Noch heute funktioniert anscheinend der Trick, noch heute kommen Leute in die Ausstellung, sehen Bilder von Öyvind Fahlström oder Jean-Jacques Lebel und beschweren sich mit von Empörung gerötetem Gesicht: Das soll Kunst sein? Nein, natürlich soll es keine Kunst sein! Oder vielleicht doch? Fahlström und Lebel oder Arthur Köpcke und der gebürtige Isländer Erró, diese Vier, deren Werke hier zum ersten Mal vereint sind, haben es sich Zeit ihres Lebens zur Aufgabe gemacht, Kunst zu sabotieren, zu parodieren, zu negieren. Es soll also keine Kunst sein. Man soll nicht genau wissen, was es ist. Allerdings sind die Vier, die ein Kritiker als "Deserteure aus dem Theater des Kalten Krieges" bezeichnet hat, damit inzwischen prompt in den großen Sammlungen und Museen gelandet. Irgendetwas muss also auf dem Weg schief gelaufen sein. Oder vielleicht doch nicht?
Die siebziger Jahre waren, wenn man so auf sie zurückblickt, nicht immer die Zeit feinsinniger Weltentwürfe. Mitunter wurde eher mit dem Hammer philosophiert, und Fahlström, Lebel, Köpcke und Erró kannten sich hinreichend gut aus bei Nietzsche. Im Grunde übertrugen sie das Prinzip der Hammerphilosophie auf die Kunst. Sie sahen sich ganz buchstäblich als kritische Geister, deren Aufgabe darin besteht, dem Publikum genau das zuzumuten, was es eben nicht sehen will: Gemälde, in kreischbunten Farben, bevölkert mit Comicfiguren, ohne erkennbare Aussage, einfach nur störend. Müllinstallationen oder unvermeidlich das Durch-den-Kakao-Ziehen von Werbung und Politik dies- und jenseits des damals so genannten Eisernen Vorhangs. Erró, der heute vielleicht am wenigsten Bekannte, ist ein echter Großmeister in der Veräppelung des Sozialistischen Realismus. Er zeigt den Großen Vorsitzenden Mao auf seinen Gemälden als Jesuitenmönch in Venedig oder als Vorstandsboß vor der Silhouette der damals gerade eingeweihten Twin Towers von Manhattan. Oder, oh Schreck, einen Rotarmisten zu Weihnachten im Garten des Weißen Hauses. Natürlich zeigt er auch die amerikanischen Pendants, unter anderem Nixon vor einer vietnamesischen Schädelstätte, wie er sich gerade die Maske des Dauerlächlers abzieht.
Jean-Jacques Lebel, der aus der Schule von Marcel Duchamp und André Breton hervorging, hat sich schon in den frühen sechziger Jahren auf die Provokation mit pornographisch angehauchter Nacktheit spezialisiert. Sein Werk wirkt in dieser Hinsicht am meisten "klassisch", an erkennbaren Traditionen der Anti-Kunst orientiert. Öyvind Fahlström dagegen, der in Brasilien geboren wurde und 1976 in Stockholm starb, kann für sich in Anspruch nehmen, eine völlig eigene Formensprache erfunden zu haben, die auf seinen Drucken und Gemälden ein wenig so wirkt, als habe er die Symbole indianischer Kulturen mit westlichen Comicsequenzen vermischt. Es sind bunt gefleckte, mit Sprechblasen übersäte Bilderwelten, in denen er oft auf die Zustände in lateinamerikanischen Diktaturen eingeht und die mehr als zwiespältige Rolle der Amerikaner oder des Vatikans anprangert.
Seine Eigenständigkeit hat dem Werk Fahlströms bereits eine späte Würdigung auf der Kasseler documenta X 1995 eingetragen. Arthur Köpcke dagegen ist wie Erró bis heute beinah in Vergessenheit geraten. Er zählt zum selben Jahrgang wie Fahlström - 1928 -, hatte im Gegensatz zu diesem aber das Pech, nicht in Sao Paulo, sondern in Hamburg geboren zu sein, mit der Folge, dass er als Jugendlicher von fanatisierten Nazilehrern dazu gezwungen wurde, noch in den letzten Tagen vor der Kapitulation der Stadt sich den übermächtigen alliierten Panzern entgegenzustellen und mitzuerleben, wie ringsherum seine Freunde und Kameraden abgeschossen wurden. Köpcke wanderte nach Kopenhagen aus, wo er 1977 starb, und sein ganzes Künstlerleben verbrachte er damit, sich bitter über das neue kapitalistische System in Deutschland lustig zu machen, das so mühelos die Nazis von damals integrierte.
Vier Anti-Künstler also, die keinem politischen Ideal und keiner Kunst mehr vertrauen, die Dada und Fluxus noch einmal radikalisieren wollten und denen jeglicher künstlerischer Nachruhm denkbar gleichgültig war. Natürlich bedeutet Anti-Kunst nicht, aufzuhören mit dem Malen, Zeichnen, Drucken, Aktionen machen. Man weist nur ihre gesellschaftliche Bedeutung zurück, das Verlangen nach Anerkennung. Natürlich sind über diese Provokationen die Zeiten hinweggegangen, die heute ziemlich bemüht wirken, aber so werden die Zeiten eines Tages auch über einen Manfred Kippenberger oder Albert Oehlen hinweggegangen sein. Auch wirklich gute Witze lassen sich nicht ewig erzählen.
Dass sich heute Museen wie das nobel-bürgerliche Museum in Leipzig verpflichtet fühlen, an die Vier zu erinnern, wirkt dabei rührend und selbst ein wenig komisch zugleich, denn man merkt, dass sich diese Bilder in diesem repräsentativen Rahmen mit Parkettboden und frisch geweißelten Wänden zutiefst unwohl fühlen. Aber gerade dieser Kontrast ist es andererseits auch, der verdeutlicht, worum es Fahlström und Erró, Köpcke und Lebel nicht ging. Insofern gibt es hier diesmal durchaus ein richtiges Leben im falschen.
Die siebziger Jahre waren, wenn man so auf sie zurückblickt, nicht immer die Zeit feinsinniger Weltentwürfe. Mitunter wurde eher mit dem Hammer philosophiert, und Fahlström, Lebel, Köpcke und Erró kannten sich hinreichend gut aus bei Nietzsche. Im Grunde übertrugen sie das Prinzip der Hammerphilosophie auf die Kunst. Sie sahen sich ganz buchstäblich als kritische Geister, deren Aufgabe darin besteht, dem Publikum genau das zuzumuten, was es eben nicht sehen will: Gemälde, in kreischbunten Farben, bevölkert mit Comicfiguren, ohne erkennbare Aussage, einfach nur störend. Müllinstallationen oder unvermeidlich das Durch-den-Kakao-Ziehen von Werbung und Politik dies- und jenseits des damals so genannten Eisernen Vorhangs. Erró, der heute vielleicht am wenigsten Bekannte, ist ein echter Großmeister in der Veräppelung des Sozialistischen Realismus. Er zeigt den Großen Vorsitzenden Mao auf seinen Gemälden als Jesuitenmönch in Venedig oder als Vorstandsboß vor der Silhouette der damals gerade eingeweihten Twin Towers von Manhattan. Oder, oh Schreck, einen Rotarmisten zu Weihnachten im Garten des Weißen Hauses. Natürlich zeigt er auch die amerikanischen Pendants, unter anderem Nixon vor einer vietnamesischen Schädelstätte, wie er sich gerade die Maske des Dauerlächlers abzieht.
Jean-Jacques Lebel, der aus der Schule von Marcel Duchamp und André Breton hervorging, hat sich schon in den frühen sechziger Jahren auf die Provokation mit pornographisch angehauchter Nacktheit spezialisiert. Sein Werk wirkt in dieser Hinsicht am meisten "klassisch", an erkennbaren Traditionen der Anti-Kunst orientiert. Öyvind Fahlström dagegen, der in Brasilien geboren wurde und 1976 in Stockholm starb, kann für sich in Anspruch nehmen, eine völlig eigene Formensprache erfunden zu haben, die auf seinen Drucken und Gemälden ein wenig so wirkt, als habe er die Symbole indianischer Kulturen mit westlichen Comicsequenzen vermischt. Es sind bunt gefleckte, mit Sprechblasen übersäte Bilderwelten, in denen er oft auf die Zustände in lateinamerikanischen Diktaturen eingeht und die mehr als zwiespältige Rolle der Amerikaner oder des Vatikans anprangert.
Seine Eigenständigkeit hat dem Werk Fahlströms bereits eine späte Würdigung auf der Kasseler documenta X 1995 eingetragen. Arthur Köpcke dagegen ist wie Erró bis heute beinah in Vergessenheit geraten. Er zählt zum selben Jahrgang wie Fahlström - 1928 -, hatte im Gegensatz zu diesem aber das Pech, nicht in Sao Paulo, sondern in Hamburg geboren zu sein, mit der Folge, dass er als Jugendlicher von fanatisierten Nazilehrern dazu gezwungen wurde, noch in den letzten Tagen vor der Kapitulation der Stadt sich den übermächtigen alliierten Panzern entgegenzustellen und mitzuerleben, wie ringsherum seine Freunde und Kameraden abgeschossen wurden. Köpcke wanderte nach Kopenhagen aus, wo er 1977 starb, und sein ganzes Künstlerleben verbrachte er damit, sich bitter über das neue kapitalistische System in Deutschland lustig zu machen, das so mühelos die Nazis von damals integrierte.
Vier Anti-Künstler also, die keinem politischen Ideal und keiner Kunst mehr vertrauen, die Dada und Fluxus noch einmal radikalisieren wollten und denen jeglicher künstlerischer Nachruhm denkbar gleichgültig war. Natürlich bedeutet Anti-Kunst nicht, aufzuhören mit dem Malen, Zeichnen, Drucken, Aktionen machen. Man weist nur ihre gesellschaftliche Bedeutung zurück, das Verlangen nach Anerkennung. Natürlich sind über diese Provokationen die Zeiten hinweggegangen, die heute ziemlich bemüht wirken, aber so werden die Zeiten eines Tages auch über einen Manfred Kippenberger oder Albert Oehlen hinweggegangen sein. Auch wirklich gute Witze lassen sich nicht ewig erzählen.
Dass sich heute Museen wie das nobel-bürgerliche Museum in Leipzig verpflichtet fühlen, an die Vier zu erinnern, wirkt dabei rührend und selbst ein wenig komisch zugleich, denn man merkt, dass sich diese Bilder in diesem repräsentativen Rahmen mit Parkettboden und frisch geweißelten Wänden zutiefst unwohl fühlen. Aber gerade dieser Kontrast ist es andererseits auch, der verdeutlicht, worum es Fahlström und Erró, Köpcke und Lebel nicht ging. Insofern gibt es hier diesmal durchaus ein richtiges Leben im falschen.