Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Politische Kunst mit Daily Soap

Wie steht es um die Rassenbeziehungen in Südafrika? Hat sich Mandelas Traum der Regenbogennation verwirklicht? Die erste große Soloausstellung der international bekannten südafrikanischen Künstlerin Candice Breitz in ihrer Heimat wirft unbequeme Fragen auf.

Von Dagmar Wittek | 14.03.2012
    Ein Filmausschnitt aus Südafrikas beliebtester Daily Soap: "Generations". Im fliegenden Wechsel geht es durch elf Landessprachen. Täglich schalten sich acht Millionen Zuschauer in die fiktive schöne neue Welt einer aufstrebenden schwarzen Mittelklasse. Die Zielgruppe der Fernsehserie sind Schwarze. Weiße kommen in "Generations" nicht vor. Doch hier in Candice Breitz Videoinstallation liegen unvermittelt weiße Füße auf dem Tresen einer schicken Bar, der Rest des Körpers liegt außerhalb des Bildausschnitts. Dann hockt eine Blondine unter dem Esstisch, fläzt sich auf dem Verhandlungstisch eines Geschäftstreffens oder diese Weiße nimmt, als ob sie Verkäuferin wäre, eine Klopapierrolle aus dem Regal – während das Geschehen um sie herum völlig losgelöst von ihr weiterläuft.

    Schwarz und Weiß in getrennten Welten. Jedem Betrachter drängt sich die Frage auf: Welche Rolle spielt diese Weiße hier? Genau das möchte die Künstlerin erreichen mit "Extra", einer Auftragsarbeit der Gallerie. Die Kuratorin der Standard Bank Gallerie hatte sich für Breitz erste Solo-Ausstellung ein Werk gewünscht, das für Südafrika relevant wäre, erklärt die Künstlerin.

    "Ich lebe seit 18 Jahren nicht mehr in Südafrika, insofern habe ich das neue Südafrika, das Post-Apartheid Südafrika, nie selber im Alltag erlebt. Das hat mich in meinem Schaffensprozess ziemlich nervös gemacht, weil ich mich gefragt habe, wie kann ich meine Nähe und Verbundenheit zum Land ausdrücken, ohne anmaßend zu wirken? Die dann entstandene neue Arbeit, die Videoinstallation, die ich speziell für diese Ausstellung geschaffen habe, sollte genau dieses Problem ansprechen – dass ich nämlich nicht mehr in der Lage bin, als Insider über Südafrika zu sprechen."

    Die 40-jährige Foto- und Videokünstlerin lebt seit zehn Jahren in Berlin. 1994 zum Ende der Apartheid verließ sie Südafrika, um in Amerika zu studieren. Ihre Kunstwerke – meistens Multimedia-Installationen - lösen Personen aus ihrem ursprünglichen Kontext heraus und lassen so neue Zusammenhänge entstehen. Wie zum Beispiel ihre Videoinstallation "Mother and Father", die ihr auf der Kunst-Biennale 2005 in Venedig zum internationalen Durchbruch verhalf. Auch sie wird nun zum ersten Mal in Südafrika gezeigt.

    Auf zwölf Bildschirmen sind sechs männliche und weibliche Hollywoodschauspieler vor einem schwarzen Hintergrund zu sehen. Durch Breitz geschickte Montage entsteht zwischen ihnen ein Gespräch unter Vätern und Müttern über das Elternsein.

    Der kuriose Effekt für den Betrachter ist, dass man sich fragt, wie vertraut oder fremd einem diese Hollywoodfiguren nun plötzlich sind zumal die Medienkünstlerin immer aus dem vertrauten Bilderangebot der Popkultur schöpft.

    Ähnlich funktioniert das bei "Extra", der südafrikanischen Videoinstallation, in der sich die Candice Breitz in Afrikas beliebteste Daily Soap eingeschlichen hat. Weiß und zudem schlohblond wie sie ist, sticht sie aus dem rein schwarzen Set heraus. Weiße Südafrikanerin zu sein, sagt Breitz, bereite ihr Unbehagen. Ebenso unbequem sind ihre Bildkompositionen und die von ihr aufgeworfenen Fragen.

    "Was genau ist unsere Rolle als weiße Südafrikaner? Wir Weißen haben alle massiv vom Apartheidsystem profitiert nach wie vor profitieren vom Erbe der Apartheid. Aber wir haben uns nicht genug damit beschäftigt, wie wir uns in die sehr lebendige und reiche Kultur der schwarzen Mehrheit integrieren können. Sind wir überhaupt noch wichtig? Sollten wir uns einmischen, oder lieber die Klappe halten?

    Kunst, glaubt Candice Breitz, kann einen Beitrag zur Gleichberechtigung aller Hautfarben beitragen. Ihr Weg über die Popkultur zur politischen Aussage ist sicher nicht der schlechteste.