, die ihm neben der politischen Arbeit und der im Werkkreis blieb, hat er vor allem Hörspiele und Features geschrieben.
"So habe ich an den Stellen in unserer westdeutsche Bürgerrepublik, wo sich die Bürger bewegt haben und selber auch ihre Dinge in die Hand genommen haben, nicht zufrieden waren, einmal ihre Stimme alle vier Jahre in eine Abstimmungskiste zu werfen, da bin ich hingegangen und wollte das aufschreiben als meinen Teil an den Bürgerbewegungen im Land. Die Situation war schon oft so, dass die Menschen, die sich da gewehrt haben gegen irgendwelche Begriffe oder versucht haben, etwas Neues zu machen, dass die nicht unbedingt gleich die große Publizität hatten. Insofern konnte da ein Schriftsteller durchaus auch eine Aufgabe darin sehen, darüber zu schreiben und darüber zu publizieren."
Pädagogisch und politisch war also die Arbeit Erasmus Schöfers in erster Linie. 1989 fiel die Mauer und mit ihr auch die Hoffnung der DKPisten auf ein gerechteres, sozialistisches Deutschland.
"Nun war da nichts mehr zu wollen und nichts mehr zu verändern. Da war mir klar, ich habe in den ganzen Jahren soviel Erfahrung gesammelt aus den Bewegungen innerhalb unseres Landes etwas zu verändern, etwas die Zukunft offen zu halten, etwas pathetisch gedacht, dass ich dachte, das muss ich schreiben, das muss meine Aufgabe sein. Es gibt wenige Kollegen, die sich in die demokratischen Bewegungen und in die Bürgerbewegungen hineinbegeben haben und drüber geschrieben haben - sie haben das mehr von Fremde beschreiben. Deshalb habe ich mir das vorgenommen. Ich schreibe über diese Jahre und zwar nicht mit der Ironie und Häme und dem Besserwissen des 20-jährigen Abstandes, sondern so wie ich mich erinnere, wie wir das damals auch verstanden haben."
Erasmus Schöfer beginnt mit der Arbeit an seiner Tetralogie "Die Kinder des Sisyfos". "Ein Frühling irrer Hoffnung" schildert die Aufbruchsstimmung im Jahre 1968, "Zwielicht" spielt in den 70er Jahren, den Zeiten der großen Bürgerbewegungen, aber auch den Zeiten der RAF und des erstarkenden Staates. "Sonnenflucht" ist der bislang letzte Roman der Tetralogie. Schöfer schreibt an Band vier, der, soviel verrät der Autor, wieder mit Bliss beginnen wird. Er liegt - schwerverletzt und für immer durch die Brandwunden verunstaltet - in der Berliner Charité.
Schöfer versucht, so nahe wie möglich bei der Wirklichkeit zu bleiben. Warum sind die Menschen auf die Straße gegangen, worüber diskutierten sie?
"Ich möchte diese beiden historischen Zäsuren von '68 und '89 als die Einschnitte nehmen. 6'8 der Aufbruch der jungen Menschen aus dieser Adenauerrepublik heraus etwas Neues anfangen wollen und dann '89 der defintiv sichtbar gewordene Zusammenbruch der Hoffnungen hier in Westdeutschland","
so die eher ungewöhnliche Perspektive Erasmus Schöfers, die Perspektive eines realsozialistischen orientierten Linken eben.
1986 erscheint "Tod in Athen" zum ersten Mal, kürzlich ist der gründlich überarbeitete Roman wiederaufgelegt worden unter dem Titel "Sonnenflucht". Zwar wird in Schöfers Roman heftig über Politik diskutiert. Und Erasmus Schöfer gibt auch Lehrstunde in Sachen neuerer griechischer Geschichte: der Bürgerkrieg in Griechenland, die Internierungslager. Sein Held lernt Griechisch nicht aus der Fibel, sondern aus Gedichten des Lyrikers Jannis Ritsos, die dieser im Lager geschrieben hatte.
Doch Erasmus Schöfer versteht sich auch auf großartige Naturbeschreibungen, Natur in ihrer Schönheit und in ihrer Grausamkeit. Seine Stadtbilder sind sehr sinnlich. Man spürt beinahe fast den beißenden Rauch in der Nase, wenn Schöfer über Brände in Athen beschreibt. Schöfer lässt seine Protagonisten philosophieren, er zitiert Klassiker, er benutzt Reportageelemente, verwendet die Briefform. Authentische Personen, authentische Geschehnisse, wie etwa die Aktion von Günter Wallraff, der sich in den Zeiten der Diktatur in Athen an einen Laternenpfahl kettete. Diese verschiedenen Arten zu schreiben, lösen einander ab, erzeugen stets neue Spannung.
""Ist es eine Schreibtechnik oder ist es eine Offenheit für die Umwelt, die ein Mensch erlebt? Es ist ja eine weitgehend realistische Schreibweise, die man nicht in eine verständliche Sprache übersetzen muss, denke ich. Aber ich habe mit meiner ganzen Erfahrung des Umgangs mit Sprache was angefangen mit meinem Studium der Sprachwissenschaft, natürlich die Sprache nicht nur als ein Mittel der Beschreibung von Wirklichkeit gesehen, sondern auch als ein selbstschöpferisches Element. Und ich habe mich bemüht, auf diese Weise ein reiches Panorama von Lebensumwelt für meine Hauptpersonen darzustellen."
In "Sonnenflucht" versucht der Betriebsrat Manfred Anklam seinen Freund Victor Bliss, einen vom Berufsverbot betroffenen Lehrer von einer griechische Insel zurückzuholen nach Deutschland. Bliss hat sich dorthin verkrochen, weil im klar geworden ist, dass er seiner Partei nur als Lehrfall, nicht als Person wichtig war. Er ist landauf, landab gereist und hat über sein "Berufsverbot" gesprochen. Seine Ehe ist darüber zerbrochen. Anklam will ihn wieder für den politischen Kampf agitieren. Er weiß nicht, dass er während seiner Abwesenheit als Betriebsrat entlassen worden ist.
Sie vergleichen den Kampf der griechischen Kommunisten mit dem in Deutschland. Sie erleben den Tod einer jungen Frau bei einer Demonstration. Bliss lernt deren Freundin Katina kennen. Er will noch einmal mitkämpfen, einmal wichtig sein. Bei einer Rettungsaktion während eines Brandes in Athen wird er schwer verletzt. Katina schickt ihm Kassetten ins Krankenhaus, auf denen sie von sich und der Freundin erzählt.
"Sonnenflucht" ist multiperspektivisch. Die Kassetten, die Katina besprochen hat weisen von Anfang an auf das drohende Ende hin. Jeweils ein Kapitel ist Katina, eines Bliss und eines Anklam gewidmet. Drei verschiedene Betrachtungsweisen, drei verschiedene Herangehensweisen ans Leben und an die politische Arbeit:
"Natürlich steht diese griechische Studentin für die griechische Perspektive, die ich kannte, weil ich ein Jahr dort gelebt hatte und deshalb darstellen konnte. Die beiden Deutschen: Der eine ist halt der hamlettsche Typ, der zaudert, der aber letzten Endes doch seinen Vorstellungen vom Mensch sein immer treu bleibt, auch wenn er durch die gesonderten Umstände, die ihm das verwehren wollen, sich angegriffen und verletzt fühlt, also tatsächlich auch verletzt ist. Während sein Freund, der Mann, der im Betrieb lebt, natürlich schon bodenständiger ist und noch stärker mit dieser Realität verbunden, in der die materielle Welt entsteht oder geschaffen wird. Anklam ist ein Arbeiter, der mit dem reinen Arbeitersein nicht zufrieden ist und der versucht, da herauszukommen, in dem er liest."
Erasmus Schöfer hat sich in das Leben hineinbegeben, nie im Elfenbeinturm gesessen. Er will die Dialektik der Wirklichkeit in sein Werk einbringen. Zu seinem 75. Geburtstag ist ein ihm gewidmetes Buch erschienen. "Unsichtbar lächelnd träumt er die Befreiung. Erasmus Schöfer unterwegs mit Sisyfos". Weggefährten wie Dieter Wellershoff und Hermann Schulz schreiben über Schöfer, ein Doppelinterview Erasmus Schöfer - Günter Wallraff ist abgedruckt, Rezensionen werden wiederveröffentlicht und ein Brief Heinrich Bölls, in dem er erklärt, warum er das Manuskript von "Tod in Athen" dem Lamuv Verlag nicht zur Veröffentlichung empfehlen kann.
Der Dittrich Verlag hat die Romane von Erasmus Schöfer veröffentlicht. Ob es nur die interessiert, die damals Mitstreiter waren und die sich erinnern wollen an die Zeiten des Kampfes und der Hoffnung oder ob der eine oder andere junge Leser sich davon angesprochen fühlt, das wird sich noch zeigen.